Abseits der Quadratmeter

Büromarktentwicklungen. Die reinen Fakten können sich sehen lassen. Die weitere Entwicklung hängt aber auch von Themen ab, die sich nicht in Zahlen messen lassen. Dazu gehören unter anderem politische Entscheidungen.

Es ist wieder Bewegung in den Wiener Büromarkt gekommen. Laut EHL wurden in den ersten drei Quartalen heuer 220.000Quadratmeter Bürofläche neu vermietet, was ein beeindruckendes Plus von 41 Prozent darstellt. Und es könnte gut weiterlaufen, „denn durch den Investitionsstau der vergangenen Jahre wird bei vielen Unternehmen die Bereitschaft zur Übersiedlung in den nächsten Monaten wiedersteigen“, erklärt Stefan Brezovich, Vorstand der Örag. Doch hinter den Fassaden der Zahlen (siehe auch Artikel unten) zeigen sich Themen, die vielleicht nicht in vermieteten Quadratmetern messbar sind, diese aber beeinflussen oder in Zukunft beeinflussen werden.

Politik bewegt den Markt

Politik macht Wirtschaft – ein Thema, das zwar immer in gewisser Weise in der Vermietungsleistung eine Rolle gespielt hat, aber noch vor einigen Jahren nicht diese Dimension gehabt hat. „Die Berechenbarkeit der Regierung hinsichtlich legistischer Veränderungen ist für ausländische Unternehmen wesentlich“, konstatiert Anton Bondi, Geschäftsführer von Bondi Consult. Daher sei natürlich auch die politische Entwicklung in Österreich ein Thema und werde von internationalen Kunden derzeit mit gewisser Skepsis gesehen“, analysiert der Experte. Darunter fällt natürlich vorrangig die Wahl des Bundespräsidenten. Andreas Ridder, Geschäftsführer von CBRE Österreich: „Das Thema ist sicher im einen wie im anderen Ausgang innenpolitisch recht schnell verarbeitet, aber es kann doch Auswirkungen auf Ansiedlungs- oder auch Absiedlungsüberlegungen von Unternehmen und – wohl noch wesentlicher – internationalen Organisationen haben.“

Starke Auswirkungen aktueller politischer Entscheidungen spürt man bereits in England, wie Alexander Fenzl, Leiter Immobilienvermarktung Gewerbe bei Otto Immobilien weiß: „Unser Kooperationspartner Knight Frank in London sieht, dass die ausgelöste Unsicherheit über die zukünftige Gestaltung der Zusammenarbeit mit der EU bereits aktuell anstehende Entscheidungen beeinflusst hat.“ So hat sich eine Großbank, die einige Abteilungen in Europa zusammenführen wollte, letztendlich gegen London entschieden. Die Wahl fiel zwar auf Frankfurt, „aber für den Wiener Markt ist der Brexit ein Hoffnungsthema, da die Abwanderung von Unternehmen aus England erwartet wird und wir alle hoffen, dass da auch für Wien die eine oder andere Ansiedlung abfällt“, erklärt Bondi. Die Entscheidung für oder gegen den Standort ist aber auch mit der weiteren Entwicklung der heimischen Wirtschaft und insbesondere der künftig zu erwartenden Steuerbelastungen verbunden.

Die EU mischt mit

Aber auch die Asylpolitik und deren langfristigen Auswirkungen – vor allem auf Wohnen, Arbeiten und Sicherheit – beschäftigt viele Organisationen und Unternehmen. Wobei im Bürobereich das Thema Migration weniger wichtig als im Wohnbereich ist. „Eine zentrale Rolle spielt dafür aber die weitere Entwicklung der EU“, meint Brezovich. „Vor allem, wie sie mit den zentralen Themen der Zerfallserscheinungen und der Lösung der Grenzsicherung und Flüchtlingsfrage umgehen wird.“

Darüber hinaus zwingen technische und gesellschaftliche Entwicklungen Mieter und Investoren, auch in ihren vier Bürowänden umzudenken und neue Wege zu gehen, die sich mittelfristig auf die Nachfrage nach Büroflächen auswirken werden. Fenzl: „Unsere Mieterzufriedenheitsumfrage hat gezeigt, dass sich viele Firmen mit der Veränderung der Arbeit und der damit einhergehenden Änderung der Büroarbeitswelten beschäftigen.“ Bereits 70 Prozent der befragten Unternehmen gehen davon aus, dass Desksharing und Home-Office-Konzepte künftig zunehmen werden. Es ist davon auszugehen, dass sich diese Schritte sehr schnell vollziehen werden. „Daher befindet sich jeder Mieter in einem konstanten Spannungsfeld von Kosten, Qualitätsanspruch und Flexibilität hinsichtlich der Größe der Mietfläche“, meint Ridder.

Konkrete Überlegungen betreffen weiters die mittelfristige Flexibilität am Standort trotz mietvertraglicher Bindung, und Brezovich gibt sich überzeugt: „Das gilt es auf dem Verhandlungsweg zu lösen“ – sprich besser miteinander als gegeneinander.

Das könnte überhaupt angesichts der zahlreichen Themen, mit denen sich die Immobilienwirtschaft konfrontiert sieht, der Slogan der Zukunft sein. Letztendlich gilt es nämlich, „Arbeitswelten zu schaffen, die lebenswert sind, die Unternehmenskultur widerspiegeln und flexibel sind“, betont Ridder. Und das eben am besten miteinander.

AUF EINEN BLICK

Es sind die unterschiedlichsten Themen, die denWiener Büromarkt prägen und Unternehmen beschäftigen. Dazu gehören:

• der Brexit

• die Bundespräsidentenwahl

• allfällig vorgezogene Nationalratswahlen

• die österreichischen Steuergesetze

• die Sicherheit – sowohl im Land als auch in den eigenen Büroräumen

• die Berechenbarkeit der Regierung hinsichtlich legistischer Veränderungen

• die Entwicklung der Wirtschaft und insbesondere mögliche künftige Steuerbelastungen

• die Konjunktur, Zins- und Kapitalmarktentwicklung

• die Besonderheiten des österreichischen Miet- und Steuerrechts

• Einen Einfluss werden auch die Umbrüche in den Bürowelten haben, in denen die festen Arbeitsplätze zunehmend durch Desksharing und Home-Office-Konzepte verdrängt werden.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.11.2016)

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