Krisenwährung Immobilie – viele Anleger suchen in wirtschaftlich unsicheren Zeiten nach stabilen, wertbeständigen Anlagen. Ausdruck dafür sind die kontinuierlich steigenden Wohnimmobilienpreise in Wien. Doch Immobilienaktien „ticken“ anders, wie die Kursentwicklung seit Jahresbeginn zeigt. Die Erste-Group-Analystin, Martina Valenta, kommentiert die Situation.
Immobilienaktien stellen kein direktes Immobilieninvestment dar, sind – unterschiedlich hoch – mit Fremdkapital ausgestattet und sind jederzeit handelbar, was schnell zu Ausschlägen in die eine oder andere Richtung führen kann.
Die österreichischen Immoaktien folgten dem breiten Markt heuer nach unten und notieren derzeit wieder mit Abschlägen von rund 50 Prozent zu den Buchwerten, weit schlechter als westeuropäische Vergleichsunternehmen. Diese Niveaus hatten wir zuletzt 2009, als die Krisentiefs mit Notierungen von teilweise 80 Prozent unter Buchwert gerade überwunden wurden.
K/BW-Parität nicht in Sicht …
Fundamental betrachtet scheinen die aktuellen Niveaus zu pessimistisch und preisen bereits eine deutliche Abschwächung der Immobilienmärkte ein. Auf Jahressicht ist eine Erholung auf ein Kurs/Buchwert Verhältnis von ca. 0,6x durchaus gerechtfertigt, basierend auf einer Regression Kurs/Buchwerte gegenüber der von uns derzeit erwarteten Eigenkapitalrendite 2012 von 3,7 Prozent. Für eine deutlichere Annäherung an die Buchwerte ist die Profitabilität der Immos derzeit aber zu gering.
Basierend auf den Schätzungen der Erste Group werden bei den österreichischen Immos heuer und nächstes Jahr nicht mehr als drei bis vier Prozent Eigenkapitalrendite erwartet, was deutlich unter den Eigenkapitalkosten von zumindest sieben Prozent liegt.
Dass die Eigenkapitalkosten verdient werden müssen, zeigt auch ein historischer Rückblick sehr schön. Zuletzt notierten die österreichischen Immos in den Boomjahren 2005-2007 um die Buchwerte, als auch Eigenkapitalrenditen knapp unter zehn Prozent verdient wurden, wozu aber auch die optimistischen unbaren Aufwertungsgewinne beisteuerten.
… da Ertragskraft noch zu niedrig
Hier werden die Bewerter wahrscheinlich heuer und nächstes Jahr auf die Bremse steigen, sodass kein positiver Effekt für die Ergebnisse zu erwarten ist. Die Ertragskraft leidet auch unter Instandhaltungsprogrammen und noch nicht gehobenen Einsparungspotentialen bei den Verwaltungskosten.
Leider wirkt in der aktuellen Phase auch das niedrige Zinsniveau nicht entlastend, da die Immofirmen das Zinssteigerungsrisiko zum Großteil abgesichert haben.
Fundamental gesehen Kursgewinnpotential, zusätzlich Dividenden
Trotz des schwierigen Kapitalmarktumfeldes mit ungelöster Staatsschuldenthematik sehen die Analysten der Erste Group fundamental für die österreichischen Immobilienaktien auf Jahressicht durchaus interessantes Kursgewinnpotential.
Zusätzlich sollten alle von der Erste Group analysierten Immos nun in die Dividendenphase kommen. conwert machte bereits 2009 den Anfang, gefolgt von Immofinanz im Oktober. CA Immo und S Immo sollten sich nächstes Jahr für 2011 dazu zu gesellen. Die Dividendenrendite von durchschnittlich 3,8 Prozent im aktuell niedrigen Zinsumfeld ist ein guter Start, aber sicher noch ausbaufähig, auch im internationalen Vergleich.
Besser gerüstet für neuen Abschwung
Die Analysten der Erste Group denken auch, dass die Immobilienmärkte und Immos gegenüber der letzten Krise besser aufgestellt sein sollten. Die Immos haben ihre Entwicklungspipelines zusammengestrichen und ihre Portfolios gestrafft. Österreich und Deutschland schlugen sich gut. Osteuropa sollte nun resistenter sein als in der letzten Krise, da derzeit nur wenige neue Projekte auf den Markt kommen, die Mietniveaus sich noch nicht sehr stark von den Krisenniveaus erholt haben und auch die Renditen noch deutlich über den Spitzenwerten liegen. Hier darf man jedoch die Heterogenität der Region nicht aus den Augen lassen, wobei sich deutlich ein Nord-Süd-Gefälle zeigt. Dass auch Investoren auf diese fundamentalen Aspekte schauen, zeigt sich am starken Investitionsvolumen in CEE, das sich in den ersten neun Monaten verdoppelt hat.
Finanzierung erschwert Immobilienverkäufe
Größtes Thema in den nächsten Quartalen wird wahrscheinlich Fremdkapitalverfügbarkeit sein. Restriktivere Kreditkonditionen (z.B. in Ungarn) könnten die Transaktionsmärkte wieder abschwächen lassen. Auch ein neuerlicher Renditeanstieg, vor allem abseits der Spitzenobjekte, um das gestiegene Risiko und die geringere Liquidität zu kompensieren, hätte negative Auswirkungen auf Bewertungen und auch die Verkaufspläne der Immobilienfirmen.
Bessere Jahreszeit kommt
Nachdem die „Sell in May and go away“ Strategie heuer absolut erfolgversprechend gewesen wäre, stellt sich nun die Frage nach der Rückkehr in den Aktienmarkt. Hier sehen die Analysten in der CEE-Region und auch in Österreich nun doch einige positive Impulse. Diese könnten zumindest für ein zum Teil versöhnliches vierten Quartal sprechen, wenngleich die Verluste der ersten drei Quartale kaum aufzuholen sein werden. Immobilienwerte als Sachinvestitionen werden hier ebenso profitieren können.
Gastkommentar von Martina Valenta, Analystin für Immobilienaktien bei der Erste Group.