Rumänien: Der teure Traum von der eigenen Wohnung

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Symbolbild(c) AP (Elizabeth Dalziel)
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Nach dem Platzen der rumänischen Immobilienblase ist man bemüht, die Fehler der Vergangenheit zu korrigieren. Noch liegt der Markt in Agonie. Trotz kleiner Preise finden sich keine Abnehmer für Wohnungen.

Goldene Zeiten haben bis vor drei Jahren auf Rumäniens Immobilienmarkt geherrscht. Heute ist das kaum mehr vorstellbar. Rund 17 durchschnittliche Jahresgehälter kostete Anfang 2008 eine kleine Einzimmerwohnung in einer rumänischen Großstadt. Mittlerweile sind vergleichbare Wohnungen nur noch die Hälfte wert. Trotz niedrigerer Preise finden die Eigentümer keine Abnehmer für ihre Wohnungen. Wie lange diese Agonie noch anhält, ist ungewiss.

Drastischer Preisanstieg

Seit dem Jahr 2000 hat sich der Kaufpreis einer Eigentumswohnung in Rumänien verzehnfacht. Nirgendwo hat sich dieser Trend deutlicher abgezeichnet als in Bukarest. Dort kletterte der Erwerbspreis einer durchschnittlichen Einzimmerwohnung zwischen 2001 und 2008 von 6500 auf 70.000 Euro.

Einen Grund für den drastischen Preisanstieg sieht Cristian Ogonas, unabhängiger Immobilienmarktexperte, in der Liberalisierung des Banken- und Kreditmarktes. Auch das „große Volumen ausländischer Investitionen, die mit dem EU-Beitritt begründete Hoffnung auf ein Wirtschaftswunder chinesischen Ausmaßes und Spekulationen waren für den fast surrealen Preisanstieg mitverantwortlich“, sagt Ogonas.

Eigentum bevorzugt

Die Konsequenz: Es wurde gebaut ohne Nachfrage. Zwar stiegen auch die Löhne der Rumänen in den vergangenen Jahren, jedoch nicht proportional zu den Mietpreisen. Hinzu kommt, dass Rumänen ungern mieten, sondern bevorzugt Wohnungen kaufen. Das hat mit der Mentalität der Rumänen und historischen Aspekten zu tun, meint der Politologe Daniel Barbu von der Universität Bukarest: „Der sozialistische Staat bot günstige Kredite und baute jedes Jahr zahlreiche Wohnungen in den Städten, vor allem für den Eigenbedarf der zugezogenen ländlichen Bevölkerung“, erklärt Barbu. „Diese freuten sich zwar über das neue Leben als Arbeitskraft in der Industrie, waren aber immer noch von soliden, konservativen Wertvorstellungen wie Sesshaftigkeit geprägt.“

Der Traum von der eigenen Wohnung kommt die Wirtschaft jetzt teuer zu stehen. Alle Akteure auf dem Markt müssen drastische Verluste einstecken, allen voran die westeuropäischen Banken, deren rumänisches Kundengeschäft jahrelang hervorragend lief. Johann Lurf, Präsident der Volksbank Rumänien, einer Tochterfirma der österreichischen Volksbankengruppe, erklärte Anfang April, dass sein Institut 2010 rote Zahlen in Höhe von 36 Millionen Euro schrieb. „Wir wollen jetzt die Fehler der Vergangenheit korrigieren und haben 2010 kaum Kredite vergeben“, erklärt Lurfs Vize Lucian Cojocaru.

Bisher zahlen etwa fünf Prozent der Bevölkerung die Immobilienkredite nicht zurück, die von der Notenbank in Bukarest angekündigten Zahlen verschlechtern sich aber monatlich. Und das bereits seit zwei Jahren. Noch schlimmer sieht es bei Bauunternehmen und Immobilienprojektentwicklern aus: Nachdem Rumänien für diesen Sektor noch 2007 die höchste Umsatzsteigerung in der EU berichtet hat, stehen jetzt viele Baustellen leer. Die Mitarbeiter aus der Republik Moldau, der Ukraine oder sogar aus China, die von rumänischen Bauunternehmen als Arbeitskräfte angeworben wurden, sind in den Straßen Bukarests nicht mehr zu sehen.

Umsatzminus von 30 Prozent

Der Umsatz der Wohnimmobilienbranche ist laut rumänischem Amt für Statistik zwischen März 2010 und März 2011 um 30 Prozent gesunken. Allein beim Bau von Industriegebäuden machen sich die Unternehmen noch Hoffnungen. Die meisten unabhängigen Marktanalysten zeigen sich zurzeit eher zurückhaltend. „Wie lange dieser Anpassungsprozess noch anhält, kann niemand sagen“, behauptet Ogonas. Und fügt schnell hinzu: „Doch 65.000 Euro für eine durchschnittliche Zweizimmerwohnung in Bukarest mit weniger als 60 Quadratmeter, Baujahr 1980, scheint mir immer noch übertrieben.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 04.06.2011)


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