Hier das Grätzel, dort der Kiez

(c) Erwin Wodicka
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Wien und Berlin - so unterschiedlich diese Städte sein mögen, da wie dort sind Zinshäuser ein Renner. Beide Metropolen bieten hohe Lebensqualität und stabile politische Strukturen. Ein Trend mit Bestand?

Vergleicht man die Zinshausmarktsituation der österreichischen mit der deutschen Hauptstadt, entdeckt man Ähnlichkeiten und Gegensätze: Beide Metropolen bieten hohe Lebensqualität, stabile politische Strukturen und haben ein Rechts- und Steuersystem, das sich laut Magan-Geschäftsführer Alexander Neuhuber „zu 80 Prozent deckt“. Und trotzdem gibt es eine Reihe von Unterschieden. So gilt die deutsche Bundeshauptstadt als „ärmere“ Stadt – eine Tatsache, die der gerade erst wiedergewählte Bürgermeister Klaus Wowereit in der Vergangenheit gern mit dem Slogan „Arm, aber sexy“ umschrieb. Dafür ist Berlin wiederum besonders „reich“ an Wasser und hat mit rund 1600 Brücken sogar deutlich mehr als Venedig. Dort sind etwa 400 zu finden.

Eine weitere Differenz zwischen Wien und Berlin liegt für Neuhuber neben den Ausmaßen – Berlin ist mit einer Fläche von 890 Quadratkilometern mehr als doppelt so groß wie Wien – in der generellen Struktur der beiden Städte. So sei Berlin etwa durch eine „ausgeprägte Kiezstruktur“ gekennzeichnet. Wegen der guten Infrastruktur in den einzelnen Vierteln könne man durchaus von einer „Stadt der kleinen Wege“ sprechen. „Wien ist dagegen eher monozentristisch aufgebaut und hat einen starken Fokus auf den ersten Bezirk“, so der Experte. Nachsatz: „Die Grätzelbildung erfolgt in Wien nur sehr langsam.“

Schlaraffenland in Progress

Besonders hohes Potenzial sehen Experten auf dem Berliner Zinshausmarkt. Neuhuber spricht gar von einem „Schlaraffenland“ und hat dementsprechend in den vergangenen Jahren rund 150 Millionen Euro in 66 Zinshäuser investiert – darunter auch in Objekte in Potsdam und Leipzig. Für einen großen Bedarf an Wohnraum in der deutschen Hauptstadt würden unter anderem die starke Zuwanderung – vor allem unter 20- bis 30-Jährige – sowie eine steigende Zahl an Single-Haushalten sprechen.

Gleichzeitig sei die Neubauaktivität laut Neuhuber „marginal klein“, er prophezeit: „Die Mieten und die Eigentumspreise werden in den nächsten Jahren auf europäisches Niveau steigen.“ Seine Einschätzung teilen andere Investoren, wie die Ergebnisse einer PricewaterhouseCoopers (PwC)-Umfrage unterstreichen: „30,6 Prozent der Befragten empfahlen darin eine Investition in Berlin“, berichtet Neuhuber. Damit erreiche die Stadt die höchste Quote unter allen europäischen Metropolen. Was die Ertragssituation betrifft, befindet sich Berlin in der PwC-Studie „Emerging Trends in Real Estate Europe 2010“ auf Rang sieben von 27 europäischen Großstädten. Auf Platz eins liegt München, Wien rangiert auf Platz sechs.

„Ganz Deutschland bildet sich in Berlin ab“, so Dennis Boergel, Partner bei Cushman & Wakefield (C&W). Er spricht generell von einer „Stadt in progress“ – vor allem, was die Entwicklung von Einzelhandelsimmobilien betreffe. Ein Problem sei, dass Berlin zwar Hauptstadt ist, aber nur wenige große Unternehmen hier ihren Sitz haben. „Dementsprechend ist auch das Einkommensniveau nicht so hoch“, sagt er. Gleichzeitig sei die kaufkräftige Oberschicht überschaubar. Neuhuber gibt sich trotzdem optimistisch: „Es ist nur eine Frage der Zeit, bis wieder ein DAX-Unternehmen die Zelte in Berlin aufschlägt.“

Alt, aber im Aufschwung

Das klassische Wiener Zinshaus hat trotz seines mittlerweile stattlichen Alters keineswegs an Faszination eingebüßt. Allein im ersten Halbjahr 2011 lag die Zahl der Transaktionen um 20 Prozent über dem Vorjahresniveau, so die aktuelle Ausgabe des von Otto Immobilien veröffentlichten „Wiener Zinshaus-Marktberichts“. Das Transaktionsvolumen stieg gegenüber dem Vorjahreszeitraum um elf Prozent.

„Wir erleben 2011 einen deutlichen Aufschwung“, umreisst Richard Buxbaum, Leiter der Abteilung für Wohnimmobilien und Zinshäuser bei Otto Immobilien, die Entwicklung.

Unter Investoren waren einmal mehr die Bezirke innerhalb des Gürtels stark gefragt. So verzeichneten der achte und neunte Bezirk mit 47 Millionen Euro das höchste Transaktionsvolumen im ersten Halbjahr. Zum Vergleich: Im ersten Bezirk lag es im selben Zeitraum bei 42 Millionen Euro. Dass hier gleichzeitig die Zahl der Deals am niedrigsten war, unterstreicht die Ausnahmestellung der Inneren Stadt. Außerhalb des Gürtels entwickelten sich der 16. und 17. Bezirk stark – ebenso wie die Leopoldstadt, die in den letzen Jahren durch Projekte wie „Viertel Zwei“ sowie den Wirtschaftsuniversitäts- und U-Bahn-Ausbau an Attraktivität gewonnen hat.

Hohe Preise fern einer Blase

„Das Angebot ist knapp, und viele Interessenten kaufen heute Objekte, die früher unverkäuflich waren“, so Buxbaum. Seit dem Frühjahr seien die Preise fast in ganz Wien gestiegen – auf einem hohen Niveau. Das selbe Bild zeigt sich bei den Renditen. Mit einer Preisspanne von 3200 bis 5200 Euro pro Quadratmeter ist derzeit der erste Bezirk am teuersten, am günstigsten der 10., 11., 21. und 22. Bezirk – wo allerdings auch die Renditen am höchsten sind.

„Das Wiener Zinshaus ist ein wesentlicher Bestandteil der Identität dieser Stadt. Es wird immer einen gesunden Markt geben, es entwickelt sich weder eine Blase noch ein Hype“, so der Otto-Immobilien-Experte.

Auf einen Blick

Der Berliner Zinshausmarkt boomt dank steter Zuwanderung, es handelt sich um eine Stadt im Wandel. Konstanter ist die Lage in Wien, aber auch hier stieg die Zahl der Transaktionen im Vergleich zum Vorjahr stark. Die Innere Stadt sowie der 2., 16. und 17. Bezirk stehen hoch im Kurs. Eine Blase sei laut Experten nicht in Sicht.
www.otto.at, www.magan.at, www.pcw.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 01.10.2011)

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