Wien: Billiges Bauland für gute Freunde

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Stadtregierung kaufte in Liesing Gründe teuer auf - und gab sie zu Billigstpreisen an "befreundete" Genossenschaften weiter. Der Stadt entstand so ein Millionenschaden. Wohnbaustadtrat war damals Werner Faymann.

Anfang Mai veröffentlichte „Die Presse“ einen Bericht des Wiener Kontrollamts, der den teuren An- und den billigen Verkauf von Bauland in Wien-Liesing kritisierte. Weitere Recherchen legen nun offen, dass es zwei mit der Stadtregierung „befreundete“ Wohnbaugenossenschaften waren, die von der in großkoalitionärer Eintracht beschlossenen Minderung öffentlichen Eigentums profitierten. Ebenfalls sichtbar wird ein Netzwerk, das durch eine Reihe bemerkenswerter Querverbindungen zwischen Politik und Wirtschaft auffällt.

„Der Kellerberg war von seiner ersten Präsentation an ein Erfolgsmodell“, freute sich im Sommer 2006 der Wiener Wohnbaustadtrat in einer Presseaussendung. Sein Name: Werner Faymann, heute Bundeskanzler. Er präsentierte damals Reihen- und Doppelhäuser, die auf dem Gelände zwischen Triester Straße und Konrad-Grefe-Gasse errichtet worden waren.

Stadt machte 11,9 Mio. Verlust

Das Kontrollamt hatte Anfang Mai festgestellt, dass der Erfolg, von dem Faymann damals sprach, einseitig verteilt war. Die Stadtregierung hatte das Gelände nämlich über Marktwert ge- und anschließend unter Marktwert verkauft. Alles in allem ein Schaden, den die Wirtschaftsprüfer der Stadt mit 11,9 Millionen Euro bezifferten. Über die günstigen Baugründe freuten sich zwei Baugenossenschaften. Die eine, Wien-Süd, gilt als SPÖ-nahe. Die andere, GSG, ist politisch der ÖVP zuzuordnen. Doch wie kam das für die Allgemeinheit ganz und gar nicht profitable Geschäft zustande?

1990 plante die Stadtregierung den Ankauf des 20 Hektar großen Areals für 137 Euro pro Quadratmeter. Die Experten der damaligen MA40 (Technische Grundstücksangelegenheiten) hielten zwar fest, dass das 30 Prozent über dem Marktwert lag, sagten aber dazu, dass bei einer Umwidmung in Bauland nach Bauklasse1 „mit Sicherheit“ eine Wertsteigerung auf wenigstens 181 Euro zu erreichen sei. Auf Basis dieser Prognose ging die Transaktion über die Bühne.

Sieben Jahre später beschloss der Gemeinderat mit den Stimmen der Regierungsparteien – die SPÖ koalierte damals mit der ÖVP – die neue Flächenwidmung eines Teils des Areals. Doch anstatt Bauklasse1 erging die Widmung Gartensiedlungsgebiet, die vorschreibt, dass nur ein Drittel des Grundes auch verbaut werden darf. Das entspricht einer bewusst in Kauf genommenen Wertminderung.

Weitere sechs Jahre später, 2003, kam das Geschäft schließlich zum Abschluss. Wien-Süd und die GSG zahlten für den zum Verkauf stehenden Bereich 94 bzw. 98 Euro pro Quadratmeter Grund. Das ist etwas mehr als die Hälfte jenes Wertes, der 13 Jahre vorher in Aussicht gestellt worden war. Heute ist in Liesing ein Quadratmeter Baugrund 500 Euro und mehr wert.

Faymanns Büro kommentiert die Wertminderung öffentlichen Eigentums heute so: „Zu den 1990 getroffenen Einschätzungen über mögliche zukünftige Verkaufswerte kann nicht Stellung genommen werden. Für den Zeitpunkt der Liegenschaftstransaktion ist davon auszugehen, dass die für die Liegenschaftsbewertung und den Verkauf zuständigen Magistratsabteilungen korrekt vorgegangen sind.“

Dazu ist anzumerken, dass die Entscheidungen über An- und Verkauf der Grundstücke die Stadtregierung und der Gemeinderat trafen, nicht die Beamten des Magistrats. Das stellt auch das Kontrollamt fest. Und: Bei den Preisverhandlungen tat die Stadt nichts, um das für sie bestmögliche Ergebnis herauszuholen. Beim Ankauf, so geht es aus den Akten hervor, wurden klare Wertminderungsgründe wie die fehlende Aufschließung mit Zufahrtsstraßen und Kanal außer Acht gelassen. Umgekehrt drückten aber genau diese Argumente den Preis beim Verkauf erheblich.

Posten für Bauträgermanager

Auch die beiden Bauträger verteidigen heute das Geschäft von damals. Zum einen habe man keinerlei Einfluss darauf gehabt, zu welchem Preis das Grundstück überhaupt angeboten werde, heißt es in der Unternehmensleitung von Wien-Süd. Außerdem, argumentiert die GSG, sei das Vorhaben ein Pilotprojekt der von der Stadt ausgerufenen „Neuen Siedlerbewegung“ gewesen, das mit Wohnbauförderung bedacht werden sollte. Und Förderungen seien eben nur bis zu einem bestimmten Grundstückspreis beantragbar.

An diesem Punkt schließt sich der Kreis aus Wohnbauwirtschaft, Parteizugehörigkeiten und Politik. GSG-Geschäftsführer Thomas Scharf war einst Klubobmann der ÖVP in Wien-Neubau. Während seine Partei von 1996 bis 2001 in der Stadtregierung saß, erhielt nicht nur der Kellerberg eine neue Flächenwidmung. Scharf wurde zu jener Zeit – wie er selbst sagt – gefragt, ob er denn Interesse an einem geförderten Wohnbauprojekt ebendort habe. Zusätzlich bekam er einen Posten im Aufsichtsrat des Beteiligungsmanagements der Stadtwerke.

Maximilian Weikhart, Vorstand der Wien-Süd, ist eindeutig der SPÖ zuzuordnen. Schon sein Vater war als Parteimitglied für die Vorgängerorganisation der Genossenschaft tätig, die in der Hauptstadt zu den größten Bauträgern überhaupt gehört. Er selbst führte, bevor er zu Wien-Süd kam, eine Zeit lang den Vorwärts-Verlag der Sozialdemokraten, war und ist in Führungspositionen zahlreicher anderer Bauträger im Nahbereich von Stadt und Partei tätig.

Ein Beirat, der sich nie trifft

Beiden Managern gemein ist, dass sie seit der Ära Faymann als Wohnbaustadtrat im sogenannten Wohnbauförderungsbeirat sitzen – auf Tickets von SPÖ und ÖVP. Aufgabe des Beirats ist es, Ansuchen um Förderungen vorab zu begutachten. Auch die Bauträger von Weikhart und Scharf suchten damals um die Zuerkennung öffentlicher Mittel an. 7,89 Millionen Euro wurden schließlich bewilligt.

Scharf sagt, dass man die Bedeutung des Beirats nicht überbewerten dürfe. „Er trifft sich nämlich nie.“ Was umgekehrt bedeuten würde, dass die Anträge nicht ernsthaft geprüft werden. Ob nicht seltsam sei, dass Manager von Bauträgern so über Förderansuchen ihrer eigenen Unternehmen befinden? Scharf zur „Presse“: „Das ist absolut üblich. Schauen Sie sich an, wer da sonst noch im Beirat sitzt.“

Aktuell wird die ÖVP dort neben Scharf durch Norbert Walter (Volkswohnungswerk) und Michael Pech (Siedlungswerk) vertreten. Für die SPÖ halten gemeinsam mit Weikhart Ewald Kirschner (Gesiba), Herbert Ludl (Sozialbau, Volksbau etc.), Franz Köppl (EBG), Karl Wurm (Gewog, Neue Heimat) und Wilhelm Zechner (Neuland, Urbanbau etc.) die Stellung.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.06.2011)

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