Graffiti: "99 Prozent aller Schriftzüge lassen sich entfernen"

(c) Clemens Fabry
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Stein ist geduldig. Eine Entfernung unerwünschter Sprayer-Botschaften ist möglich, detto deren Prävention.

Kaum ein Thema polarisiert im urbanen Raum so sehr wie Graffiti – für die einen sind sie Kunst, für die anderen schlicht Vandalismus. Während Street-Art-Künstler und Sprayer wie der aus Bristol stammende Banksy oder der Franzose Invader unter ihren Fans und in der Kunstszene Kultstatus genießen, erregen an Hausfassaden angebrachte Schriftzüge, im Szenejargon „Tags“ genannt, die Gemüter. „Hier einen künstlerischen Bezug herzustellen fällt schwer“, findet etwa Martin Troger, Geschäftsführer der Gebäudeverwaltung bei der Rustler Gruppe, die rund 750 Gebäude in ganz Wien verwaltet. Die Zahl der von Graffiti betroffenen Objekte sei allerdings überschaubar: „Man kann nicht sagen, dass Graffiti in letzter Zeit stark zugenommen haben“, räumt Troger ein. In die gleiche Kerbe schlägt Margit Leidinger. Die Finalit-Geschäftsführerin kann dies ganz gut einschätzen, ist ihr Unternehmen doch auf die Reinigung, Pflege und Erhaltung von Stein spezialisiert und wird immer wieder für besonders knifflige Aufträge engagiert, wie für die Entfernung von gesprayten Botschaften auf der Cheops-Pyramide. „Nach dem heutigen Stand der Technik und der chemischen Hilfsmittel können 99 Prozent aller Graffiti entfernt werden“, sagt sie. Die Kosten variieren je nach besprayter Fläche und der davon betroffenen Oberfläche.

Wie man sie beseitigt

Laut Leidinger kommt es bei der Beseitigung von Graffiti nicht so sehr auf die Frage an, ob es sich um einen Alt- oder Neubau handelt, denn „Stein ist so oder so ein paar Milliarden Jahre alt“. Entscheidend sind vielmehr seine Dichte und der Grad der Helligkeit. Schwierig kann es bei sehr porösen Steinen werden, wie dem in Wien oft eingesetzten Mannersdorfer oder St. Margarethner Sandstein. Besonders dann, wenn sogenannte „Bluterfarben“ eingesetzt werden: „Diese dringen sehr stark in den Untergrund einer Wand ein“, erklärt Leidinger. In solchen Fällen wird auf die Farbe eine spezielle chemische Paste aufgetragen und dann mittels Kärcher herausgespült. „Falls dann noch Farbschatten übrig bleiben, werden diese ausgebleicht“, so Leidinger. Eine weitere Möglichkeit, Graffiti zu entfernen, ist das „Sandstrahlen“. Dabei kommen Geräte zum Einsatz, die mit Niederdruck beispielsweise Calcitpulver auf eine Wand auftragen. Dabei wird allerdings auch im Millimeterbereich die Oberfläche abgetragen. „Deshalb kommt diese Methode immer seltener zum Einsatz“, so Leidinger.

Auf frischer Tat ertappte oder ausgeforschte Sprayer haben es aus rechtlicher Sicht gesehen schwer, sich auf die Freiheit der Kunst zu berufen: „Damit zu argumentieren, reicht gewöhnlich nicht aus, um einen Eingriff in das Grundrecht auf Eigentum zu rechtfertigen“, so Felix Neuwirther, Experte für Immobilienrecht bei Freshfields. Zumindest habe sich dieses Argument in der Vergangenheit nicht durchgesetzt. Das Thema Graffiti könne man seiner Einschätzung nach sowohl von der strafrechtlichen als auch von der zivilrechtlichen Seite aus betrachten. Aus strafrechtlicher Sicht handle es sich um Sachbeschädigung – weshalb man sich als Immobilienbesitzer auch als Opfer betrachten kann. „Zivilrechtlich geht es um Schadenersatzansprüche, also primär die Kosten der Rückflüsse in den ursprünglichen Zustand“, stellt er klar. Ein reales Problem ist laut dem Juristen jedenfalls, dass man die Täter nur sehr schwer ergreifen kann, weshalb man mit rechtlichen Mitteln auch kaum zurande kommt.

Wie man sie vermeidet

„Dementsprechend ist es aus der Sicht des Immobilienbesitzers empfehlenswert, eine Versicherung abzuschließen, die diese Art von Beschädigung abdeckt“, so Neuwirther. Das Problem bei einschlägigen Versicherungen stellen für Troger allerdings deren hohe Kosten dar, die sich „nur schwer auf die Betriebskosten überwälzen lassen“. Auch Kameras wären wenig zielführend, da es sich bei den „Tätern“ in der Regel um Jugendliche handeln würde, die „nicht gerade mit hohen Geldbeträgen gesegnet sind“. Die beste Möglichkeit, sich gegen die ungewünschte Straßenkunst abzusichern, sei immer noch, die Fassade vorab „präventiv anzustreichen“. Dieses „Imprägnieren“ folgt laut Leidinger demselben Prinzip wie etwa bei Schuhen oder Kleidungsstücken. „Die meisten Farben lassen sich bei imprägnierten Fassaden einfach abwaschen“, sagt sie. Bei sehr porösen Steinen sei es allerdings notwendig, die Fassade einer Vorbehandlung zu unterziehen. „Die Vorbehandlung härtet den Sandstein aus und bildet eine stabile Schicht. Dadurch kann eine abschließende Imprägnierung nicht in den Untergrund absacken“, so Leidinger. Das Imprägnieren schütze nicht nur vor Schmierfinken, sondern etwa auch vor Streusalz oder Hunde-Urin – einem weiteren Thema, das in städtischen Ballungsräumen die Gemüter erregt. Aber das ist eine andere Geschichte.

Wisch & weg?

Dank moderner Technik und chemischer Hilfsmittel können heute nahezu alle Graffiti spurlos entfernt werden. Schwieriger wird es bei porösen und hellen Steinen.

Als Präventivmaßnahme empfehlen Experten, Hausfassaden zu imprägnieren.

Aus strafrechtlicher Sicht handelt es sich bei Graffiti, die ohne Zustimmung des Immobilienbesitzers entstehen, um Sachbeschädigung.

WEITERE INFORMATIONEN UNTER

www.finalit.at, www.banksy.co.uk,
www.graffitieuropa.org

("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.12.2011)

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