Textile Architektur: Junge Bauweise, kühne Konstruktionen

Jäger
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Gespannt, aerodynamisch, transluzent oder auch nur temporär: So kann textile Architektur aussehen, die mit Hightech-Materialien arbeitet.

Neuartige, leichte und flexible Konstruktionen aus Folien oder Gewebe stehen im Fokus einer jungen Bauweise. Ebene Flächen, rechte Winkel, massives Bauwerk – was in der herkömmlichen Architektur zur Norm gehört, ist im Bereich der textilen Architektur verpönt. „Innovative Hightech-Materialien und ihre Verarbeitung sind hier entscheidend. Sie definieren die Formensprache und entscheiden als funktionale Haut zugleich über das Maß an Transluzenz und Reflexion, über Akustik-, Dämm- und Isoliereigenschaften“, erläutert der auf Leichtbau spezialisierte Architekt Lars Meeß-Olsohn. Er skizziert ein Architekturgebiet, in dem Baustoffe zumeist in Verbindung mit Tragstrukturen aus Stahl und Stahlseilen immer aufsehenerregendere Konstruktionen ermöglichen. Die Allianz-Arena in München oder der Water Cube in Peking dienen als ebenso prominente wie spektakuläre Beispiele. Permanente Membranbauten oder temporäre Installationen illustrieren die Vielfältigkeit der Einsatzzwecke, die von wärme- und schallgedämmten Konstruktionen über fahrbare Dächer bis hin zu Verschattungssegeln reichen.

Ideales Spielfeld

„Es geht uns um das Design funktionaler Räume, in denen ein kontinuierliches Erlebnis möglich wird“, erklären Johannes Mücke und Oliver Bertram. Textile Architektur erweist sich für die beiden in Wien angesiedelten Architekten und Geschäftsführer von Wideshot Design als ideales Spielfeld für das angestrebte Cross-over zwischen Architektur und Entertainment-Design. Sie wurden auch für den Olympiapark Sochi in Russland für die Winterspiele 2014 beauftragt. Realisiert wird hier unter anderem ein membraner Circus-Maximus-Bau: Die Sitzränge dienen mit 500 Plätzen als statisches Spannungselement für die zeltähnliche Dachkonstruktion.

Eine andere Auftragsarbeit für ein Formel-1-Motorhome von Lotus Renault GP verdeutlicht, was textiles Bauen leisten kann. „Gefordert waren zum einen hoch repräsentative und charakteristisch designte Räumlichkeiten für Gastempfänge oder Pressepräsentationen und zum anderen eine dämmbare, platzsparende, leichte Konstruktion, die sich in kürzester Zeit auf- und abbauen lässt“, so Mücke und Bertram. Entwickelt wurde die Idee eines Luxuszeltes mit sechs 40-Tonnen-Lkw, die als Stützkonstruktion dienen. Das Ergebnis ist eine Verflechtung von Masse und Filigranem. Formgebende Karbonfaserspangen ermöglichen bei dem Bau das Aufspannen großer Flächen auf einfache Weise. Dabei wird mit einem einzigen Träger das Auslangen gefunden – dies soll dem Anspruch der raschen Montagezeiten gerecht werden. Stromlinienförmige Elemente und die Aerodynamik der Konstruktion erinnern wiederum an Windkanäle und stehen für Basiswissen aus dem Motorsport. „Mit den Mitteln der textilen Architektur können so Design, Funktion und Idee ganzheitlich umgesetzt werden“, erklären Mücke und Bertram.
„Eine prägende Charakteristik textiler Bauten ist einerseits die biegeweiche, stoffliche Eigenschaft der verwendeten Materialien und andererseits der statische Leichtbau, durch den die textile Hülle im montierten Zustand in eine stabile Form gebracht wird“, erklärt Stefan Jäger vom Architekturatelier Locusforma, das sich auf konstruktiven Leichtbau spezialisiert hat.

Jägers aktuelles Projekt: Das Besucherzentrums der MA-Ahrental (mechanische Abfallaufbereitungsanlage bei Innsbruck) zeigt eine der Möglichkeiten, Räume mittels textiler Architektur umzusetzen. Geschaffen wurde eine textile „Bubble“ als begehbarer Schauraum. Strapazierfähige Materialien und die benutzerfreundliche Umsetzung sollen eine langjährige, wartungsarme Verwendung sicherstellen. Durch die optische und akustische Bespielung der Hülle wird die räumliche Atmosphäre der Konstruktion unterstrichen.

„Die erfolgreiche Umsetzung von textiler Architektur bedarf nicht nur spezieller Kenntnisse, was die technische Planung angeht, sondern auch eines aktuellen Wissens über die produzierenden Manufakturen und eines Marktverständnisses“, betont Jäger die Voraussetzungen für die langfristige Etablierung des jungen Genres. Dieses gibt es seit rund 25 Jahren. Doch in Österreich sind es bis heute nur eine Handvoll Architekten, die sich mit dem Thema ausführlich beschäftigen.

Auf einen Blick

Gebogene Flächen, gespannte Dächer, Tragstrukturen aus Stahlseilen – oder auf Wunsch auch auf Lastkraftwagen als Stütze, textile Architektur zeigt sich in vielen ungewöhnlichen Anwendungen. Eingesetzt werden dabei Folien oder textile Gewebe, die Membrane für temporäre oder dauerhafte Bauten bilden. WEITERE INFORMATIONEN UNTER
www.wideshot.at,www.locusforma.at,www.leichtbaukunst.de

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