Die Politik im Dunstkreis der Tabakindustrie

(c) AP (Michael Probst)
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Das Gesundheits-Ministerium füttert die Raucher-Lobby mit dubiosen Statistiken, die Ärzte als "offenbar manipuliert" bezeichnen. Kdolsky ist für die freie Wahl in Sachen Rauchverbot bei kleinen Gastronomen.

WIEN. Manfred Ainedter kann durchaus überzeugend wirken, nicht nur vor Gericht, wenn er etwa einen Rainhard Fendrich aus der Schuld boxt. Zuweilen erweckt der Wiener Advokat auch im öffentlichen Diskurs den Eindruck, als hätte er die reine Wahrheit quasi gepachtet. Seit vor gut einem Jahr ruchbar geworden ist, dass die Raucher-Rechte in Österreich empfindlich beschnitten werden sollen, tritt Ainedter als deren Rechtsanwalt in Erscheinung. Er gründete die Plattform „Rauchfrei(heit)!“ – mit dem Ziel, ein gesetzliches Rauchverbot in der Gastronomie zu verhindern.

Vorerst mit Erfolg. Auch wenn das weniger mit der Plattform als mit der Uneinigkeit in der Regierung zu tun hat. Es spießt sich an der Frage, ob Lokale unter 75 Quadratmetern generell zu Nichtraucherzonen erklärt werden sollen, wie das die SPÖ gerne hätte. Gesundheitsministerin Andrea Kdolsky (ÖVP) plädiert dagegen für eine Wahlfreiheit der Besitzer, weshalb die Tabakgesetz-Novelle bis Sommer 2008 vertagt wurde.

Ungewöhnliche Allianzen

Der Raucher-Lobby kommt das natürlich zupass. Ainedter wird seither nicht müde zu betonen, dass die Schließungen von Pubs in Schottland und Irland („1000 Gaststätten zu, 7600 Arbeitsplätze weg“), sowie die „Rückgänge im norwegischen und deutschen Getränkekonsum“ bloß der „ökonomische Beweis für die negative Entwicklung“ seien, die ein Rauchverbot nach sich ziehe. Doch: Woher stammen Ainedters Statistiken? Wer sind seine Quellen?

Ein Fax, das der „Presse“ jetzt zugespielt wurde, offenbart eher ungewöhnliche Allianzen. Das Schriftstück (Titel: „Wirtschaftliche Konsequenzen durch absolute Rauchverbote für die Gastronomie“) wurde dem Starjuristen am 25. Oktober 2007 übermittelt. Der Absender: BMGFJ-Presse. Die Presseabteilung des Bundesministeriums für Gesundheit, Familie und Jugend also. Hinzu kommt: Dieses Zahlenwerk findet sich nahezu ident auf der deutschen Homepage von British American Tobacco (BAT) wieder. Einem Konzern, der Marken wie Lucky Strike und HB vertreibt.

Das wirft die Frage nach etwaigen Zusammenhängen auf: Wie viel Einfluss haben Tabakkonzerne auf die österreichische Politik?

Ainedter sagt: „Ja, ich habe diese Statistiken vom Gesundheitsministerium erhalten.“ Doch Faktum sei, „dass sie von seriösen Quellen stammen“ und also „der Wahrheit entsprechen“. Kdolskys Pressesprecher, Jürgen Beilein, räumt hingegen ein: „Möglicherweise sind wir hier nicht immer am letzten Stand.“ Aber: „Wir arbeiten in alle Richtungen transparent.“ Dass jenes Zahlenmaterial, mit dem das Gesundheitsministerium hantiert, ebenso gut von BAT stammen könnte, würde Beilein jedenfalls „nicht überbewerten“.

Ansagen, die dem Wiener HNO-Facharzt Reinhard Kürsten zu großem Ärger gereichen. Der Nichtraucher-Lobbyist hält es nachgerade für einen „Skandal, wenn das Gesundheitsministerium von der Tabakindustrie offenbar manipulierte Zahlen weitergibt, die dann von einem Vorstandsmitglied der Krebshilfe (Ainedter, Anm.) unters Volk gebracht werden.“ Manipuliert insofern, als hier mit Halbwahrheiten operiert werde, meint Kürsten. Die Umsätze seien zunächst zwar gesunken, hätten sich aber rasch erholt und schließlich zu einem Höhenflug angesetzt.

Zu diesen Ergebnissen gelangte das Deutsche Krebsforschungszentrum, das Länder mit Rauchverboten (Irland, USA, Italien) im Rahmen zweier Studien unter die Lupe nahm. Kürsten vertraut „dieser renommierten Institution weit mehr, als der Tabakindustrie“. Indirekte Unterstützung kommt von der Austria Tabak. Die spricht sich zwar gegen ein Rauchverbot aus, rechnet aber nicht mit Umsatzeinbußen, sollte es dennoch dazu kommen. Begründung: Das hätten die Erfahrungen in Europa gezeigt.

Die „einzig relevanten“ Zahlen

Die Pressesprecherin von BAT Österreich, Karin Holdhaus, verteidigt unterdessen die eigenen Quellen: Die Statistiken auf der Homepage stammten „von namhaften Institutionen, die mit der Österreichischen Wirtschaftskammer vergleichbar und dementsprechend auch die einzig relevanten sein dürften.“ Pikantes Detail am Rande: Holdhaus war vormals Pressesprecherin von ÖVP-Innenminister Ernst Strasser. Zur selben Zeit war ein gewisser Michael Kloibmüller Personalchef im Innenministerium. Und der ist heute Kabinettschef von Gesundheitsministerin Andrea Kdolsky.
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AUF EINEN BLICK

Das Gesundheitsressort versorgte eine Raucher-Plattform mit Statistiken, die Ärzte als „offenbar manipuliert“ bezeichnen. Das Zahlenmaterial findet sich praktisch ident auf der deutschen Homepage von British American Tobacco (BAT) wieder.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.03.2008)

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