Koalitionspoker: Von A wie Arbeit bis Z wie Zugkontrollen

BUNDESPR�SIDENT - BUNDESREGIERUNG BIETET BP ALEXANDER VAN DER BELLEN R�CKTRITT AN: VAN DER BELLEN / REGIERUNGSTEAM
BUNDESPR�SIDENT - BUNDESREGIERUNG BIETET BP ALEXANDER VAN DER BELLEN R�CKTRITT AN: VAN DER BELLEN / REGIERUNGSTEAM(c) APA/HANS KLAUS TECHT
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Die Regierung verhandelt seit Samstag 7 Uhr früh über das Regierungsprogramm für die restliche Legislaturperiode bis Herbst 2018. Bundeskanzler Kern erwartet Anfang der nächsten Woche Ergebnisse.

Wien. Man habe „viele Kurven überwunden“ und sei auf der Zielgeraden, sagte Vizekanzler Reinhold Mitterlehner nach dem Ende der Verhandlungen am Freitag, die heute fortgesetzt werden. Ein Abbiegen sei zwar unwahrscheinlich, aber auch nicht ganz auszuschließen. Die endgültige Entscheidung fällt aber erst, wenn das Gesamtpaket vorliege. Erste Ergebnisse wurden gestern aber schon bekannt. Über das Wochenende wird dann im Bundeskanzleramt weiterdiskutiert. Worüber sich die Regierung bisher einig wurde – und was noch immer offen ist: Ein Überblick.

Beschäftigungsgarantie für Ältere: Kanzler Kern und die SPÖ wollen konkrete Maßnahmen und Projekte für ältere Arbeitnehmer über 50 und (Langzeit-)Arbeitslose. Für diese soll es eine Art Beschäftigungsgarantie geben, indem diese Menschen etwa in den Gemeinden beschäftigt werden. Für die ÖVP ist das eine Frage des notwendigen Geldes für das Arbeitsmarktservice (AMS) und der Finanzierung der entsprechenden Programme. Denn die Kosten dafür werden von Hunderten Millionen bis zu einer Milliarde Euro beziffert. Außerdem wurde auf ÖVP-Seite die Sinnhaftigkeit einer Beschäftigungsgarantie ab 50 Jahren in Zweifel gezogen, weil damit Unternehmen vorsichtiger würden, 40- bis 50-Jährige einzustellen.

Flexiblere Arbeitszeiten: SPÖ und ÖVP sind sich grundsätzlich einig, dass es eine Flexibilisierung der Arbeitszeiten geben soll. Dabei wird der Wunsch von ÖVP und Unternehmen erfüllt, dass die Tagesarbeitszeit auf zwölf statt bisher zehn Stunden ausgeweitet werden kann. Im Gegenzug soll es nach Kerns Vorschlag zu längeren Freizeitblöcken kommen. Über die Umsetzung und die Ausgestaltung der Details herrschte am Freitag aber vorerst noch Unklarheit. Denn zuerst hieß es, dass diese Frage den Sozialpartnern übertragen werde. Allerdings verbunden mit der Bedingung, dass bis Ende Juni eine endgültige Lösung vorliegt. Wirtschaftskammer-Chef Christoph Leitl (ÖVP) und ÖGB-Präsident Erich Foglar (SPÖ) haben dies als Aufgabe der Sozialpartner reklamiert. Kern wollte hingegen schon eine genauere Festlegung noch im Lauf der Verhandlungen.

Mindestlohn: Ähnlich war die Situation bei der Festlegung eines Mindestlohns, bei der sich Kern für 1500 Euro brutto im Monat starkgemacht hatte. Die Sozialpartner reklamierten auch das für sich. In diesem Fall war ebenfalls eine Auslagerung der Mindestlohnfixierung mit einer Fristsetzung bis Juni auf dem rot-schwarzen Verhandlungstisch.

Steuern und kalte Progression: In diesem Punkt waren sich SPÖ und ÖVP grundsätzlich über eine Kompromissvariante zur Abgeltung der kalten Progression einig. Demnach würde ab 2018 ein Mischmodell aus den bisherigen Vorschlägen von ÖVP und SPÖ greifen: Nach dem ÖVP-Plan soll diese Abgeltung für alle Steuertarife zum Tragen kommen, also auch für Besserverdiener. Nach dem SPÖ-Plan wird aber ein bestimmter Teil den Beziehern niedriger Einkommen zufallen, weil diese von der Teuerung besonders betroffen sind. Dieser Anteil soll deutlich höher als die zuletzt von Finanzminister Hans Jörg Schelling (ÖVP) genannten zehn Prozent sein. SPÖ-Pläne für Erbschafts- und Vermögensteuern waren kein Thema, umgekehrt war eine Senkung der Körperschaftsteuer vom Tisch.

Entlastung von Unternehmen/Lohnnebenkosten: In diesem Punkt gab es ebenfalls eine Annäherung zwischen den Koalitionspartnern. Profitieren sollen demnach speziell Unternehmen, die zusätzlich Arbeit und Beschäftigung schaffen. Zur Debatte stand weiters eine Erhöhung der Forschungsprämie von zwölf auf bis zu 15 Prozent.

Einsparungen: Einig sind SPÖ und ÖVP in jedem Fall, dass in der Verwaltung gespart werden soll. Nach dem Plan von Finanzminister Schelling würden fünf Prozent der Ermessensausgaben und damit 3,8 Milliarden Euro bis 2021 eingespart – nach einer Bedarfsanalyse und einem Vorschlag des Finanzministers. Nach dem Plan Kerns sollen durch bürokratische Erleichterungen bis 2018 rund 1,5 Milliarden gespart werden.

Pensionen: Praktisch vom Tisch waren ÖVP-Pläne für konkrete, weitere Reformmaßnahmen bei den Pensionen (automatische Anhebung des Pensionsalters, einheitliches Pensionsrecht, bis 2018). Offen war, wie das Thema generell weiterhin behandelt wird.

Sicherheit: Für eine heftige Verzögerung hatten die Verhandlungen über diesen Themenbereich schon am Donnerstag geführt. Verteidigungsminister Hans Peter Doskozil (SPÖ) und Innenminister Wolfgang Sobotka (ÖVP) konnten sich zwar grundsätzlich auf einige Punkte einigen: zum Beispiel bei der elektronischen Überwachung (bisher war von Fußfessel die Rede) für „Gefährder“ – also für Menschen, die potenziell als sehr verdächtig und gefährlich gelten, bei denen es aber noch keinen konkreten Hinweis gibt. Oder aber bei schärferen Grenzkontrollen durch Videoüberwachungen und in Zügen. Allerdings blieb Sobotka vor allem in einem Punkt hart: Er bestand auf die Halbierung der Obergrenze auf 17.000 Asylverfahren – plus eine Festschreibung der Zahl ins Gesetz. Die SPÖ will hier nicht mitziehen.

Ökostrom, Digitalisierung, Start-ups: Im ersten Bereich einigte sich die Regierung auf eine Novelle. Bei den letzten zwei Punkten näherte man sich nicht wirklich an. (red./ib)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.01.2017)

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