Die Umverteilung von 50 Flüchtlingen sorgt zwischen SPÖ und ÖVP (und nicht nur dort) für Diskussionen. Dabei wären die Positionen der Parteien nicht so weit auseinander.
Wien. In der Theorie geht es um die Aufnahme von 50 unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen. Österreich muss sie laut einem EU-weiten Umverteilungsprogramm aus Italien übernehmen. In der Praxis ist daraus aber eine Debatte auf mehreren Ebenen entbrannt: Innerhalb der Bundesregierung, zwischen Rom und Wien – und zwischen Österreich und der EU-Kommission. Innenminister Wolfgang Sobotka (ÖVP) legte am Donnerstag noch einmal nach.
Beginnen wir bei der rechtlichen Grundlage: Im September 2015 stimmten die EU-Innenminister über die Umverteilung ab. Vier Länder (Ungarn, Rumänien, Slowakei und Tschechien) stimmten dagegen, Finnland enthielt sich. Ziel war eine Aufteilung von 106.000 Menschen aus Italien und Griechenland, die Zahl wurde später auf 98.255 reduziert. Österreich stimmte dafür, die damalige Innenministerin Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) suchte später um eine Aufschiebung an. Weil in Österreich verhältnismäßig viele Asylanträge gestellt wurden, erhielt das Land einen Aufschub bis März 2017. Die allgemeine Frist für das Umverteilungsprogramm läuft am 26. September aus. Bis dahin muss Österreich also insgesamt 1953 Flüchtlinge – 1491 aus Griechenland und 462 aus Italien – übernehmen. Doch die SPÖ will nun um eine weitere Aufschiebung ansuchen.
Sobotka zu SPÖ: „Großes Kino“
Und das führt uns zum Konflikt innerhalb der Regierung: Beide Parteien werfen einander gegenseitig vor, das Thema für die eigenen Neuwahlgelüste auszunutzen. Minister Sobotka sieht ein „großes Kino in der Inszenierung“ innerhalb der SPÖ – und außerdem einen Meinungsschwenk. Schließlich hätte sich Österreich und damit auch die SPÖ in Brüssel mehrfach zu der Umverteilung bekannt. Sobotka dazu: „Ich kann mich nicht mehr orientieren.“ Auf europäischer Ebene „haben wir uns jedenfalls lächerlich gemacht“.
All dieser Streit wäre prinzipiell nicht nötig: Denn eigentlich liegen die Positionen der beiden Parteien nicht so weit auseinander. Sowohl SPÖ als auch ÖVP halten von der Umverteilung nichts mehr. Beide möchten aus dem Programm aussteigen – wenn es keine rechtlichen Konsequenzen gibt. Während die SPÖ in Brüssel um Verständnis werben will, glaubt die ÖVP nicht an einen Erfolg. „Wir müssen uns an Verträge halten“, sagt Sobotka. Außerdem dränge die Zeit, meint Sobotka: Denn die Flüchtlinge, die Österreich übernehmen muss, sollten vorher überprüft werden. Allgemein sei es ein längeres Verfahren.
Und Brüssel und Rom? EU-Innenkommissar Dimitris Avramopoulos forderte Österreich auf, seinen Verpflichtungen nachzukommen. „Es ist eine moralische, politische und rechtliche Pflicht.“ Aus Italien gibt es erste Signale, dass die Kooperationsbereitschaft bei der Rücknahme von mehreren tausend Dublin-Fällen aus Österreich sinken könnte.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 31.03.2017)