Nein, das war kein Wahlkampftermin

(c) Voithofer Valerie
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Kanzler Christian Kern hatte am Dienstag Wien-Tag. Michael Häupl und Renate Brauner begleiteten ihn. Vom „Sprungbrett“ für Mädchen über den Naschmarkt und die „Vollpension“ bis hin zu den 3-D-Druck-Weltmarktführern.

Es ist Dienstag, elf Uhr, und Michael Häupl hat noch einen Termin: Er wartet beim Urbanek, dem kleinen Feinkostlokal am Naschmarkt, auf den Bundeskanzler. Christian Kern hat heute Wien-Tag. Mit leichter Verspätung trifft er ein. Small Talk mit Häupl und Herrn Urbanek, ein paar Kurz-Interviews für die zahlreich anwesenden Journalisten und kleinere Plaudereien mit den Passanten folgen. Und der SPÖ-Chef vergisst nicht, immer wieder zu betonen: Nein, das sei kein Wahlkampftermin, er nütze solche Ausflüge, „um etwas zu lernen, um es besser zu machen“.

Und das hat Kern zuvor bereits getan. Etwas gelernt. Mit Frauenministerin Pamela Rendi-Wagner und Wiens Vizebürgermeisterin, Renate Brauner, beim „Sprungbrett“ in Rudolfsheim-Fünfhaus, einem Verein, der einerseits versucht, Mädchen, die „bereits einmal abgezwitschert sind“, wie Renate Brauner das nennt, wieder in Beschäftigung zu bringen und andererseits, Mädchen mit einer eigenen Lehrwerkstätte für technische Berufe zu begeistern.

Kein leichtes Unterfangen. Kanzler Kern lässt sich erklären, wie die Mädchen hierher kommen, was man gegen das Scheitern unternimmt, wie viele es letztlich schaffen und diskutiert auch mit diesen. „Damit uns niemand verloren geht“, gebe es Institutionen wie diese, sagt Renate Brauner und beklagt, dass viel zu wenige Unternehmen Lehrlinge ausbilden würden.

Am Nachmittag wird Kern dann mit Brauner einen Betrieb in Mariahilf besichtigen: Lithoz, Weltmarktführer bei 3-D-Druckern für hochwertige Keramik. Ob es für Mädchen wie jene, die er am Vormittag kennengelernt habe, hier Jobs gebe, will der Kanzler wissen. Der Geschäftsführer muss leider verneinen. Auch Lehrlinge könne man – noch – nicht ausbilden. Dafür sei hier alles viel zu schnell, noch im Aufbau befindlich, ändere sich leicht, als dass man in Ruhe jungen Menschen etwas beibringen könne.

Hier bei Lithoz ist Kern ganz in seinem Element – als ehemaliger Manager. Er erkundigt sich nach Businessplänen, Finanzierungsmodellen, Mitbewerbern. Ein englischer Fachbegriff der modernen Betriebswirtschaft folgt auf den anderen, als der Kanzler mit Johannes Homa, dem Chef hier, fachsimpelt. Von den Ideen her sei Österreich super, sagt Homa, nur mangele es hier vielfach am Marketing. Auch er selbst habe schon überlegt, abzuwandern, eventuell nach München. Zumal in einer Branche wie dieser, die sehr schnell wachse, bisherige Kapazitäten seien rasch erschöpft.

Bei den „Omas“ und „Opas“

Christian Kern will an diesem Tag – „es ist kein Wahlkampftermin“ – auch noch seine Initiative zur (Wieder-)Beschäftigung älterer Arbeitnehmer, die Aktion 20.000, promoten. Zu diesem Zweck besucht er die „Vollpension“ in Wien Wieden. Ein ehemaliges Pop-up aus Forum-Alpbach-Tagen, das nun im vierten Wiener Gemeindebezirk zu einem regulären Lokal wurde. In dem „Omas“ und „Opas“ kochen und servieren. Zwanzig Senioren sind hier angestellt. Die Nachfrage sei aber ungleich größer, immer wieder würden ältere Menschen vorstellig werden, die mitarbeiten wollen, erzählt Hannah Lux, eine von drei Geschäftsführern. Für die Gäste solle es vom Ambiente her so sein, wie sie es von früher, „von der Oma“ gewohnt waren.

Kerns Betriebsbesuche

Christian Kern hört interessiert zu, lässt sich das Konzept erklären, fragt nach. Und ist erstaunt, als ihm Hannah Lux berichtet, dass sie ohne Förderungen auskomme. Kern verweist dennoch auf sein Regierungsmodell. Danach plaudert er bei Kaffee und Kuchen weiter. Ein Wahlkampftermin sei das übrigens nicht, erklärt er Journalisten, die sich zu ihm gesellt haben. „Denn welches Interesse sollte ich jetzt an Neuwahlen haben?“ Er mache viele – und auch gerne – Betriebsbesuche. Man könne hier viel lernen.

Die vom großen Politiker-Medien-Tross belästigten Gäste bekommen derweil als „Entschädigung“ ein Stamperl Eierlikör aufs Haus. Die meisten stört der Besuch aber gar nicht. Einige bitten Kern um Selfies. Zwei jungen Neuseeländerinnen gibt der Kanzler Sightseeing-Tipps für Wien.

Auch Bürgermeister Michael Häupl ist bei diesem Termin noch dabei. Den nachfolgenden bei den 3-D-Druckern von Lithoz lässt er aber aus. Da ist es dann schon Dienstag, 12.30 Uhr.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.04.2017)

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