Ringen um Vizekanzler: Kern droht Kurz mit freiem Spiel der Kräfte

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MAHRER/KURZ/BRANDSTETTER(c) APA/ROBERT JAEGER (ROBERT JAEGER)
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Der Kanzler setzt beharrlich auf Sebastian Kurz als neuen Vizekanzler. Sollte dieser sich weigern, werde es keine Regierungsbeschlüsse mehr geben. Der ÖVP-Chef zeigt sich unbeeindruckt - er will Justizminister Brandstetter als Vizekanzler und Staatssekretär Mahrer als Wirtschaftsminister.

Die vier Oppositionsparteien haben sich auf einen gemeinsamen Neuwahlantrag verständigt, SPÖ und ÖVP haben angekündigt, zustimmen zu wollen. Offen ist noch der konkrete Termin für den Urnengang, zur Wahl stehen der 8. und der 15. Oktober. Bevor sie getroffen wird (heute um 16 Uhr soll es ein Sechsertreffen geben), üben sich die scheidenden Koalitionsparteien aber noch im Taktieren. So besteht die SPÖ darauf, dass der designierte ÖVP-Chef Sebastian Kurz auch den Posten den Vizekanzlers übernimmt: Kanzler Christian Kern drohte Kurz andernfalls am Dienstag mit einem freien Spiel der Kräfte im Parlament. Sollte es bei Kurz' Weigerung bleiben, werde es keine Regierungsbeschlüsse mehr geben: „Der politische Entscheidungsfindungsprozess wird ins Parlament verlegt", sagt Kern. Gegen 12 Uhr wird der Kanzler im Nationalrat eine ausführliche Erklärung abgeben.

Es sei „kein Pokerspiel", betonte Kern. Eine Frist, innerhalb derer sich Kurz noch umentscheiden könnte, wollte der Regierungschef auf Nachfrage nicht nennen. Gegen 12 Uhr will Kern im Nationalrat eine Erklärung abgeben. "Läuterung ist uns ja immer recht", meinte er, und verwies auf das Mehrparteien-Gespräch am Nachmittag.

Kurz: Brandstetter ist "sehr solider Vorschlag"

Der neue ÖVP-Chef selbst konnte am Dienstag nicht nachvollziehen, warum die SPÖ darauf besteht, dass er selbst Vizekanzler wird: Er habe mit Justizminister Wolfgang Brandstetter einen „sehr soliden und guten Vorschlag" gemacht, sagte Kurz. Brandstetter sei kein einziges Mal in einen Streit verwickelt gewesen und sei ein konstruktiver Sacharbeiter, befand Kurz. Er habe bewusst dieses Zeichen Richtung SPÖ gesendet und hoffe, dass der Vorschlag angenommen werde.  Nach dem Ministerrat ging es weiter in den Plenarsaal des Nationalrates, wo Kurz erklärte, dass nach seinem Geschmack Harald Mahrer neuer Wirtschaftsminister werden sollte, dessen bisheriges Staatssekretariat will er einsparen.

Brandstetter betonte im Nationalrat, dass er keine "persönlichen Ambitionen" auf das Amt des Vizekanzlers habe. Er würde die Rolle nur übernehmen, um im Prinzip schon vereinbarte Projekte umzusetzen. "Nur dafür würde ich mich engagieren", hielt er der SPÖ-Aussage entgegen, er sei eine "Mogelpackung".

Mahrer will drei Punkte im Ministerrat einbringen

Mahrer zeigte sich unbeeindruckt von Kerns Drohung mit einem "freien Spiel der Kräfte". Er wolle auch kommende Woche "konstruktiv im Sinne der Bürger und Bürgerinnen" im Ministerrat weiterarbeiten. Man könne sofort drei Punkte als Ministerratsvorlage beschließen, ließ der Staatssekretär in seiner Funktion als Regierungskoordinator wissen.

Konkret will der Staatssekretär die Erhöhung der Forschungsprämie von zwölf auf 14 Prozent, eine Frauenquote von 30 Prozent in Aufsichtsräten von börsennotierten Unternehmen mit mehr als 1000 Mitarbeitern sowie die noch nicht umgesetzte Studienbeihilfenreform kommenden Dienstag in den Ministerrat bringen. Darüber hinaus stehe man auch für die "sofortige Aufnahme von Gesprächen über die Vereinheitlichung des Wirtschaftsrechts" zur Verfügung, hieß es seitens des

Der Zweite Nationalratspräsident Karlheinz Kopf verteidigte Kurz unterdessen gegen Kritik, wonach er keine Verantwortung übernehmen wolle: Das könne man Kurz mit Sicherheit nicht vorwerfen. Dass er Verantwortung übernehme, habe er bereits in den letzten Tagen bewiesen. Er appelliere an die SPÖ, die „jahrzehntelange Tradition", wonach jede Koalitionspartei selbst das Vorschlagsrecht für ihr zustehende Funktionen hat, zu respektieren, so Kopf: „Eine Zwangsangelobung sieht unsere Verfassung nicht vor." Auch könne er sich nicht erklären, was die SPÖ gegen die Person Brandstetter haben könnte.

Auf einen Blick

Bisher hat das Amt als Vizekanzler in Wahlkämpfen noch keinem ÖVP-Chef Erfolg gebracht. Möglich, dass Sebastian Kurz deswegen abwinkt. In einer ersten Reaktion sagte er, man wisse ja noch gar nicht, ob die SPÖ eine Minderheitsregierung anstrebe und ob somit die ÖVP den Posten überhaupt noch zu besetzen habe. Später meinte er, es sei seine Entscheidung, wie das ÖVP-Regierungsteam aussehe. Nun schlug er Wolfgang Brandstetter für den Posten vor. Die SPÖ beharrt auf Kurz.

(Red./APA)

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