Das grüne Rüsten für die Nationalratswahl

Ulrike Lunacek wurde am Samstag in Wien offiziell zur Spitzenkandidatin gewählt.
Ulrike Lunacek wurde am Samstag in Wien offiziell zur Spitzenkandidatin gewählt. (c) APA/EXPA/SEBASTIAN PUCHER (EXPA/SEBASTIAN PUCHER)
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Die Oppositionspartei stellt sich von Vorarlberg bis Brüssel neu auf – die Wahlen der Listen könnten einen Umbruch bewirken.

Vieles, was in den vergangenen Monaten passiert ist, war vorher unvorstellbar: Der Brexit. Trump, eine rot-blaue Koalition im Burgenland – oder ein ehemaliger Grüner in der Hofburg. Und für mich: Spitzenkandidatin für einen Nationalratswahlkampf zu sein“, sagte Ulrike Lunacek mit anfänglich zitternder Stimme in ihrer ersten Rede vor einem großen Parteigremium.

Am Samstag fand im Austria Center die 77. Landesversammlung der Wiener Grünen statt, zu der sich ungewöhnlich viele eingefunden hatten. Rund 400 Grüne kamen, um über die Wiener Liste für die Nationalratswahl abzustimmen.

Wiens Vizebürgermeisterin, Maria Vassilakou, betrat als Erste das Podium, bezeichnete sich selbst als „Zeremonienmeister“, heizte die Stimmung für die neue Spitzenkandidatin Ulrike Lunacek auf, die sie sich sogar als Kanzlerin erträumte. Lunacek selbst betrat dann unter tosendem Applaus und Standing Ovations die Bühne. Die Kernbotschaft ihrer Rede: Die Grünen seien die einzige Partei, die gegen die FPÖ auftreten werde, während alle anderen an Koalitionen mit ihr feilen. „Ich will nicht zusehen, wie eine Partei Hass schürt, ausgrenzt, Europa abschaffen will“, sagte Lunacek – wieder unter lang anhaltendem Applaus.

Sie schlägt damit in dieselbe Kerbe wie Bundespräsident Alexander Van der Bellen, der seinen Wahlkampf ebenfalls auf Abgrenzung zur FPÖ aufgebaut hat. Lunacek wurde mit 87,94 Prozent gewählt und ist somit offiziell Eva Glawischnigs Nachfolgerin als Spitzenkandidatin für die Nationalratswahl am 15. Oktober. Ihren Job als Europaparlamentarierin wird vermutlich Thomas Waitz übernehmen, ein grüner Biobauer aus der Steiermark.


Interner Wahlkampf. Bei den Nationalratswahlen 2013 holten die Grünen 12,42 Prozent, was 24 Sitzen im Parlament entspricht. Wen die Grünen in der nächsten Periode dorthin entsenden wollen, wird in den nächsten Wochen in den Ländern grünintern gewählt. Diese Wahlen könnten für die Partei einen echten Umbruch bedeuten – es ist nicht unwahrscheinlich, dass der Klub danach bis zur Hälfte aus neuen Mitgliedern besteht. Erstens wird Platz frei, weil einige Abgeordnete nicht zur Wiederwahl antreten: Der Wiener Karl Öllinger zieht sich ebenso zurück wie die Niederösterreicherinnen Tanja Windbüchler und Eva Mückstein. Der Tiroler Georg Willi will zurück in seine Heimat und geht als Spitzenkandidat für die Innsbrucker Gemeinderatswahl ins Rennen. Barbara Neuroth, die Glawischnigs Nationalratsmandat bekommen hat, schaffte es in Wien nicht auf einen wählbaren Platz. Wien hat derzeit fünf Mandate.

Zweitens: Es gibt dieses Mal ungewöhnlich viele Kandidaten und damit großes Gerangel um die Plätze. Genau das könnte die Chance für die Grünen werden, den Klub massiv zu verjüngen – ein Plan, den auch Glawischnig verfolgte, aber an grünen Urgesteinen scheiterte. Sollten es die Jungen nicht schaffen, sich durchzusetzen, würden die Grünen wohl sogar den ältesten Klub stellen – denn es gibt jetzt viele Mandatare, die über 60 Jahre alt sind.

Der Kampf wird jedenfalls hart: Die jüngsten Mandatare, Julian Schmid (28) und Sigrid Maurer (32), schafften den Einzug 2013 über die Bundesliste, über die sechs Mandate vergeben wurden. Maurer kandidierte diesmal in Wien und wurde nach Albert Steinhauser auf Platz drei gewählt.

Konkurrenz. Auf Bundesebene haben haben die Jungen, Unbekannteren dieses Mal besondere Konkurrenz, weil viele Ältere, Arrivierte ebenfalls auf dieser Liste antreten. Neben Ulrike Lunacek (60) selbst sind das außerdem Peter Pilz (63, Platz 4), Werner Kogler (56), Bruno Rossmann (65) und wohl auch Wolfgang Zinggl (62). Dieser wurde nach der Auseinandersetzung mit den Wiener Grünen rund um den Heumarkt – er initiierte die Urabstimmung – am Samstag auf keinen wählbaren Platz gereiht. 2013 kandidierte er noch auf Platz vier – den holte der grüne Gewerkschafter Markus Koza (46), dessen Ergebnis ebenfalls unter minutenlangem Applaus bekannt gegeben wurde. Alev Korun belegte Platz fünf. Die Versammlung verlief ungewöhnlich diszipliniert: Keine Zwischenrufe oder Streitigkeiten – wie man das sonst von grünen Veranstaltungen kennt. Ob es bei der Wahl der Bundesliste am 25. Juni in Linz ähnlich ruhig bleibt?

("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.06.2017)

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