Zwei mal sieben: Kerns Bedingungen für eine Koalition

Die Pflege könnte Wahlkampfthema werden. Kanzler Christian Kern war gestern im Wiener Hanusch-Krankenhaus.
Die Pflege könnte Wahlkampfthema werden. Kanzler Christian Kern war gestern im Wiener Hanusch-Krankenhaus.(c) APA/SPÖ/THOMAS LEHMANN
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An einen sozialdemokratischen "Wertekompass" und an Forderungen wie jene nach einer Erbschaftssteuer müssen sich künftige Koalitionspartner halten. Dazu zählt nun auch die FPÖ.

Wien. Sieben Bedingungen stellte Sebastian Kurz seiner Partei, bevor er deren Chef wurde. Sieben Bedingungen stellt nun auch SPÖ-Chef Christian Kern – und zwar den potenziellen Koalitionspartnern, zu denen seit dem SPÖ-Parteivorstand am Mittwoch auch die FPÖ zählt. Oder in Worten des Bundeskanzlers: „Die FPÖ kann nun nicht mehr sagen, sie würde ausgegrenzt, sondern sie kann selbst entscheiden, ob sie auf das Spielfeld zurückkehrt.“ Was will die SPÖ nun also?

•Die Steuern auf Arbeit sollen gesenkt werden. Und zwar um drei Milliarden Euro.

•Es soll einen steuerfreien Mindestlohn von 1500 Euro geben.

•Und einen Rechtsanspruch auf einen Kinderbetreuungsplatz ab dem vollendeten ersten Lebensjahr. Kosten: 250 Mio. Euro.

•Die SPÖ möchte 5000 zusätzliche Lehrer in Brennpunktklassen und 2500 Polizisten mehr auf den Straßen.

•Weiters fordert die SPÖ: „Sichere Pensionen für alle statt Pensionsprivilegien für einige wenige.“ Gemeint sind hier etwa Frühpensionierungen bei Post und Telekom. Und da die staatlichen Zuschüsse zur Pension als Folge der „Rekordbeschäftigung“ sinken würden, so Kern, sei das Schlechtreden des Pensionssystems eigentlich auch nicht angebracht.

•Zudem soll es eine Volksabstimmung über eine umfassende Verwaltungsreform geben.

•Und dann fordert die Partei auch noch eine Erbschaftssteuer und eine auf Schenkungen ab einem Wert von einer Million Euro. Das soll 500 Millionen Euro bringen und den Pflegeregress ersetzen.

Kein Zufall wohl also, dass Christian Kern am Tag danach, am gestrigen Feiertag, das Hanusch-Krankenhaus in Wien besuchte. Die Pflege dürfte ein wichtiges Thema im Wahlkampf werden. Kern selbst spricht davon, dass der Pflegeregress, der derzeit rund 120.000 Menschen betreffe, ohnehin schon eine versteckte Form der Erbschaftssteuer sei, ja eine Enteignung vor allem jener, die es ohnehin nicht leicht hätten.

Zudem muss ein künftiger Koalitionspartner auch noch die Punkte aus dem SPÖ-„Wertekompass“ erfüllen. Es sind wiederum sieben. Hier wird ein Bekenntnis zu Österreich, zu den Menschenrechten, zur EU, zur Sozialen Sicherheit, zur Gleichstellung der Geschlechter, zur Chancengleichheit in der Bildung und zur Freiheit der Kunst gefordert.

ÖVP reine „Lobbypartei“

Derzeit sieht Christian Kern die Bedingungen für eine Koalition mit der FPÖ noch nicht erfüllt. Aber was nicht ist, kann ja noch werden. Die ÖVP sieht Kern mittlerweile als reine „Lobbypartei“ an – das zeige sich etwa bei deren Forderung nach einer Erhöhung der Biomasse-Förderung im Interesse der Bauern.

Das Fremdenrechtspaket noch mit der ÖVP zu beschließen, dazu stehe er allerdings, sagte Kern. Das sei auch nicht populistisch, sondern vernünftig. Denn es sei bei der Zuwanderung und der Integration falsch, „über die Grenzen des Möglichen hinauszugehen“. Und es könnten auch nicht alle in Österreich bleiben. Wer kein Recht auf Asyl habe, müsse wieder außer Landes gebracht werden.

Einen „populistischen Vollholler“ nannte Kern dafür die von Außenminister Sebastian Kurz propagierte Schließung der Mittelmeerroute. Das sei eine reine Ankündigung ohne konkrete Vorstellung.

Auch die von ÖVP-Chef Kurz angedachte Senkung der Steuerquote auf 40 Prozent sei ein „unernster Vorschlag“. In der SPÖ verweist man auch darauf, dass Kurz hier einfach einmal vier Milliarden Euro Konjunktureffekt miteinberechnet. Und man schaue sich auch an, was los sei, insbesondere bei Kurz' Klientel, wenn man zur Erreichung der Senkung der Steuerquote auf einmal die Wirtschaftsförderungen streiche.

Dass etwa die Industriellenvereinigung wie es derzeit aussehe zu Kurz neige, sei für die SPÖ verkraftbar, das seien nicht allzu viele Wähler, meinte wiederum Kern bei einem Gespräch im Kanzleramt am Donnerstag.

Wahlprogramm folgt

Seine nun formulierten sieben Bedingungen, ergänzte er, seien allerdings noch nicht das gesamte Wahlprogramm der SPÖ. Dieses sei wesentlich umfangreicher und werde Anfang August abgesegnet und vorgestellt. Er selbst gehe davon aus, die Wahl klar zu gewinnen. Und auch eine Koalition mit Grünen und Neos hält er rechnerisch für möglich. Womit er die FPÖ gar nicht bräuchte.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.06.2017)

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