Die Pflege als Vermögensfalle

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Themenbild: Pflege(c) Clemens Fabry
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Wenn das Geld für den Heimplatz fehlt, greifen die Länder auch auf das Vermögen der Betroffenen zurück. SPÖ und ÖVP versprechen Reformen: Die Pflege wird zum Wahlkampfthema.

Wien. Mit dem Wahlkampf rückt auch die ungelöste Pflegefinanzierung wieder in den Blick. Derzeit sind die Bundesländer dafür zuständig. Sie holen sich die Kosten für die Heimplätze zumindest teilweise von den Betroffenen zurück und greifen dabei auch auf deren Vermögen zu. Teilweise kommen auch die Ehepartner in die Ziehung. Der „Angehörigenregress“ bei den Kindern wurde aber flächendeckend abgeschafft.

Zur Finanzierung der Pflegeplätze behalten die Länder die Pension und das Pflegegeld der Betroffenen ein. Behalten dürfen die Pflegebedürftigen 20 Prozent ihrer Pension sowie einen Teil des Pflegegeldes. Reichen Pension und Pflegegeld nicht aus, wird auch das Vermögen herangezogen. So kann etwa eine Eigentumswohnung belastet werden. Nur ein „Freibetrag“ bleibt unangetastet. In mehreren Ländern können auch Ehegatten und Lebenspartner zur Kostenbeteiligung gezwungen werden.

Bundeskanzler Christian Kern hat die Abschaffung des Pflegeregresses bereits zur Koalitionsbedingung der SPÖ erklärt. Auch ÖVP-Obmann Sebastian Kurz hat einen Vorschlag zum Pflegeregress für Herbst angekündigt. Kosten würde das laut Sozialministerium 100 Millionen Euro im ersten Jahr und in weiterer Folge 200 Millionen Euro – auch, weil man damit rechnet, dass ohne Regress mehr Menschen stationäre Pflege in Anspruch nehmen. Aktuell sind es 75.000 bis 80.000, wobei das Ministerium schätzt, dass die Hälfte vom Vermögensregress betroffen ist.

Die SPÖ möchte im Gegenzug eine Erbschafts- und Schenkungssteuer ab einer Million Euro einführen. Ihrer Rechnung nach würde eine solche Abgabe jährlich rund 500 Millionen Euro bringen. Die Abschaffung des Pflegeregresses wäre also mehr als abgesichert.

Wie sehen die Regressregeln in den Bundesländern nun aus? Wie aus einer Aufstellung des Sozialministeriums hervorgeht, liegt der „Freibetrag“ je nach Bundesland zwischen 4000 (Wien) und 12.660,90 Euro (Niederösterreich). Der „Ehegattenregress“ ist bis auf Kärnten, Steiermark und Niederösterreich in allen Ländern möglich, in Wien allerdings nur dann, wenn ein zivilrechtlicher Unterhaltsanspruch besteht und ohne Zugriff auf das Vermögen.

Auch für den Rückgriff auf das Vermögen der Pflegebedürftigen gibt es unterschiedliche Fristen. In der Regel sind es drei Jahre, in Salzburg fünf, in Vorarlberg bis zu zehn Jahre. Außerdem kann das Vermögen nicht einfach durch Verschenken oder Vererben „in Sicherheit gebracht“ werden: Für Erben gibt es teils empfindlich längere Regressfristen (in Wien zehn Jahre), auch Geschenke können bis zu fünf Jahre zurückgefordert werden.

Dass die Pflege und ihre Finanzierung schon in naher Zukunft zu einer (politischen) Herausforderung werden, zeigt auch eine aktuelle Wifo-Studie („Die Presse“ berichte vor Kurzem). Demnach steigen die Ausgaben für das Pflegegeld bereits in den nächsten zehn Jahren – inflationsbereinigt – um 12,4 Prozent. Noch drastischer ist es bei den Pflegedienstleistungen: Hier droht eine Ausgabensteigerung um rund 48 Prozent.

Die Bevölkerung wird älter

In die Studie wurde sowohl der medizinische Fortschritt, durch den man erst später Pflege benötigen wird, als auch die Lebenserwartung einberechnet. Die demografische Entwicklung wird höhere Pflegeausgaben erst recht nötig machen. Während im Jahr 2015 der Anteil der Personen ab 80 Jahren an der Bevölkerung noch fünf Prozent ausmachte, wird er bis 2030 auf 6,9 und bis 2050 auf 11,5 Prozent steigen. Die Senioren ab 65 werden langfristig sogar die Bevölkerungsmehrheit stellen (fast 55 Prozent im Jahr 2065 gegenüber knapp 30 Prozent im Jahr 2015). (APA/red.)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.06.2017)

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