Vranitzky: "Große Koalition muss nicht per se schlecht sein"

Franz Vranitzky
Franz VranitzkyAPA/EXPA/SEBASTIAN PUCHER
  • Drucken

Alt-Bundeskanzler Vranitzky hat sein Buch "Zurück zum Respekt" vorgestellt.

Ein "Zurück zum Respekt" fordert Alt-Bundeskanzler Franz Vranitzky in seinem am Freitag vorgestellten Buch ein. Er beklagt darin, dass die Regeln des Anstandes häufig nicht mehr eingehalten werden und warnt vor den Folgen dieser Entwicklung. Eine Fortsetzung der Koalition von SPÖ und ÖVP will Vranitzky auch nach der kommenden Nationalratswahl nicht ausschließen.

"Die Große Koalition muss nicht per se schlecht sein", sagte Vranitzky, der von 1986 bis 1997 selbst eine solche Regierung geführt hat. Seiner Auffassung nach kommt es auf die handelnden Personen an, nicht auf das Regierungsmodell. Er verwies darauf, dass auch bei ihm die Regierungsarbeit nicht immer einfach gewesen sei. Aber mit seinen insgesamt vier ÖVP-Gegenspielern Alois Mock, Josef Riegler, Erhard Busek und Wolfgang Schüssel sei nicht ein abfälliges, persönliches Wort gefallen und die Beschlüsse haben gehalten. Vranitzky gestand zu, dass es an der derzeitigen Großen Koalition viel zu kritisieren gebe, er wollte diese Regierungsform aber nicht grundsätzlich verdammen.

Auf den laufenden Wahlkampf wollte der Alt-Bundeskanzler nicht direkt eingehen und auch über eine mögliche Koalitionen nach der Wahl wollte er keine Prognose abgeben. Für seinen Geschmack wird derzeit aber zu viel über Koalitionen diskutiert. Besser wäre es seiner Meinung nach, wenn die Parteien alles unternehmen, um so stark wie möglich zu werden und über mögliche Koalition dann erst nach der Wahl reden.

Bevölkerung "mitnehmen"

Als ein wichtiges Credo nannte Vranitzky, dass die Politik die Bevölkerung bei wichtigen Vorhaben "mitnehmen" müsse. Die Bürger müssten erkennen, dass Entscheidungen in ihrem Interesse sind. So gebiete es etwa der Respekt vor der Bevölkerung, diese rechtzeitig auf die notwendige europäische Energiepolitik vorzubereiten. Als positives Beispiel führte Vranitzky die Entscheidung der Voest-Alpine an, nicht in Österreich sondern in Texas ein neues Werk zu bauen. Das habe die Belegschaft und die Bevölkerung verstanden, weil es rechtzeitig kommuniziert worden sei.

Entstanden ist das Buch anlässlich des bevorstehenden 80. Geburtstages Vranitzkys aus einer Reihe von Gesprächen mit dem Journalisten Peter Pelinka. Dabei habe man oft über US-Präsident Donald Trump gesprochen und wie es möglich sei, dass jemand ohne jeden Respekt, der gegen alles verstoße, was politisches Verhalten ausmache, gewählt werden kann. "Auf internationaler Ebene stellen heute die Attacken von Donald Trump gegen missliebige Konkurrenten und Journalisten, vorzugsweise Frauen, einen absoluten Höhepunkt der weltweiten Entwicklung zur persönlichen Respektlosigkeit dar", schreibt Vranitzky. Ein Amtsenthebungsverfahren gegen den US-Präsidenten hält er aber trotzdem für "nicht sehr wahrscheinlich".

Der Alt-Bundeskanzler verweist in dem Buch auch darauf, dass die FPÖ die einzige Kraft in Österreich war, die Trumps Wahl begrüßt hat. "Dies nicht zufällig, denn die Geistesverwandtschaft zwischen Donald Trump und dem Rechtspopulismus ist unübersehbar". Trendsetter des Rechtspopulismus - nicht nur in Österreich - sei Jörg Haider gewesen. Mit Haider keine Regierung gebildet zu haben bezeichnet Vranitzky neuerlich als "richtige Entscheidung".

Respekt geht Vranitzky nicht nur in sozialen Medien ab, sondern generell von Personen im öffentlichen Leben - Politikern, Medien. Das führe dazu, dass die Regeln des Anstandes nicht eingehalten werden und oft auch Verträge und Gesetze nicht. Vranitzky geht es dabei nicht um eine Moralisierung, sondern um die von ihm befürchteten Folgewirkungen. Wenn Politik häufig aus Untergriffen und persönlichen Beleidigungen bestehe, dann werde sie von den Bürgern nicht ernst genommen und es entstehe eine Teilnahmslosigkeit. Als Beispiel nannte der Alt-Bundeskanzler die Missachtung von Beschlüssen und Gesetzen der EU. Wenn etwa die Visegrad-Staaten sich nicht an EU-Beschlüsse halten und eigene, anderslautende Beschlüsse fassen, dann müsse man sich fragen, welche Beschlüsse nun gelten. Wenn diese Konflikte dann verbal militant ausgetragen werden, sei der Schaden umso größer.

(APA)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.