Es war mit 45 Minuten das kürzeste aller Gespräche mit den Parteichefs. Und offenbar auch nicht das fruchtbarste. Nach dem Treffen zwischen Kurz und Kern scheint Schwarz-Blau wahrscheinlicher.
45 Minuten dauerte das mit Spannung erwartete Gespräch zwischen ÖVP-Chef Sebastian Kurz und (Noch-)Bundeskanzler Christian Kern (SPÖ) Sonntagabend im ÖVP-Klub. Wie beide übereinstimmend danach in getrennten Statements vor den Journalisten erklärten, seien die Ereignisse im Wahlkampf besprochen worden. Für beide sei die Sache nun "erledigt". Auch was eine allfällige Zusammenarbeit in einer Regierung betrifft, waren sich beide einig. Bundeskanzler Christian Kern wörtlich: "Wir bereiten uns ab morgen auf die Oppositionsrolle vor." Auf die Frage ob er die SPÖ-Fraktion im Nationalrat anführen werde, antwortete der Parteivorsitzende: "Davon können Sie ausgehen."
Der Wahlsieger des vergangenen Sonntags, ÖVP-Chef Sebastian Kurz, machte wenig Hehl daraus, dass die Zeichen Richtung Schwarz-Blau stehen. Als Bilanz aller Gespräche mit den Chefs der vier anderen im Parlament vertretenen Parteien betonte er die "in vielen Fragen inhaltliche Übereinstimmung mit der FPÖ" und deren „definitiven Wunsch, zu gestalten". Zur SPÖ verwies er mehrfach darauf, dass die Partei noch nicht wisse, welche Rolle sie künftig übernehmen wolle.
Informelle Gespräche mit Strache ÖVP-Chef Kurz will in den nächsten Tagen noch informelle Gespräche abseits der Medien mit FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache führen und noch vor dem Nationalfeiertag am Donnerstag ein Gespräch mit Bundespräsident Alexander Van der Bellen suchen, um den formellen Beginn der Koalitionsverhandlungen mit der FPÖ anzukündigen.
Zehn Jahre als Politiker hat Christian Kern für sich vorgesehen. Das sagte er bei seinem Einzug ins Bundeskanzleramt im Mai 2016 – und er wiederholte es bis zuletzt. Wie es aussieht werden es deutlich weniger. Nach dem Rückzug von der SPÖ-Spitze wollte er zuerst als Spitzenkandidat bei der EU-Wahl für die SPÖ kandidieren. Diese Pläne dürfte er jedoch verworfen haben. Am Wahlabend im Oktober 2017 war von ihm noch zu hören: "Ich will Verantwortung übernehmen." Nachdem die SPÖ den ersten Platz räumen musste, stellt sich aber Frage, wie genau diese aussehen soll. Die Presse Seine ersten offiziellen Schritte am heimischen Polit-Parkett tat Kern im Mai 2016, als er Werner Faymann nicht nur als SPÖ-Bundesparteichef, sondern auch als Bundeskanzler beerbte. Zuvor hatte er sich als Manager bei den Österreichischen Bundesbahnen (ÖBB) einen Namen gemacht, insbesondere, als er während der Flüchtlingskrise im Jahr 2015 die Beförderung Tausender organisierte – und scharfe Kritik an der Bundesregierung geübt hatte. So sagte er damals u.a. in einem "Presse"-Interview: "Wenn die Hilfsorganisationen ähnlich agiert hätten wie manche Behörden, dann hätten wir weit größere Probleme gehabt." APA/ROLAND SCHLAGER Als Kern letztlich zusagte, die SPÖ zu führen, galt er so manchem Genossen als eine Art Heilsbringer – und das, obwohl er für Positionen eintritt, für die sein Vorgänger wohl mit Rücktrittsaufforderungen überhäuft worden wäre. Stichwort: Studienplatzbeschränkungen oder Arbeitszeitflexibilisierung. Auch, dass er rasch nach seinem Amtsantritt einem Treffen sowie einer öffentlichen Diskussion mit FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache zusagte, gehörte bis dahin nicht unbedingt zum Kanon der österreichischen Sozialdemokratie. GEORG HOCHMUTH / APA / picturede Zur anfänglichen positiven Stimmung beigetragen hat sicherlich auch das Talent zur Inszenierung des gebürtigen Wieners. So mag sein Ausflug als „Pizzaboy“ im Schnitzelland Österreich manchen ein wenig aufgesetzt gewirkt haben, funktioniert hat die Aktion aber, wie sich an den Zugriffszahlen zum Begleitvideo leicht ablesen lässt. Die Parteilinke erfreute er wiederum mit einer Rede bei der Regenbogen-Parade. APA/HANS PUNZ Sein "Plan A", der inhaltlich einige rote Zöpfe abschneidet, war so gut getimet (und medienwirksam in der Messehalle Wels vorgestellt), dass Kern der ÖVP in der Folge sogar eine Reform des Regierungsabkommens abtrotzen konnte, freilich mit auffällig vielen tendenziell schwarzen Inhalten. APA/BARBARA GINDL Im Verlauf des Sommers 2017 wurde der Plan zum offiziellen 209-seitigen Wahlkampfprogramm der SPÖ aufgewertet. Einige Eckpunkte: Für Unternehmen sollen die Lohnnebenkosten um 500 Euro sinken, Löhne bis 1500 Euro sollen steuerfrei sein, Kürzungen der Pensionen soll es nicht geben, dafür verschärfte Steuerregeln für Konzerne, ebenso eingeführt werden soll eine Erbschaftssteuer ab einer Million Euro. Dazu gab es einen provokanten Slogan (am entsprechenden Plakat illustriert mit Kern in Uncle-Sam-Manier): "Holen Sie sich, was Ihnen zusteht." APA/HANS KLAUS TECHT Eher ungeschickt agierte Kern dagegen am internationalen Parkett. Zuerst befeuerte er den parteieigenen Widerstand gegen das Handelsabkommen Ceta sogar mit einer Art Urabstimmung, ließ eine Blockade auf EU-Ebene dann aber doch flott sein. Eigenwillig war auch Kerns Blockade der Aufnahme jugendlicher Flüchtlinge, die er europäischen Vorgaben geschuldet ebenfalls rasch aufgeben musste. APA/ROLAND SCHLAGER Generell gilt Kern als pragmatisch, aber auch als jemand, der gerne die Kontrolle behält. Zugestanden wird ihm von Weggefährten außerdem, dass er zuhören könne. Der gebürtige Simmeringer, der eher so spricht, als wäre er auf Schloss Schönbrunn groß geworden, könne sich auf Gesprächspartner gut einstellen und sei ein versierte Netzwerker, heißt es. Er selbst beschreibt sich als Optimisten, wie zuletzt im Ö3-Sommergespräch: "Ich neige dazu, negative Emotionen nicht vor mir herzutragen, sondern Leute zu motivieren." Und: "Ich bin jemand, der mit seinem Schicksal im Reinen ist." (Bild: Kern mit Ehefrau Eveline Steinberger-Kern am Villacher Kirchtag) APA/GERT EGGENBERGER Aufgewachsen ist Kern in den 1960er-Jahren in einem eher unpolitischen Haushalt als Sohn einer Sekretärin und eines Elektroinstallateurs im Arbeiterbezirk Wien-Simmering, wie der Fußballfan auch in einem eigens produzierten Wahlkampf-Video verriet. "Es gab viel Liebe und wenig Geld", schilderte er darin - private Fotos inklusive. Kern wurde jung Vater und zog seinen ersten Sohn einige Jahr alleine auf. Mittlerweile ist er Vater dreier Söhne und einer Tochter. APA/SPÖ Bald fand Kern, der einst Schulsprecher an jenem Gymnasium war, das auch Viktor Klima und Thomas Klestil besucht hatten, dann über den VSStÖ zur SPÖ. Dort wurde der studierte Kommunikationswissenschafter und Absolvent eines postgradualen Lehrgangs im Schweizer St. Gallen Büroleiter und Pressereferent für den damaligen Beamten-Staatssekretär und späteren Klubobmann Peter Kostelka. APA/HERBERT NEUBAUER Pressesprecher sollte aber nicht Kerns Lebensaufgabe werden. Er wechselte in den Verbund als nach Eigendefinition "siebenter Zwerg von links", turnte sich aber von Funktion über Funktion bis hinauf in den Vorstand. Von dort weg engagierte ihn die damalige Infrastrukturministerin Doris Bures (SPÖ) als ÖBB-Sanierer. Dass er den Job erledigte, dankte ihm seine Mentorin jedoch eher weniger. Die enge Vertraute von Ex-Kanzler Faymann befand 2014 in einem Interview, dass Kern wohl ein "nicht so guter Politiker" wäre. APA/ROLAND SCHLAGER Privat ist Kern in zweiter Ehe mit der früheren Verbund-Kollegin Eveline Steinberger verheiratet. Er geht zur Jagd, ist begeisterter Läufer, Tennisspieler sowie Mountain-Biker - und bespielt nebenher auch die sozialen Netzwerke Facebook, Twitter und Instagram. Seine fußballerische Leidenschaft ist die Wiener Austria, in deren Kuratorium er auch sitzt – wie auch (FSG-und Austria-Chef) Wolfgang Katzian, (Wiens Ex-Bürgermeister) Michael Häupl und (Pensionisten-Chef) Karl Blecha. APA/HANS KLAUS TECHT Nach dem Ende seiner Kanzlerschaft fand Kern nicht richtig in seine Oppositionsrolle und geriet auch in einen Richtungsstreit mit dem künftigen burgenländischen Landeshauptmann Hans Peter Doskozil. Außer dem 12-Stunden-Tag war es der SPÖ kaum gelungen Themen zu setzen - in diesem Fall ebenso vergebens. Nach einem Jahr in der Opposition regelte Kern nun also seine Nachfolge an der Parteispitze und scheidet ganz aus der SPÖ aus. APA/ROBERT JAEGER Zur Person: Christian Kern, geboren am 4. Jänner 1966 in Wien. Vier Kinder aus zwei Ehen. Studierter Kommunikationswissenschaftler. Ab 1991 Assistent des damaligen Staatssekretärs Kostelka, ab 1994 dessen Büroleiter als Klubobmann. 1997 Wechsel in den Verbund, ab 2007 dort Vorstandsmitglied. Ab Juni 2010 Chef der ÖBB sowie ab 2014 Vorsitzender der Gemeinschaft europäischer Bahnen. Seit 17. Mai 2016 Bundeskanzler, seit 25. Juni 2016 SPÖ-Vorsitzender. Seit Herbst 2017 als Oppositionsführer im österreichischen Parlament. APA/EXPA/SEBASTIAN PUCHER Christian Kern: Der Ex-''Slim-Fit-Kanzler'' hängt die Politik an den Nagel Mit nur 30 Jahren wurde Sebastian Kurz der 17. Obmann der ÖVP, mit 31 könnte er nun Kanzler werden. Mit 31,7 Prozent der Stimmen geht er als klarer Wahlsieger in die nun folgenden Koalitionsverhandlungen. REUTERS Die Karriere des gebürtigen Wieners reiht sich durchaus in eine gewisse österreichische Tradition ein. Mit Hannes Androsch (SPÖ) und Karl-Heinz Grasser (FPÖ/später ÖVP) gab es schon zweimal Jungstars, die sich kaum der Schule entwachsen aufmachten, mit geschliffener Rhetorik die Herzen von Volk und Medien zu erobern. Freilich, für ganz vorne reichte es für beide aus unterschiedlichen Gründen letztlich nie. Daraus hat Kurz offenbar gelernt. Taktisch geschickt hat er seine Karriere Schritt für Schritt aufgebaut. (c) APA/GEORG HOCHMUTH (GEORG HOCHMUTH) Dabei begann für Kurz, Sohn einer Lehrerin und eines Ingenieurs, die ÖVP-Karriere durchaus holprig. Als er sich als Schüler bei der Jungen ÖVP Meidling bewerben wollte, riet man ihm dort davon ab. Er ließ sich nicht entmutigen, heuerte in einer anderen Bezirksorganisation an und schaffte es, mittlerweile Jus-Student, 2008 an die Spitze der Wiener Jungen ÖVP, die Bundesorganisation leitet er seit 2009. (c) APA (HERBERT PFARRHOFER) Politisch aufgefallen ist er erstmals 2008, als ihn der damalige Wiener Parteichef Johannes Hahn als Kandidaten für die Nationalratswahl auf die Liste nahm. Mit einem Mandat wurde es nichts, das holte er sich zwei Jahre später im Wiener Landtag nach einem eher grenzwertigen Wahlkampf, sein Geil-o-Mobil ist dank Kurz' späterer Karriere der wahrscheinlich bekannteste Polit-Bolide des Landes. (c) APA/Dragan TATIC (Dragan TATIC) Damals hätte wohl kaum jemand vorausgesagt, dass jener frech bis präpotent auftretende Jung-Politiker sechs Jahre später bereits wohl eingesessener Außenminister sein wird, der in Wien den Gastgeber der Syrien-Friedensgespräche geben durfte und international zum Schließmeister der Balkan-Flüchtlingsroute ausgerufen wurde. (c) Presse Zu verdanken hat er das dem damaligen Vizekanzler Michael Spindelegger, der Kurz im April 2011 zur allgemeinen Überraschung nicht einmal 25-jährig zum Staatssekretär machte, und das auch noch im heiklen Integrationsbereich. Viel Häme schlug dem manchmal schnöselig wirkenden Polit-Jungspund entgegen, der kurz davor noch mit schlüpfrigen Slogans wie "24-Stunden-Verkehr" aufgefallen war. Doch Kurz bekehrte seine Kritiker rasch. Ihm zugeschrieben wurde eine Versachlichung der Integrationsdebatte. Er selbst präsentierte sich in der Sache firm, gab sich bescheiden und vermied Fehler jeglicher Art. (c) APA/DRAGAN TATIC (DRAGAN TATIC) Schnell hatte nicht nur der Boulevard einen neuen Liebling gefunden. Was auch immer Kurz vorschlägt, wird heute gerne medial transportiert. Überdies hat er sich mit einer viel-gelikten Facebook-Seite auch seinen eigenen PR-Kanal geschaffen. (c) APA/HANNES DRAXLER (HANNES DRAXLER) Dennoch schluckte so mancher, als Kurz mit nicht einmal annähernd 30 zum Außenminister aufstieg. Ohne abgeschlossenes Studium und jegliche außenpolitische Erfahrung würde selbst das Polit-Talent am Minoritenplatz an seine Grenzen stoßen, meinten Freunde wie Feinde. Den selbstbewussten Neo-Minister focht das nicht an. Forsch ging Kurz seine neue Aufgabe an und vollzog gleich die nächste Image-Korrektur. (c) APA/AFP/GALI TIBBON (GALI TIBBON) Als die Flüchtlingswelle losging, gab der Außenminister den Mahner. Bis heute redet er einer gewissen Abschottung das Wort, da ansonsten die Integration der Asylsuchenden nicht funktionieren würde. (Im Bild: Außenminister Sebastian Kurz besichtigt, die Simulation eines Grenzüberwachungseinsatzes auf einem Frontex-Schiff im Rahmen eines Arbeitsbesuches in Malta.) (c) AUSSENMINISTERIUM/DRAGAN TATIC (DRAGAN TATIC) Ähnlich offensiv geht er es in der Türkei-Politik an. Kurz scheut die Auseinandersetzung mit Ankara nicht, ist auch einer der Skeptiker des Flüchtlingsabkommens mit der Türkei. Seinen Beliebtheitswerten schadet all das nicht, kommen von ihm doch in der Regel mehrheitstaugliche Ideen. Kurz ist in so gut wie allen Politiker-Rankings ziemlich einsamer Spitzenreiter, was vor allem den Koalitionspartner ziemlich verdrießt. (c) APA/DRAGAN TATIC (DRAGAN TATIC) Zur Person: Sebastian Kurz, geboren am 27. August 1986 in Wien. 2008-2012 Vorsitzender der Wiener JVP, seit 2009 Obmann der Bundes-JVP. 2010 bis 2011 Abgeordneter zum Wiener Landtag. Ab Juni 2011 Staatssekretär für Integration, seit März 2014 Außen- und Integrationsminister. (c) APA/ROLAND SCHLAGER (ROLAND SCHLAGER) Sebastian Kurz: Mit 31 Jahren österreichweit die Nummer eins
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