Nach einem weiteren Vorwurf der sexuellen Belästigung wird Parteichef Peter Pilz sein Mandat im Nationalrat nicht annehmen. Seine Partei will er von außen unterstützen, an den Vorfall hat er "keine Erinnerung".
"Die strengen Maßstäbe, die ich immer angelegt habe, gelten auch für mich," sagte Parteichef Peter Pilz am Samstag bei einer Pressekonferenz. Nach dem Vorwurf der sexuellen Belästigung tritt der ehemalige Grüne nach 31 Jahren als Abgeordneter zurück: Er wird sein Mandat im Nationalrat nicht annehmen. Ganz von der Bildfläche verschwindet er aber nicht, er will die Konstituierung seines Clubs begleiten. Die Abgeordneten seiner Liste seien "hervorragend", die könnten das auch ohne ihn, sagt er. Aber: "Ich werde sie von außen begleiten und unterstützen."
Pilz geht bei diesem Fall in die Offensive, er sieht den Vorwurf am Samstag bei der Pressekonferenz als einen "Arbeitskonflikt", stellt einen politischen Hintergrund in den Raum und sagt, es sei der Frau ursprünglich um eine Beförderung gegangen - erst später seien Vorwürfe wegen sexueller Belästigung aufgetaucht. Schuldeingeständnis machte er hier jedenfalls keines.
"Ich werde am Donnerstag bei der Angelobung nicht dabei sein." Peter Pilz nimmt nach Vorwürfen der sexuellen Belästigung sein Nationalratsmandat nicht an. APA/HERBERT NEUBAUER
"Im Kern handelt es sich um einen Arbeitskonflikt." Im Zusammenhang mit den Vorwürfen der verbalen und körperlichen sexuellen Belästigung seiner früheren Mitarbeiterin sieht sich Pilz als Opfer. APA/HERBERT NEUBAUER
"In meinem Vokabular kommt das - an und für sich für mich nicht ungeheuerliche - Wort 'Schatzi' nicht vor. (...) Dieser Satz ist eine freie Erfindung." Pilz will auch rechtliche Schritte gegen die Anschuldigungen ergreifen. APA/HERBERT NEUBAUER
"Fallen mit den Mandaten und mit den Jobs auch die Hemmungen weg? Heißt's jetzt Rache für das, was nicht ich, sondern Wählerinnen und Wähler entschieden haben?" Pilz vermutet die Quelle für die Veröffentlichung der Vorwürfe bei seiner alten Partei, den Grünen. APA/HERBERT NEUBAUER
"Persönliche Erinnerungslosigkeit ist keine Entschuldigung." An eine angebliche körperliche Belästigung beim Forum Alpbach kann sich Pilz laut eigenen Angaben nicht erinnern. APA/HERBERT NEUBAUER
"Die strengen Maßstäbe gelten auch für mich." Dennoch nennt er den entsprechenden "Falter"-Bericht als Grund für seinen Rückzug. APA/HERBERT NEUBAUER
"Wir älteren und in meinem Fall noch - gerade noch - mächtigen Männer müssen bereit sein, auch etwas dazuzulernen." Zum Schluss noch ein Tipp für seine "Geschlechtsgenossen". APA/HERBERT NEUBAUER
''Schatzi ist frei erfunden'': Pilz' Rückzug in Zitaten
Der zweite Vorwurf: "Seine Hände waren überall"
Heute, Samstag, wurde aber noch ein weiterer Fall bekannt, den Pilz ganz anders bewertet. Der "Falter" berichtet: Während des Forums Alpbach 2013 soll Pilz eine junge Frau sexuell belästigt haben. Die Frau, eine Mitarbeiterin der Europäischen Volkspartei, war offenbar völlig überrumpelt. Ihre Darstellung: "(...) seine Hände waren überall! Zuerst umklammerte er meinen Arm, mit der anderen Hand war er meinem Hals und dann an meinem Busen und Rücken. Auch sein Gesicht war viel zu nahe an mir. Das ging alles ziemlich schnell", zitiert die Wochenzeitung. "Ich konnte mich nicht bewegen, nicht atmen, geschweige denn wehren. Ich rechne ja nicht damit, dass ich in einer gemütlichen Runde am EFA plötzlich aggressiv begrapscht werde." Für den Vorfall gebe es auch Zeugen, zwei Männer zogen Pilz demnach weg.
Ein Schuldbekenntnis? Nur, was Umgangsformen betrifft
Pilz kann sich daran laut eigenen Angaben nicht erinnern. "Ich kann dazu nichts mehr sagen. Es tut mir leid. Aber wenn es zwei Zeugen dafür gibt, werde ich zurücktreten." Er will nun alles tun, damit sie beiden Vorwürfe geklärt werden, sagt er: Der, hinter dem er politische Absicht vermutet. Und der, bei dem er einer Frau möglicherweise Unrecht getan habe.
Und: "In solchen Situationen muss man auch als Mann etwas lernen. Ich bin kein besonders korrekter Mensch und werde es wohl auch nicht mehr." Aber er sei dafür, dass Männer in Machtpositionen darüber nachdenken, wie ihr Verhalten bei anderen – und explizit nicht nur bei Frauen – ankomme. Pilz legt im Ansatz ein Schuldbekenntnis ab, das nur seine Umgangsformen betrifft, nicht aber die tatsächliche Belästigung, die ihm vorgeworfen wird: "Da werde ich wohl etwas dazulernen müssen."
Nach seinem Zerwürfnis mit den Grünen hatte Pilz eine eigene Partei gegründet - während die Grünen bei der Wahl Mitte Oktober aus dem Nationalrat flogen, schaffte Pilz den Einzug. Die Vorwürfe der sexuellen Belästigung seiner Mitarbeiterin waren innerhalb der Grünen bekannt und dürften mit ein Grund gewesen sein, dass Pilz bei der Kandidatur für den vierten Listenplatz leer ausging, wird in der Partei erzählt. Dass die Vorwürfe nicht öffentlich gemacht wurden, liege am Wunsch der Betroffenen nach Verschwiegenheit, hieß es bei den Grünen.
Nun wird Peter Pilz doch nicht im Nationalrat sitzen. Das einstige grüne Urgestein hat es zwar bei der Nationalratwahl am 15. Oktober 2017 auf eigene Faust versucht und ist mit einer eigenen Liste angetreten. Auch gelang der Einzug in den Nationalrat. Wegen der Vorwürfe sexueller Belästigung wird er aber sein Mandat nicht annehmen. APA/HANS KLAUS TECHT
Was passierte, wird hoffentlich geklärt werden. Der 63-jährige Steirer gilt nicht nur in Hinblick auf seinen Anspruch auf eine Politikerpension als Dinosaurier. Seit dem ersten Einzug der Grünen in den Nationalrat 1986 (ÖVP-Chef Sebastian Kurz war damals gerade erst geboren) war Pilz als Abgeordneter mit dabei - unterbrochen nur durch einen mehrjährigen Abstecher in den Wiener Gemeinderat. Von 1992 bis 1994 war er sogar Bundessprecher der Partei, die sich damals noch "Grüne Alternative" nannte. APA/GEORG HOCHMUTH
Anlass für seinen Abgang von den Grünen war der Bundeskongress im Juni 2017. Dort ist er in der Abstimmung um den vierten Listenplatz dem Jugend-Kandidaten Julian Schmidt unterlegen. Er lehnte es ab, für einen Listenplatz weiter hinten zu kandidieren, auch einen von der Parteiführung angebotenen Vorzugsstimmenwahlkampf schlug er aus. Stattdessen verkündete er seine Trennung von der Partei, die er mitbegründet hat. Lediglich den Eurofighter-Untersuchungsausschuss brachte Pilz, der sich selbst gerne als Aufdecker der Nation darstellte, für die Grünen noch zu Ende, bevor er aus dem Parlamentsklub auszog. APA/DIE GRÜNEN/INES BACHER
Für Pilz, der schon seit längerem einen Kurswechsel der Grünen verlangt und immer wieder quer geschossen hatte, waren seine Nominierungen bei den Bundeskongressen schon in früheren Jahren Zitterpartien. Vor der letzten Nationalratswahl 2013 landete er zwar knapp auf der Liste, musste sich aber aus dem Parteivorstand zurückziehen. APA/ROLAND SCHLAGER
Mit der früheren Parteichefin Eva Glawischnig verband ihn eine "innige Feindschaft": Sie zeigte sich von seinen Alleingängen, aber auch seinem Machismo genervt - und seiner Meinung, die Grünen müssten einen kantigen, linkspopulistischen Kurs fahren, um zu wachsen und die FPÖ herausfordern zu können. (c) APA (Herbert P. Oczeret)
Pilz' Verdienste sind dennoch unbestritten. Der vor allem von den Wiener Boulevardmedien geliebte Steirer agiert seit Jahren als Aufdecker im Kampf gegen Korruption und verfügt über beste Kontakte zu Polizei, Heer und Geheimdiensten. Immer wieder stand er sich damit aber auch selbst im Weg: durch seinen Hang zur Inszenierung und zur schnellen Pointe, seinem oft aufgesetzt wirkenden Verschwörerton und mit der inquisitorischen Tendenz, als Kläger und Richter gleichzeitig aufzutreten. (a) APA
Seine bisher größte Rolle spielte der langjährige Bewohner einer Gemeindebauwohnung in Wien-Kaisermühlen als Vorsitzender des ersten Eurofighter-Ausschusses 2007. Dass er zehn Jahre später die Chance für einen zweiten nutzte und dafür auch ohne große Skrupel die FPÖ ins Boot holte, galt als weiterer Höhepunkt seiner Karriere, wurde aber auch schon als Versuch gewertet, noch einmal sein Nationalratsmandat zu retten. Erste öffentliche Sporen als Aufdecker hatte er sich in den Affären "Noricum" und "Lucona" verdient. (Bild: Gabriela Moser und Grünen-Fraktionsführer Peter Pilz vor einer Sitzung des Eurofighter-U-Ausschusses) APA/GEORG HOCHMUTH
Ein weiterer Verdienst Pilz' ist die Entdeckung Alexander Van der Bellens für die Politik. Dieser war Betreuer seiner Dissertation ("Ökonomische Bedeutung der Einführung neuer Medien in Österreich", 1983). Pilz brachte ihn zu den Grünen. Politische Anfänge hatte der Hobbymusiker - es gab legendäre Vorweihnachtsauftritte als "Nick O'Low" - bei den Trotzkisten an der Universität, aber auch den Sozialdemokraten. Ein gewisser Michael Häupl schloss ihn damals aus dem Verband der sozialistischen Studenten aus. APA
Zur Person: Peter Pilz wurde am 22. Jänner 1954 in Kapfenberg (Steiermark) geboren. Er ging in Bruck an der Mur ins Gymnasium, war Zivildiener und studierte an der Uni Wien Volkswirtschaft. 1986 zog er mit den ersten Grünen in den Nationalrat ein. Peter Pilz ist verheiratet. APA/DIE GRÜNEN/INES BACHER
Peter Pilz: Grüner Einzelkämpfer (doch) nicht im Hohen Haus
Der Listengründer könnte im Rahmen eines Eurofighter-U-Ausschusses ins Hohe Haus zurückkehren. Derzeit erlebe er viel Rückhalt - und freue sich vor allem über die "vielen Mails von Frauen".
Pilz gab an, noch nie in seinem ganzen Leben eine Frau sexuell belästigt zu haben, vermutet hinter den Vorwürfen eine Intrige. Nun melden sich zwei weitere Betroffene zu Wort.
Was ist juristisch gesehen sexuelle Belästigung? An welche Stellen können sich Opfer wenden, und welche Aufgaben hat die Gleichbehandlungsanwaltschaft und die -Kommission? Eine (Begriffs-)Erklärung.
Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.