Integrationshaus: Der andere Präsidentenbesuch

Integrationshaus-Gründer Resetarits (r.) erhielt Besuch, Präsident Van der Bellen (mit Ehefrau Schmidauer) einen Schal.
Integrationshaus-Gründer Resetarits (r.) erhielt Besuch, Präsident Van der Bellen (mit Ehefrau Schmidauer) einen Schal.(c) APA/HANS PUNZ (HANS PUNZ)
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Bundespräsident Alexander Van der Bellen war im Integrationshaus zu Gast: Es war eine gute Gelegenheit, um Ehrenamtliche zu würdigen – und den Innenminister zu kritisieren.

Wien. Alexander Van der Bellen ist kein Fan von Small Talk. Menschlich kann man das durchaus als sympathische Eigenschaft empfinden, praktisch ist es in seiner Funktion als Bundespräsident allerdings eher hinderlich. Am Donnerstagvormittag steht also das Staatsoberhaupt vor dem Integrationshaus in der Wiener Leopoldstadt und sagt erst einmal wenig. „Sollen wir hineingehen oder herumstehen?“, fragt ihn der Gründer des Hauses, Willi Resetarits. „Ja, ja“, antwortet Van der Bellen. Ehefrau Doris Schmidauer übernimmt den rhetorisch aktiveren Part: „Endlich haben wir es hierher geschafft“, sagt sie. „Ich dachte, der Sascha war schon da, aber auch er ist zum ersten Mal hier.“

Van der Bellen (Spitzname Sascha) sieht sich an diesem Vormittag ohnehin nicht als Sprachrohr, sondern „als Türöffner“, wie er es später beschreibt. Es ist wörtlich gemeint: Mit dem Präsidenten spaziert eine Gruppe von Kameraleuten und Journalisten in das Integrationshaus, ein Kompetenzzentrum für Geflüchtete.

Der lange Anlassfall

Van der Bellen will mit seinem Besuch ein Zeichen setzen. Es ist zwar nicht unüblich, dass ein Präsident eine Nichtregierungsorganisation besucht, einen Verein mit seiner Anwesenheit unterstützt. Für gewöhnlich gibt es dafür aber einen aktuellen Anlass – ein Jubiläum vielleicht, oder eine Neueröffnung. Der eigentliche Grund für Van der Bellens Visite liegt schon etwas länger zurück und begann im Dezember 2017 mit der Angelobung der türkis-blauen Bundesregierung. Sowohl ÖVP als auch FPÖ nutzen das Thema Flüchtlinge gekonnt, meistens geht es um Verschärfungen von Gesetzen, Abschiebungen, Kriminalitätsraten.

Die Stimmung soll sich nun wieder in eine andere, eine positivere Richtung entwickeln, findet Van der Bellen. „Ehrenamtliche Arbeit wird zu wenig gewürdigt“, sagt Van der Bellen. Man müsse sie „vor den Vorhang holen“. Also erzählt Integrationshaus-Geschäftsführerin Andrea Eraslan-Weninger: Von den 150 Mitarbeitern des Vereins, den 250 Freiwilligen, den rund 7000 Menschen, die jährlich betreut werden. Oft seien das extrem traumatisierte Geflüchtete, Alleinerzieherinnen, aber auch Asylberechtigte. Ihnen sollen hier Beratung, Betreuung und auch Bildungsmöglichkeiten geboten werden.

Irgendwann kommt auch Eraslan-Weninger auf die Regierung zu sprechen – und kritisiert ihre Maßnahmen im Asyl- und Migrationsbereich. Van der Bellen sitzt mittlerweile in einem Sesselkreis, die Beine übereinandergeschlagen, und nickt ab und zu. Bei manchen Aussagen besonders heftig, zum Beispiel, wenn es um Abschiebungen von Lehrlingen geht. „Es ist wirtschaftlich unvernünftig, es ist unverständlich, und es ist inhuman“, sagt er. Den ökonomischen Aspekt betone er gern, sagt Van der Bellen. „Das müsste man einsehen, auch wenn man von Empathie keine Ahnung hat.“

Von der Idee des Innenministers, Herbert Kickl (FPÖ), Asylwerber, die nach nicht näher bezeichneten Kriterien als potenziell gefährlich gelten, in „Sicherungshaft“ zu nehmen, hält Van der Bellen wenig. Rechtlich sei das „extrem heikel“, sagt er und merkt danach noch an: „Entschuldigung? Freiheitsentzug?“ Man müsse sich die Pläne sehr genau anschauen. Dann will Van der Bellen aber die Aufmerksamkeit wieder auf das lenken, was im Integrationshaus passiert – und auf Jugendliche, die einen Kurs zur Arbeitsmarktvorbereitung besuchen. Der Präsident soll nach kurzen Begrüßungsworten jeweils ihre Muttersprache erraten. Türkisch und Serbisch erkennt er – Russisch aber nicht. Also gibt es noch einen Rat vom Präsidenten: „Versucht, dreisprachig zu sein!“ Seine Eltern hätten ihn ihre jeweiligen Muttersprache nicht gelehrt. Deswegen könne er heute kein Russisch.

Warum er in die Politik gegangen sei, wird er von den Jugendlichen gefragt. „Es war eine Mischung aus verschiedenen Faktoren“, sagt Van der Bellen. Einer davon sei der Aufschwung einer Partei gewesen. Plötzlich habe er, mit 15 Jahren eingebürgert, sich gefragt: „Bin ich ein echter Österreicher?“ Es habe eine ausländerfeindliche Stimmung geherrscht. Welche Partei er meint, liegt nahe – sie sitzt in der Regierung. Auch das ist wohl der Grund für Van der Bellens Besuch.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 22.02.2019)

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