Die SPÖ bringt ihr Mietrechtspaket ins Parlament ein. Es sieht geregelte Mietpreise vor, die sich an einem Katalog von preismindernden und preissteigernden Eigenschaften orientieren.
Die SPÖ bringt am Mittwoch im Parlament ihr Mietrechtspaket ein und lädt andere Parteien zu einem gemeinsamen Beschluss noch vor der Wahl ein. Ziel ist eine deutliche Senkung der Mietpreise in Österreich, wie Bundeskanzler und SPÖ-Chef Christian Kern bei einer Pressekonferenz in Wien erklärte. "Die Mieten sind in den vergangenen zehn Jahren doppelt so schnell gestiegen wie die Einkommen", so Kern.
Die Mietanstieg gehe dabei fast ausschließlich vom Wachstum der Nettomieten aus, und der Anstieg bei den Wohnungskosten fiel mit 33 bis 36 Prozent im privaten Bereich am deutlichsten aus, kritisierte der Bundeskanzler. 1,6 Millionen Haushalte seien hier betroffen. Mit 16 Euro sei der durchschnittliche Quadratmeterpreis in Innsbruck am höchsten. Für eine Familie mit Kindern würden sich Kosten von rund 2000 Euro pro Monat ergeben. Über 40 Prozent des verfügbaren Einkommens gingen so für Wohnen drauf.
Das SPÖ-Konzept sieht laut Kern eine "faire Mietpreisregelung für alle" vor. Das Mietrecht soll bundesweit einheitlich gelten und alle bisherigen Teilregelungen bzw. das System der Richtwerte ersetzen. Um Investitionsanreize sicherzustellen, sollen frei finanzierte Wohnungen 20 Jahre lang auch die Mieten frei bilden können. Für alle anderen Neuverträge soll es einen geregelten Mietpreis geben, der sich an einem klar definierten Katalog von preismindernden und preissteigernden Eigenschaften orientiert und sich aus dem Standardquadratmeterpreis abzüglich klar definierter Abschläge und Zuschläge errechnet.
Auftraggeber soll Maklergebühr zahlen
Die Maklergebühr soll künftig der Auftraggeber - in 90 Prozent der Vermieter - zahlen. Bei Mietverträgen, die länger als drei Jahre abgeschlossen werden, würde sich der Mieter so zwei Monatsmieten ersparen. Auch die Betriebskostenbelastung will die SPÖ senken. Grundsteuer und Versicherungskosten, die derzeit in der Regel auf den Mieter abgewälzt werden, sollen laut den SPÖ-Plänen in Zukunft vom Vermieter getragen werden. Bei einer 80 Quadratmeter-Wohnung brächte dies dem Mieter eine Ersparnis von bis zu 400 Euro im Jahr.
Kern legte Beispielrechnungen vor, wonach sich durch das SPÖ-Mietrechtspaket der Preis für eine 80-Quadratmeter-Wohnung in einem Wiener Mehrgeschoßbau von 1192 auf 736 Euro und jener für eine größere Wohnung in einem Salzburger Ein- oder Zweifamilienhaus von 2160 auf 1860 Euro reduzieren würde. Flankierend will die SPÖ den Ausbau des leistbaren Wohnungsangebots - etwa durch Baulandmobilisierung und eine eigene Widmungskategorie "Sozialer Wohnbau" - forcieren.
Zehn Jahre als Politiker hat Christian Kern für sich vorgesehen. Das sagte er bei seinem Einzug ins Bundeskanzleramt im Mai 2016 – und er wiederholt es nach wie vor. Das bedeute, er würde nach der Nationalratswahl auch die Oppositionsbank drücken, lieber wäre dem SPÖ-Bundesparteivorsitzenden und früheren ÖBB-Manager aber freilich eine zweite Amtszeit als Regierungschef - respektive "Slim-Fit-Kanzler", wie er aufgrund seiner akkurat Kleidungswahl mitunter genannt wird. Die Presse
Seine ersten offiziellen Schritte am heimischen Polit-Parkett tat Kern im Mai 2016, als er Werner Faymann nicht nur als SPÖ-Bundesparteichef, sondern auch als Bundeskanzler beerbte. Zuvor hatte er sich als Manager bei den Österreichischen Bundesbahnen (ÖBB) einen Namen gemacht, insbesondere, als er während der Flüchtlingskrise im Jahr 2015 die Beförderung Tausender organisierte – und scharfe Kritik an der Bundesregierung geübt hatte. So sagte er damals u.a. in einem "Presse"-Interview: "Wenn die Hilfsorganisationen ähnlich agiert hätten wie manche Behörden, dann hätten wir weit größere Probleme gehabt." APA/ROLAND SCHLAGER
Als Kern letztlich zusagte, die SPÖ zu führen, galt er so manchem Genossen als eine Art Heilsbringer – und das, obwohl er für Positionen eintritt, für die sein Vorgänger wohl mit Rücktrittsaufforderungen überhäuft worden wäre. Stichwort: Studienplatzbeschränkungen oder Arbeitszeitflexibilisierung. Auch, dass er rasch nach seinem Amtsantritt einem Treffen sowie einer öffentlichen Diskussion mit FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache zusagte, gehörte bis dahin nicht unbedingt zum Kanon der österreichischen Sozialdemokratie. GEORG HOCHMUTH / APA / picturede
Zur anfänglichen positiven Stimmung beigetragen hat sicherlich auch das Talent zur Inszenierung des gebürtigen Wieners. So mag sein Ausflug als „Pizzaboy“ im Schnitzelland Österreich manchen ein wenig aufgesetzt gewirkt haben, funktioniert hat die Aktion aber, wie sich an den Zugriffszahlen zum Begleitvideo leicht ablesen lässt. Die Parteilinke erfreute er wiederum mit einer Rede bei der Regenbogen-Parade. APA/HANS PUNZ
Sein "Plan A", der inhaltlich einige rote Zöpfe abschneidet, war so gut getimt (und medienwirksam in der Messehalle Wels vorgestellt), dass Kern der ÖVP in der Folge sogar eine Reform des Regierungsabkommens abtrotzen konnte, freilich mit auffällig vielen tendenziell schwarzen Inhalten. APA/BARBARA GINDL
Im Verlauf des Sommers wurde der Plan zum offiziellen 209-seitigen Wahlkampfprogramm der SPÖ aufgewertet. Einige Eckpunkte: Für Unternehmen sollen die Lohnnebenkosten um 500 Euro sinken, Löhne bis 1500 Euro sollen steuerfrei sein, Kürzungen der Pensionen soll es nicht geben, dafür verschärfte Steuerregeln für Konzerne, ebenso eingeführt werden soll eine Erbschaftssteuer ab einer Million Euro. Dazu gab es einen provokanten Slogan (am entsprechenden Plakat illustriert mit Kern in Uncle-Sam-Manier): "Holen Sie sich, was Ihnen zusteht." APA/HANS KLAUS TECHT
Eher ungeschickt agierte Kern dagegen am internationalen Parkett. Zuerst befeuerte er den parteieigenen Widerstand gegen das Handelsabkommen Ceta sogar mit einer Art Urabstimmung, ließ eine Blockade auf EU-Ebene dann aber doch flott sein. Eigenwillig war auch Kerns Blockade der Aufnahme jugendlicher Flüchtlinge, die er europäischen Vorgaben geschuldet ebenfalls rasch aufgeben musste. APA/ROLAND SCHLAGER
Generell gilt Kern als pragmatisch, aber auch als jemand, der gerne die Kontrolle behält. Zugestanden wird ihm von Weggefährten außerdem, dass er zuhören könne. Der gebürtige Simmeringer, der eher so spricht, als wäre er auf Schloss Schönbrunn groß geworden, könne sich auf Gesprächspartner gut einstellen und sei ein versierte Netzwerker, heißt es. Er selbst beschreibt sich als Optimisten, wie zuletzt im Ö3-Sommergespräch: "Ich neige dazu, negative Emotionen nicht vor mir herzutragen, sondern Leute zu motivieren." Und: "Ich bin jemand, der mit seinem Schicksal im Reinen ist." (Bild: Kern mit Ehefrau Eveline Steinberger-Kern am Villacher Kirchtag) APA/GERT EGGENBERGER
Aufgewachsen ist Kern in den 1960er-Jahren in einem eher unpolitischen Haushalt als Sohn einer Sekretärin und eines Elektroinstallateurs im Arbeiterbezirk Wien-Simmering, wie der Fußballfan auch in einem eigens produzierten Wahlkampf-Video verriet. "Es gab viel Liebe und wenig Geld", schilderte er darin - private Fotos inklusive. Dann heuerte Kern, der jung Vater von drei Söhnen wurde und diese eine Zeit lang auch allein erzog (mittlerweile hat er auch eine Tochter), bei einer Grün-Gruppierung an. APA/SPÖ
Bald fand Kern, der einst Schulsprecher an jenem Gymnasium war, das auch Viktor Klima und Thomas Klestil besucht hatten, dann über den VSStÖ zur SPÖ. Dort wurde der studierte Kommunikationswissenschafter und Absolvent eines postgradualen Lehrgangs im Schweizer St. Gallen Büroleiter und Pressereferent für den damaligen Beamten-Staatssekretär und späteren Klubobmann Peter Kostelka. APA/HERBERT NEUBAUER
Pressesprecher sollte aber nicht Kerns Lebensaufgabe werden. Er wechselte in den Verbund als nach Eigendefinition "siebenter Zwerg von links", turnte sich aber von Funktion über Funktion bis hinauf in den Vorstand. Von dort weg engagierte ihn die damalige Infrastrukturministerin Doris Bures (SPÖ) als ÖBB-Sanierer. Dass er den Job erledigte, dankte ihm seine Mentorin jedoch eher weniger. Die enge Vertraute von Ex-Kanzler Faymann befand 2014 in einem Interview, dass Kern wohl ein "nicht so guter Politiker" wäre. APA/ROLAND SCHLAGER
Privat ist Kern in zweiter Ehe mit der früheren Verbund-Kollegin Eveline Steinberger verheiratet. Er geht zur Jagd, ist begeisterter Läufer, Tennisspieler sowie Mountain-Biker - und bespielt nebenher auch die sozialen Netzwerke Facebook, Twitter und Instagram. Seine fußballerische Leidenschaft ist die Wiener Austria, in deren Kuratorium er auch sitzt – wie auch (FSG-und Austria-Chef) Wolfgang Katzian, (Wiens Bürgermeister) Michael Häupl und (Pensionisten-Chef) Karl Blecha. APA/HANS KLAUS TECHT
Zur Person: Christian Kern, geboren am 4. Jänner 1966 in Wien. Vier Kinder aus zwei Ehen. Studierter Kommunikationswissenschafter. Ab 1991 Assistent des damaligen Staatssekretärs Kostelka, ab 1994 dessen Büroleiter als Klubobmann. 1997 Wechsel in den Verbund, ab 2007 dort Vorstandsmitglied. Ab Juni 2010 Chef der ÖBB sowie ab 2014 Vorsitzender der Gemeinschaft europäischer Bahnen. Seit 17. Mai 2016 Bundeskanzler, seit 25. Juni 2016 SPÖ-Vorsitzender. APA/EXPA/SEBASTIAN PUCHER
Christian Kern: Runde zwei für den ''Slim-Fit-Kanzler''?
In dieser Wahlauseinandersetzung sei es obligat geworden, dass allen alles versprochen wird, so Kern. Nun gehe es darum, Dinge zu lösen, die schon länger am Tisch liegen. "Wir haben das vier Jahre mit der ÖVP verhandelt, und es gab nicht die geringsten Fortschritte." Die Leute sollen sehen, wer für welches Konzept steht. Die FPÖ sieht Kern bezüglich einer möglichen Anpassung des Mietrechts noch in einer "Nachdenkphase". Laut Kern sollen die entsprechenden Gesetzestexte am Mittwoch im Parlament eingebracht und dann in der letzten Oktober-Sitzung vor der Wahl beschlossen werden. Einen weiteren Antrag kündigte Kern auch zur Gleichstellung von Arbeitern und Angestellten an.
"Weniger Plakate, mehr Beschlüsse", mahnte Kern in Richtung der politischen Mitbewerber. Die SPÖ werde jedenfalls nicht weiter zuschauen, wie Familien im Hotel Mama leben oder 40 Prozent ihres Einkommens für Wohnen aufbringen müssen. Dass die ÖVP im Gegenzug zur SPÖ die Schaffung von Wohnungseigentum unterstützen will, erinnert den SPÖ-Chef an das Marie Antoinette zugeschriebene Zitat "Wenn sie kein Brot haben, sollen sie doch Kuchen essen". Wenn sich jemand die Mieten nicht leisten kann, zu sagen du kriegst einen Zuschuss zur Schaffung von Eigentum, sei "weit weg von den Realitäten am österreichischen Immobilienmarkt", meinte der Bundeskanzler.
FPÖ will Initiative nicht zustimmen
Eine Mehrheit für ihr Mietrechtspaket dürfte die SPÖ vor der Wahl nicht finden. FPÖ-Bautensprecher Philipp Schrangl kündigte an, dass seine Partei der SPÖ-Initiative jetzt nicht zustimmen werde. Kerns Vorgangsweise bezeichnete er als "sehr unseriös". Schrangl bestätigte, dass er schon zwei Gesprächsrunden mit SPÖ-Bautensprecherin Ruth Becher hatte. Es handle sich beim Mietrecht aber um eine so große und komplizierte Materie, die so viele Menschen betreffe, dass man dies "nicht husch-pfusch vor der Wahl" machen könne. Der FPÖ-Bautensprecher ist jedoch auch der Auffassung, dass man handeln muss. Er tritt aber für eine Begutachtung und ein Expertenhearing und einen Beschluss dann durch das neugewählte Parlament ein.
Auf strikte Ablehnung stoßen die SPÖ-Pläne bei den Neos. Bautensprecher Gerald Loacker sprach in einer Aussendung von "linkspopulistischen Vorschläge der SPÖ" und von "purer Planwirtschaft". Die SPÖ-Vorschläge "schaffen letztendlich mehr Probleme als sie lösen. Mit derart absurden Mietzinsbeschränkungen wird niemand mehr Wohnungen vermieten, geschweige denn neue bauen. Verlierer sind vor allem junge Wohnungssuchende." Für Loacker ist klar, "dass der private Mietmarkt Liberalisierungen braucht".
Die Grünen zeigten sich hingegen über den SPÖ-Vorstoß erfreut. "Wenn es der SPÖ um mehr als nur um Theaterdonner und Wahlkampfgetöse geht, muss sie sich rasch am Verhandlungstisch einfinden", meint Klubobmann Albert Steinhauser in einer Aussendung. Er hofft nun, mit dem freien Spiel der Kräfte im Parlament, die Blockade der Bundesregierung durchbrechen zu können.
Nationalratswahl 2017
Die Nationalratswahl findet am 15. Oktober 2017 statt. Bundesweit treten zehn Listen an: SPÖ, ÖVP, FPÖ, Grüne, Neos, Liste Pilz, Weiße, FLÖ, KPÖ PLUS, GILT.
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