Die Preußen schließen Frieden mit Friedrich

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Glorifizieren oder verteufeln? Beides war gestern. Am 300. Geburtstag von Friedrich dem Großen wirft man in Berlin und Potsdam entspannte Blicke auf einen unsympathischen, jedoch genialen Selbstvermarkter.

Dn alten Fritz wird man so leicht nicht los. Das mussten auch die Arbeiter des „Volkseigenen Betriebes Abräumung“ einsehen. Auf Befehl der DDR-Parteibonzen sollten sie das Reiterdenkmal des legendären Preußenkönigs Unter den Linden demontieren und einschmelzen. Denn aus Hitlers Idol, dessen Porträt noch das Wohnzimmer im Führerbunker beherrschte, war ein verhasster Kriegstreiber und Ahnvater des deutschen Militarismus geworden. Doch schon am Alexanderplatz brach der Lkw unter der Last der Geschichte zusammen – mit Achsbruch. Die Bronzeskulptur blieb erhalten. Später sehnte sich Erich Honecker nach ein wenig Glanz und Gloria und setzte Fridericus Rex als aufgeklärten Reformer wieder auf Pferd und Sockel. Nach der Wiedervereinigung erfüllte Kanzler Kohl den letzten Willen des rabiaten Schöngeistes und verlegte seinen Sarg neben die seiner Windhunde am Weinberg von Schloss Sanssouci. Den Pomp der Zeremonie hatte sich Friedrich freilich ausdrücklich verbeten, und auch vielen unserer Zeitgenossen wurde dabei mulmig zumute: Wenn Deutschland seine einstige Größe beschwört, dann geht das meistens nicht gut.

Eine heikle Sache also, dieser 300. Geburtstag Friedrichs II. am heutigen Tage. Aber es kann entwarnt werden, trotz Gedenkjahr, trotz zahlloser Ausstellungen und Staatsakt am Gendarmenmarkt in Berlin: Die Deutschen werfen nun einen betont gelassenen Blick auf den umstrittenen König.

Verstehen statt huldigen

Der Militarismus liegt, nach der Aussetzung der Wehrpflicht, ferner denn je. Fragwürdige preußische Sekundärtugenden wie Disziplin und bedingungslose Pflichterfüllung sind nicht mehr hoch im Kurs. Das tollkühne „Alles oder nichts“, mit dem sich der Feldherr in Schlachten stürzte und sie oft mit mehr Glück als Verstand gewann, beeindruckt nur noch Militärhistoriker. „Groß nennen wir Preußens zweiten Friedrich nicht. Unendlich größer waren seine Leichenberge“: Auf dieses Verdikt des Autors Christoph Dieckmann können sich alle einigen.

Man will nicht huldigen, nur noch verstehen. Das macht erst den Blick frei auf den scharfsinnigen Philosophen und Freund Voltaires. Man entdeckt den Essayisten, den feinsinnigen Lyriker, den charmanten und witzigen Briefschreiber, den begabten Komponisten und Flötenspieler. Das Publikum bestaunt den „ersten Marketingstar der Politik, der sich nie hinter die Fassade blicken ließ“, wie Brandenburgs Kultusministerin Sabine Kunst das zu zelebrierende Phänomen beschreibt. Damit ist aber auch der Anspruch aufgegeben, hinter der Fassade einen authentischen Friedrich zu entdecken. Der König, so die neue Formel, war nichts anderes als seine abgeschauten und selbst erdachten Rollen. Eine geschundene Persönlichkeit, die sich genial in Szene setzte.

Nirgendwo lässt sich das besser nachvollziehen als in Potsdam, der Bühne, die er sich geschaffen hat. Die zentrale Ausstellung findet im Neuen Palais statt, allerdings erst ab April, weil der riesige Kasten nicht zu heizen ist. Zudem wütet bis heute der Schimmel in ihm, weil Friedrich partout keine Regenrinnen wollte und das Wasser durchs Schloss ableiten ließ. Auf Bedenken seiner Baumeister pflegte er zu erwidern: „Das Haus muss ja nur für meine Lebzeit halten“ – als Versatzstück der Selbstinszenierung. In seinem Show-Schloss für zahlende Besucher und Gäste hat Friedrich selbst nie gewohnt.  – Die Schau von heute heißt „Friederisiko“. Das meint auch das Risiko einer Rezeption, die noch nie so stark ins Intime ging. „Er war das Paradebeispiel für einen Psychopathen, neurotisch, narzisstisch – nicht umsonst neben Luther die erste historische Gestalt, auf die sich die Psychoanalyse gestürzt hat“, erklärt Kurator Alfred Hagemann. Alles, was ihm sein Vater an Grausamkeiten angetan hatte, musste auch sein Neffe als Nachfolger erleiden – „das missbrauchte Kind als Täter“, ein Klassiker. Auch die verkorkste Sexualität wird Thema: War Friedrich nun impotent, asexuell oder einfach nur schwul? Das alles bleibt ein „Versuch, keine Wissenschaft“, wie Hagemann betont.

Luxus, mit falschen Münzen bezahlt

Fest steht, wie sehr Friedrich die Weiber verachtete: seine verschmähte Gattin, die er samt Hofstaat nach Berlin verbannte, die schamlose Mätresse Pompadour in Paris, vor allem aber Maria Theresia in Wien, die er nur als biedere, bigotte Gebärmaschine sah. Die große Gegnerin ist als Objekt des Hohns allgegenwärtig. Der Marmor kommt aus dem eroberten Schlesien. Die Wände zieren Gemälde mit mythologischen Szenen, die Friedrich erst kaufte, als ihm sein Kunsthändler erklärte, der Habsburgerin seien sie zu freizügig gewesen.

Schloss und Alltag, alles soll demonstrieren: Seht her, das kann sich ein großer König leisten, sogar nach einem Siebenjährigen Krieg. Die Ausstellungsmacher zeigen dem heutigen Reservemonarchen Wulff, wie Transparenz geht: Sie stellen „Schatullrechnungen“ online, die einen unerhörten Luxus enthüllen, von Trüffeln aus dem Périgord bis zu winterlichen Glashaus-Kirschen, von denen der Monarch täglich 50 verspeiste – für das Jahresgehalt eines Beamten.

Finanziert wurde dies mit Falschmünzerei. Auch das wird genau analysiert: Heimlich senkte Friedrich den Gold- und Silbergehalt seiner Münzen. So provozierte er Blase und Inflation. Als der Schwindel aufkam, blieb nur eine Währungsreform. Überrumpelte Unternehmer gingen bankrott. Die Handwerker vom Neuen Palais, die noch in alter Währung ausbezahlt worden waren, standen mit fast leeren Händen da.

40 falsche Könige im Film

„Das war kein Märchenkönig“, resümiert Guido Altendorf, „sondern ein rasch gealterter, grantelnder, unsympathischer Mann“. Der Kurator der Ausstellung „Der falsche Fritz“ im Filmmuseum Potsdam zeigt die Verzerrungen aus über 40 Auftritten des Preußenkönigs in Film und Fernsehen, vom romantischen Mythos für Monarchisten bis zu Heldenepen der Nazis. „Nur eine Liebesgeschichte konnte ihm niemand andichten, weil er so offensichtlich kein Interesse am anderen Geschlecht hatte.“

Sein Ende weckt freilich Mitleid. Mangels Zähnen konnte der König nicht mehr Flöte spielen. Voltaire war fort, er saß allein mit Pferd und Hunden in Sanssouci, diesem Sommerhaus eines vereinsamten Singles. Was bleibt, ist die Biografie eines Menschen, der sich zwiespältig machte, um interessant, ja faszinierend zu sein. Und das ist Friedrich der Zweite bis heute, selbst für junge Menschen, die mit Geschichte nichts am Hut haben. „Anders als die anderen!“ – mit diesem Slogan wirbt ein beliebter alternativer Jugendsender von Berliner Plakatflächen. Er heißt, nicht ganz von ungefähr: Fritz.

„Friederisiko“: 28. April bis 28. Oktober 2012, Potsdam, Neues Palais, www.spsg.de

„Der falsche Fritz – Friedrich II. im Film“: 25.1.2012 bis 3.3.2013 im Filmmuseum Potsdam; www.filmmuseum-potsdam.de

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Namenskunde: It's a Kraut, it's a Fritz!

Die Kurzform von Friedrich dient in englischsprachigen Ländern als (eher pejorative) Bezeichnung für Deutsche, denn in englischen Ohren klingt „Fritz“ so wie „Kraut“, eckig, zackig und eben „typisch deutsch“.

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