Pfiat di Gott: Karrierekiller Dialekt

Ursprungssprache. Müssen wir uns verbiegen, damit unsere Kinderstube nicht zum Karrierehindernis wird? Nein, sagt Sprachtrainerin Ingrid Amon. Wir müssen nur unsere kommunikative Trefferquote optimieren.

Vor Jahren fand in Wien der Wettbewerb um die beste Assistentin Österreichs statt. Eine der Finalistinnen, eine Salzburgerin, überzeugte in vielen Punkten, hatte jedoch ein Manko: Sie machte den Mund kaum auf. Buchstäblich im letzten Moment fanden ihre Betreuer den Grund heraus: Sie schämte sich ihres Heimatidioms. Korrekt Hochdeutsch zu sprechen strengte sie so sehr an, dass sie lieber gar nichts sagte.

Es kostete einige Überzeugungsarbeit, bis die Salzburgerin ihre Hemmungen abschüttelte. Sie gewann den Wettbewerb haushoch – gerade weil die Jury ihre Sprache so entzückend fand.

Melos ja, Dialekt nein

Und doch – nicht immer werden Sprachfärbungen als reizend empfunden. Man dürfe gern hören, woher jemand komme, meint Sprachtrainerin Ingrid Amon, er dürfe nur nicht dort stehen geblieben sein.

Ein Positivbeispiel für eine solche sprachliche Weiterentwicklung ist der ÖFB-Fußball-Teamchef Marcel Koller. Sein Schweizer Melos (Griechisch, von Sprachmelodie) ist unverkennbar. Es schimmert durch seine später erworbene deutsche Hochsprache. Es stört aber nicht, denn dank dieser ist er im gesamten deutschen Sprachraum gut verständlich – und genau darum ginge es, sagt die ehemalige ORF-Moderatorin, um die „kommunikative Trefferquote“.

Soll heißen: Die Osttiroler Mundart, das obersteirische Bellen oder das „Meidlinger L“ werden in der jeweiligen Heimatregion mühelos verstanden. Überall sonst kostet es die Zuhörer Anstrengung, dem Sprecher zu folgen. Ihre Aufmerksamkeit driftet ab, sie verweigern ihm die Akzeptanz, die seine Worte verdienen würden. Will Manager Mundl also, dass seine Mannschaft an seinen Lippen hängt, muss er sich breitentauglich ausdrücken.

Im Ernstfall greifen die meisten Menschen ohnehin intuitiv zur Hochsprache. Dieses Phänomen ist vor allem Eltern wohlvertraut. Kommen Teenagersohn oder -tochter der Aufforderung zum Zimmerzusammenräumen zweimal nicht nach, erfolgt der dritte Aufruf an den „Herrn Sohn“ oder an die „junge Dame“ in schönster Hochsprache – danach wird es dann ernst.

Umgelegt auf die Arbeitswelt: Wer erstens seinen Worten Nachdruck verleihen und zweitens so viele Menschen wie möglich erreichen will, muss die gemeinsame Hochsprache beherrschen – und sie im richtigen Moment auspacken. Die gute Nachricht: Das lässt sich lernen, in jedem Lebensalter. Voraussetzung: üben, üben, üben.

Mitreißend reden trotz Handicaps

Die kommunikative Trefferquote wird nicht nur von Melos oder Dialekt bestimmt. Fünf Sprachdimensionen sind bei jedem Menschen unterschiedlich ausgeprägt:

► schnell/langsam
► hoch/tief
► betont/unbetont
► laut/leise
► schweigen/reden

So wird der Schnellredner natürlicherweise wohl eher unter seinesgleichen verstanden und akzeptiert. Will er aber auch die Gemächlichen erreichen, muss er langsam sprechen.

Um Missverständnissen vorzubeugen: Er soll sich keinesfalls verbiegen und auf Dauer zum Langsamreden zwingen. Das passt nicht zu seinem Charakter. Vielmehr soll er sich angewöhnen, etwa 15 Prozent seiner Worte bewusst zu dehnen, um damit auch die Bedächtigen ins Boot zu holen.

Wer also mit seinen Vorträgen und Präsentationen möglichst viele mitreißen will, sollte alle Gegensatzpaare einbauen. Also nicht nur das Tempo wechseln, sondern auch einmal hoch, einmal tief sprechen, einmal betont, einmal unbetont, einmal laut, einmal leise und immer wieder bewusste Pausen setzen.

Anleihen bei den US-Rednern holen

Am einfachsten lässt sich das bei den Standardelementen einer Rede oder Präsentation vorbereiten (und natürlich gut einüben). So kann man sich angewöhnen, das „Schönen guten Morgen . . .“ bei der Begrüßung schnell zu sprechen, das darauf folgende „. . . meine Damen und Herren“ hingegen langsam.

Am wichtigsten ist ein mitreißender Schlusssatz. Amon: „Man muss als jubelnder Sieger durch das Ziel gehen. Da ist es dann egal, wie viele Tore man vorher umgeworfen hat.“ Als Redner solle man sich dabei eher die dialogische Technik der US-Politiker zum Vorbild nehmen. „Hierzulande haben wir eine monologische Vortragskultur“, meint Amon. „Ich rede und du hörst zu.“ Der bessere Ansatz: So viel Abwechslung hineinzubringen, dass sich das Publikum wundert, wie schnell doch die Zeit vergangen ist.

ZUR PERSON

Die Dornbirnerin Ingrid Amon arbeitete mehr als 20 Jahre als ORF-Sprecherin und -Moderatorin, bevor sie sich 1980 als Stimmtrainerin selbstständig machte. Ihr Buch „Die Macht der Stimme“ erscheint bereits in achter Auflage.

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