Mein Kollege demontiert mich

Kolumne: Hirt on Management - Folge 1. Wie man sich erfolgreich gegen einen unfairen Kollegen wehrt.

In unserer neuen Rubrik "Hirt on Management“ beantwortet Michael Hirt, Managementberater und Executive Coach, alle zwei Wochen Fragen von Managern zu herausfordernden Situationen und kritischen Entscheidungen.

Frage: Ich leite seit über drei Jahren das Marketing der Österreich-Tochter eines internationalen Unternehmens. Seit Anfang des Jahres gibt es einen neuen Vertriebsleiter, der von außen gekommen ist und mit hohem Elan daran geht, unserem Geschäftsführer zu beweisen, was er für ein Überflieger ist. Dabei geht er ziemlich rücksichtslos vor und es gelingt ihm immer wieder, den Eindruck zu erzeugen, dass mein Marketingteam und ich „Mist gebaut haben“, wenn etwas schiefläuft. Die Zusammenarbeit zwischen Marketing und Vertrieb hat sich massiv verschlechtert. Wir kommen kaum noch an Informationen heran und jede gemeinsame Aktivität wird zu einem Spießrutenlauf, statt einer konstruktiven Zusammenarbeit. Die ersten Monate habe ich mir das angeschaut und mich auf meine eigene Leistung und die Leistung meiner Abteilung konzentriert, aber jetzt wird mir das ganze doch ein bisschen unheimlich. Ich habe Sorge, dass meine Position gefährdet ist, insbesondere, weil unser Geschäftsführer den Vertriebsleiter selber rekrutiert hat und viel von ihm zu halten scheint. Was soll ich tun?

Michael Hirt antwortet: Ihre Sorge ist berechtigt. Ihre Situation ist ernst, weil Sie anscheinend im ersten Halbjahr „die Zügel haben schleifen lassen“ und ihr Standing beim Geschäftsführer möglicherweise bereits ernsten Schaden genommen hat. Jetzt gilt es schnell und entschlossen zu handeln. Ich gehe jetzt mal davon aus, dass Sie über die Kompetenz verfügen, um ihre Marketingaufgabe auf hohem Niveau und mit entsprechenden Ergebnissen zu erfüllen und das auch in den letzten drei Jahren bewiesen haben, weil sonst stehen sie sowieso auf ziemlich verlorenem Posten.

Was Sie jetzt tun können:

1. Verstehen Sie die Ausgangslage und stellen Sie Hypothesen für die Ursachen auf
Stellen Sie sicher, dass Ihre Einschätzung der Lage und des Verhaltens des neuen Vertriebsleiters realitätsnah sind. Verlassen Sie sich dabei nur auf objektive, nachweisbare Fakten und tatsächlich beobachtete Verhalten. Lassen Sie nicht zu, dass Vorurteile und Emotionen ihre Einschätzung trüben. Holen Sie die Sichtweisen und Beurteilungen von Mitarbeitern und Kollegen, denen sie vertrauen, ein und besprechen Sie Ihre Einschätzung mit einem externen Dritten, der emotional nicht involviert ist. Bei dieser Gelegenheit sollten Sie auch Ihre Machtbasis im Unternehmen überprüfen und klären, wer ihre Verbündeten sind und von wem sie mit Unterstützung rechnen können. Insbesondere sollten Sie Ihr Verhältnis zum Geschäftsführer analysieren und verstehen, wie weit sie von ihm in dieser Sache Unterstützung erwarten können. Stellen Sie auch sicher, dass Sie in Familie und Freundeskreis emotionale Unterstützung und Rückhalt für die kommenden Ereignisse und Konflikte haben. Stellen Sie verschiedene Hypothesen für die Ursachen des Verhaltens des Vertriebsleiters auf und überlegen Sie, welche die wahrscheinlichste ist. Überlegen Sie, was Ihr eigener Beitrag zum Problem ist, was der Beitrag Dritter, wie zum Beispiel des Geschäftsführers, ist und wie weit das Problem systematisch ist, sich also typischerweise aus dem Verhältnis zwischen Marketing und Vertrieb oder der allgemeinen organisatorischen Dynamik und Aufstellung ergibt.

2. Überlegen Sie ein direktes Gespräch mit dem Vertriebsleiter
Ich schreibe bewusst „überlegen Sie“, weil so ein direktes Gespräch nicht in jeder Situation automatisch richtig ist. Aber gehen wir einmal davon aus, dass aus ihrer Einschätzung die Vorteile eines solchen Gesprächs überwiegen. Stellen Sie sicher, dass das Gespräch unter vier Augen und in einem angemessenen Rahmen stattfindet. Bereiten Sie sich gut vor, damit sie präzise, kurz und spezifisch sein können. Beschreiben Sie die Situation oder Situationen auf der Grundlage von Fakten und tatsächlich beobachteten Verhalten. Benutzen Sie keine Verallgemeinerungen. Beschreiben Sie das Ergebnis dieses Verhaltens und die Kosten oder Nachteile, die dadurch für Sie, den anderen, das Unternehmen und die Kunden entstehen. Sprechen Sie klar aus, welche Anforderungen Sie an eine produktive Zusammenarbeit haben und welche Bitten Sie daher an den Gesprächspartner haben. Ersuchen Sie den Vertriebsleiter seine Sichtweise darzulegen. Versuchen sie herauszuarbeiten, warum eine bessere Zusammenarbeit im Interesse aller und insbesondere auch des Vertriebsleiters ist. Beschließen sie gemeinsam Maßnahmen, die Sie beide setzen werden, um in Zukunft besser zusammenzuarbeiten. Dokumentieren Sie die Ergebnisse ihres Gesprächs und schicken Sie die Zusammenfassung an den Vertriebsleiter.

3. Verhindern Sie weitere Sabotage durch konsequentes Handeln
Machen sie allen Beteiligten klar, welche Anforderungen Sie an eine produktive Zusammenarbeit haben, woran Sie Erfolg und Ergebnisse messen und achten Sie konsequent darauf, dass diese eingehalten werden. Haben Sie keine Toleranz für Abweichungen oder nicht eingehaltene Versprechen. Reagieren Sie sofort, indem sie die Abweichung ansprechen und konfrontieren. Falls notwendig, gehen sie so weit, dass Besprechungen abgebrochen werden und die Zusammenarbeit zum Stillstand kommt. Dokumentieren Sie alle Probleme sachlich, zeigen Sie die negativen Effekte für die Kunden und das Unternehmen auf und informieren Sie den Geschäftsführer in angemessenen Rahmen. Bei Bedarf eskalieren Sie unangemessenes Verhalten von Vertriebsmitarbeitern zum Vertriebsleiter, bzw. unangemessenes Verhalten des Vertriebsleiters zum Geschäftsführer. Stellen Sie sicher, dass sie eine möglichst breite Unterstützung im Unternehmen haben, insbesondere vom Geschäftsführer, anderen Leitern, Schlüsselmitarbeitern und anderen wichtigen Personen, wie zum Beispiel Betriebsrat, wichtigen Vertriebsleuten und gegebenenfalls bestehenden Kontakten in der ausländischen Konzernzentrale ihres Unternehmens, die Sie hoffentlich bereits in den letzten drei Jahren aufgebaut haben und über die der, extern gekommene, Vertriebsleiter höchstwahrscheinlich nicht verfügt. Stellen Sie insgesamt sicher, dass allen Beteiligten klar wird, dass Sie Sabotage nicht tolerieren und auf Abweichungen konsequent reagieren. Sorgen Sie dafür, dass sich das herumspricht. Dokumentieren Sie Schwachstellen und Fehler des Vertriebs und stellen Sie sicher, dass Sie diese geschickt und intelligent an die richtigen Stellen kommunizieren, ohne dabei perfide zu wirken, sondern immer nur im Interesse des Unternehmens und seiner Kunden. Sorgen Sie dafür, dass Ihr Bereich auf hohem Niveau Leistung erbringt und lassen Sie sich durch Emotionen nicht zu fachlichen Fehlern, Inkorrektheiten oder sinnlosem Streit verleiten, sondern konzentrieren Sie sich auf die Erzielung von messbaren Ergebnissen, Fortschritten und Erfolgen. Stellen Sie sicher, dass die operative Arbeit Ihres Bereichs großteils von Ihren Mitarbeitern erledigt wird, damit sie ausreichend Zeit haben, um den Konflikt mit dem Vertrieb zu managen. Bleiben Sie im Umgang mit dem Vertrieb freundlich und korrekt, lassen Sie sich nicht zu emotionalen Reaktionen oder gar Wutausbrüchen verleiten. Stellen Sie sicher, dass Ihre eigenen Erfolge und Leistungen und die Ihrer Mitarbeiter konsequent im Unternehmen verbreitet werden und auch der Geschäftsführer davon klar weiß.

4. Involvieren Sie den Geschäftsführer
Der Schlüssel zum Erfolg ist sicher der Geschäftsführer. Verstehen Sie seine Ziele und Anforderungen und welche Beiträge er dazu von Marketing und Vertrieb benötigt. Arbeiten sie mit ihm gemeinsam heraus, dass eine gute Zusammenarbeit von Marketing und Vertrieb auch für die Erreichung seiner Ziele zentral ist. Stellen Sie klar, was Sie zum Erfolg der Zusammenarbeit von Marketing und Vertrieb beitragen werden, aber auch welchen Beitrag Sie vom Geschäftsführer dazu erwarten. Stellen Sie sicher, dass Sie seine Unterstützung haben und, dass er hinterIhnen steht, wenn unangemessene Verhalten zu ihm eskaliert werden. Wenn Sie seine Unterstützung nicht mehr haben, dann haben sie in echtes Problem.

5. Haben Sie einen Plan B
Auch wenn sie alle diese Maßnahmen umsetzen, würde ich Ihnen empfehlen, parallel dazu einen Plan B zu entwickeln, der darin besteht, dass Sie Ihren Lebenslauf aufpolieren, Ihr Netzwerk aktivieren und sich aktiv nach einer anderen Position umsehen. Das hat nicht nur den Vorteil, dass Sie für den Ernstfall vorbereitet sind, dass ihnen ihr „netter“ Vertriebskollege nachhaltig geschadet hat, sondern auch, dass Sie Ihren, hoffentlich hohen, Marktwert erkennen und dadurch auch im Unternehmen selbstbewusster und gestärkt auftreten. Wenn es hart auf hart kommt und Sie merken, dass Sie die Unterstützung des Geschäftsführers nicht haben, können Sie noch eine Eskalation in die Konzernzentrale versuchen, die aber normalerweise recht geringe Erfolgschancen hat, deshalb ist ihr Plan B umso wichtiger.

Das Wichtigste in Kürze

  1. Verstehen Sie die Ausgangslage und stellen Sie Hypothesen für die Ursachen auf
  2. Überlegen Sie ein direktes Gespräch mit dem Vertriebsleiter
  3. Verhindern Sie weitere Sabotage durch konsequentes Handeln
  4. Involvieren Sie den Geschäftsführer
  5. Haben Sie einen Plan B

In „Hirt on Management“ beantwortet Michael Hirt, Managementberater und Executive Coach, alle zwei Wochen Fragen von ManagerInnen zu herausfordernden Situationen und kritischen Managemententscheidungen.

Schicken Sie Ihre Fragen an Michael Hirt an: karrierenews@diepresse.com

Die Fragen werden anonymisiert beantwortet.

Ausblick: Die nächste Kolumne von Michael Hirt erscheint am 3. September zur Frage:Ein wichtiger Mitarbeiter von mir hat ein Motivationstief


Michael Hirt, geboren 1965 in Wien, ist Managementexperte, Executive Coach und Buchautor. Hirt verhilft Führungskräften zu schnellen Leistungs- und Ergebnissteigerungen, mit hoher Auswirkung auf den Erfolg ihres Unternehmens. Er studierte in Österreich, Kanada (McGill) und Frankreich (INSEAD MBA) und ist weltweit als Managementberater und Executive Coach tätig.

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