Was Pfleger und Schwestern wirklich brauchen

Pflegenotstand. Sie können viel, sie leisten viel, sie bekommen wenig Geld dafür. Nach fünf bis sieben Jahre wandern die meisten Pflegekräfte in andere Berufe ab. Dabei ist es gar nicht so schwer, ihnen das zu geben, was ihnen wichtig ist.

In seinem früheren Berufsleben führte Robert Thalmeier, heute 36, ein kleines Lebensmittelgeschäft am Wolfgangsee. Dann erkrankte sein Vater schwer. Er brauchte viel Pflege, erinnert sich Thalmeier: „Irgendwann habe ich mir überlegt, ob das nicht ein Beruf für mich wäre.“

Zwei der drei Jahre Ausbildung zum diplomierten Gesundheits- und Krankenpfleger hat er schon hinter sich. Und ist immer noch Feuer und Flamme: „Ich dachte, ich werde nur am Bett sein, am Menschen selbst. Dabei ist der Pool an Möglichkeiten viel größer.“

Pflege brauche es in einer Unmenge an Abteilungen, beschreibt er, jede anders als die andere. Wissenschaftlich sei sie noch wenig beleuchtet, da könne man mehr tun. Und es herrsche großer Bedarf an Lehrenden, die künftige Pflegergenerationen ausbilden.

Wohin es ihn auch verschlagen wird: „Früher war mein Leben von Geld bestimmt. Heute weiß ich, dass ein nettes Wort oder eine Berührung genauso viel wert sind.“

Raue Wirklichkeit

In Österreich sind derzeit 105.000 diplomierte Gesundheits- und Krankenpfleger und -schwestern (DGKP/S) im Einsatz. Dazu kommen 30.000 angelernte Kräfte. 7000 Stellen sind momentan unbesetzt. 2020, wenn die riesigen Kohorten der Babyboomer ins pflegeintensive Alter kommen, werden 80.000 Stellen unbesetzt sein, befürchtet Ursula Frohner, Präsidentin des Berufsverbandes.

Denn nach ihrer langen Ausbildung bleiben die Pfleger und Schwestern im Schnitt magere fünf bis sieben Jahre im Beruf. Die Rahmenbedingungen, die psychischen und physischen Anforderungen sind wenig animierend, das ganze Berufsleben dort zu verbringen.

Das spiegelt auch eine IMAS-Studie wider. Als die drei größten Herausforderungen der nächsten fünf Jahre bezeichnen 314 aktive Mitarbeiter von Krankenhäusern, Pflegeanstalten und Altenheimen:

► Stressreduktion und Burn-out-Prävention:

59 Prozent rechnen mit einer Belastungszunahme;

Fachpersonal gewinnen:

53 Prozent erwarten mehr Schwierigkeiten als jetzt und

Fachkräfte langfristig halten:

50 Prozent erwarten hier zunehmende Probleme.

In der Theorie wäre ja klar, wie man den Stress reduziert: durch leist- und umsetzbare Anforderungen; durch eine Umgebung, die Reflexion und Erholung zulässt, und durch die Möglichkeit, psychische Ausnahmesituationen im Dialog aufzuarbeiten. Frohner: „Man ist ja ständig mit unendlichem menschlichen Leid konfrontiert.“

In der Praxis jedoch hapere es an den Umsetzungsmöglichkeiten, vor allem aber am Grundverständnis für den Beruf. Denn Pflegeleistungen gelten als selbstverständlich und bekommen wenig Anerkennung: „Das ist der Knackpunkt. Deswegen hält es die Mitarbeiter nicht lange.“

Im Umkehrschluss: Erhöht man Sichtbarkeit und Akzeptanz, macht das die Pfleger und Schwestern stolz, und sie bleiben länger. Helfen würden auch erweiterte Handlungsfelder, wenngleich manche ohnehin selbstverständlich anmuten: In Österreich dürfe etwa nur der Arzt Inkontinenzeinlagen oder Verbandsmaterial verordnen, gibt Frohner ein Beispiel: „Als ob der Pfleger nicht genauso gut weiß, was der Patient braucht.“

Was Pflegern und Schwestern noch wichtig ist: ein respektvoller Umgang (97 Prozent), faire Arbeitszeiten (96 Prozent) und eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf (92 Prozent).

Der Job hat seinen Preis

Ein bisschen mehr Geld hätten sie auch gern: 96 Prozent wünschen sich eine bessere Bezahlung.

Das Gehalt variiert zwar nach Bundesland und Träger, aber es gibt Richtwerte. Fertig ausgebildete DGKP/S bekommen im Schnitt 1600 Euro Monatsbrutto. Je nach Qualifikation ist auch mehr drinnen, im Operationssaal etwa 2000 Euro monatlich, bei viel Erfahrung auch 2300 Euro. Die Butter aufs Brot machen aber die Zulagen aus, die jedoch nicht auf die Pension angerechnet werden.

Die Verbandspräsidentin vergleicht es mit der Leistung eines Rechtsanwalts: Auch dieser berate, leite Maßnahmen ein und fakturiere dann ganz selbstverständlich seinen Stundensatz. Eine solche Denkweise strebe sie auch für ihre DGKP/S an.

Aktuellen politischen Überlegungen, anerkannte Flüchtlinge als Pfleger einzuschulen, kann sie wenig abgewinnen: „Es mag schon sein, dass manche die Kompetenzen mitbringen. Wenn aber der Plan ist, billige Hilfskräfte einzusetzen, um die Personalkosten gering zu halten – das ist nicht des Rätsels Lösung.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.10.2015)

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