Der Kämpfer für das Süße

Porträt. Stevia-Vorkämpfer Franz Reisenberger sagt von sich, er sei ein oberösterreichischerMostschädel. Eine Menge Beharrlichkeit brauchte es auch, um sich im Süßstoffmarkt zu behaupten.

Aufgeben? Niemals. Wenn Franz Reisenberger (66) an eine Idee glaubt, beißt er sich durch. Freund und Feind attestieren ihm obendrein einen Riecher für das Geschäft, für Produkte, aus denen etwas wird. Wenn man nur beharrlich dranbleibt.

So war es auch 2006, als sich der Gatte der Botschafterin von Paraguay (woraus sich Reisenbergers Beziehungsnetzwerk erahnen lässt) an ihn wandte. Der wollte die getrockneten Blätter der Steviapflanze in der EU als Aromastoff für Tiere registrieren lassen. Er brauche eine akkreditierte Firma für die Abwicklung. Ob Reisenberger ihm helfen könne?

Der, gelernter Landwirt und Chef einer Vertriebsfirma von Zusatzstoffen für Mischfutterbetriebe, wurde hellhörig. 30-mal süßer als Zucker solle die Pflanze sein, dabei aber kalorienfrei? Das wäre doch auch etwas für Menschen?

Ähnlich hellhörig war er schon einmal gewesen, drei Jahre vor der Wende, als er seine Vertretungen in Tschechien, der Slowakei und Polen neu organisierte. Als dann der Eiserne Vorhang fiel, war er längst etabliert. „Ich hatte Riesenglück“, winkt er ab.

Und nun Stevia

Den Markt zu erobern würde kein Spaziergang sein, das war Reisenberger klar. Dass weder Bauern noch Zuckerlobby Freude am kalorienfreien Konkurrenten haben würden, darauf war er vorbereitet.

Doch dann musste er fünf Jahre auf die Registrierung in der EU warten. Die Förderung für eine Pilotanlage scheiterte an bürokratischen Details. Also keine Produktion in Österreich, entschied Reisenberger. Seither lässt er in Deutschland produzieren.

2012 erlebte Stevia einen Hype. So sehr, dass die heimische Agrana ihre Pfründe mit einer Gegenkampagne verteidigen musste. „Eine Riesenwerbung für mich“, findet Reisenberger.

Mehr Sorgen machten ihm Trittbrettfahrer, die seine Produkte mit zuckerähnlichen aufmischten. Das brachte ihm herbe Kritik des Vereins für Konsumentenschutz ein. „Meine Mischungen waren immerkalorienfrei“, ärgert er sich.

2014 war der Hype vorbei. 1,1 Millionen Euro hatte Reisenberger investiert, getragen vom Stammgeschäft und den ausländischen Beteiligungen. Die Lobby hätte es geschafft, sagt er, dass nur die Hausfrau mit „Tafelsüße aus Stevia“ backen darf, nicht aber die umsatzstarke Backwarenindustrie. In der Kategorie „Backwaren“ dürfe Stevia nicht eingesetzt werden.

Von wenig auf hundert

Was also tun? Wenn schon nicht als Zusatzsstoff für Backwaren, dachte Reisenberger, dann entwickle ich eben eine vorgefertigte Mischung für die Backwarenindustrie. Ein Forschungsprojekt an der Universität für Bodenkultur gab ihm wissenschaftlichen Rückhalt. Heute sind seine Mischungen für die Backwarenindustrie zum Patent angemeldet: „Wir sind die Ersten auf der Welt.“

Plötzlich schnurrt das Werk wieder. Der große Lebensmitteleinzelhandel will seine von Partnern gebackenen Kuchen und Torten listen, Gewichtsreduktionsfirmen wollen sie empfehlen, die Gastronomie sie anbieten. Die USA, Kanada, Israel und die Emirate rufen danach. Und China: „Nach vielen Skandalen dort vertraut die wohlhabende Mittelschicht lieber Lebensmitteln aus dem deutschsprachigen Raum“, sagt er, „ein österreichisches Etikett öffnet alle Türen.“ 35.000 Shops hätte sein Partner allein in China. Die Beharrlichkeit hat sich gelohnt.

Die ersten großen Erfolge will Reisenberger noch einfahren. Dann zieht er sich in die zweite Reihe zurück und überlässt die kaufmännische Leitung seinem Sohn. Um selbst mit dem Motorrad, einer BMW 1600 GT, durch die Welt zu fahren. „Dort finde ich Freiheit im Schädel.“ Und vielleicht eine neue Idee.

ZUR PERSON

Franz Reisenberger wurde 1949 in Ohlsdorf bei Gmunden geboren. 1984 gründete der gelernte Landwirt mit der Reisenberger GmbH einen Exklusivvertrieb von Zusatzstoffen für die Mischfutterindustrie. Seit 2011 baut er die Marke Natusweet für kalorienfreie Süßstoffe auf pflanzlicher Basis sowie Backmischungen für die Herstellung von Hefe-, Siede- und Süßgebäck und deren weltweiten Vertrieb auf.

("undefined", Print-Ausgabe, 14.11.2015)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.