Computer ersetzen die Personalisten

Big Data. Vorbei sind die Zeiten, als HR-Software nur bei administrativen Aufgaben unterstützte. Mittlerweile wissen Computer bestens über Sorgen, Nöte und Bedürfnisse der Mitarbeiter Bescheid.

Die Zeiten liegen noch nicht lang zurück, als Computerunterstützung in den Personalabteilungen kein Thema war. Abgesehen von administrativen Aufgaben wie der Lohnverrechnung vielleicht. Das Argument: Der Mensch stehe im Mittelpunkt, moderne Technologien seien daher nicht notwendig, ja mehr noch, sie seien unangebracht.

Doch genau diese Technologien setzten sich dennoch durch, sagt Sven Laumer, Forscher am Lehrstuhl für Wirtschaftsinformatik der Universität Bamberg, der sich intensiv mit HR-Software beschäftigt. Diese Technologien brachten einen – für die Personalisten überraschenden – Effekt: Da Computer automatisierbare administrative Aufgaben übernahmen, blieb ihnen mehr Zeit für wertschöpfende, inhaltliche Tätigkeiten. Die IT ermöglichte ihre Entwicklung vom Administrator zum HR-Berater, beschreibt Laumer. Und das rückte den Menschen tatsächlich in den Mittelpunkt.

Dass die Administration mittlerweile computerunterstützt passiere, sei Stand der Technik, sagt Laumer. Auch Recruiting funktioniere längst automatisiert (siehe auch Seite K1). Es gebe sogar Software, die etwa bei der Suche nach IT-Fachkräften einschlägige Foren durchsucht: mit dem Ziel, jene Leute zu finden, die im jeweiligen Fachbereich durch gute Kommentare auffallen. „Die Software“, sagt Laumer, „sucht die Menschen, wo sie sind, und verbindet HR mit der Lebensrealität.“ Vor diesem Hintergrund gewinnt entsprechendes Selbstmarketing der Jobsuchenden an Bedeutung: Wer qualitative Spuren im Netz hinterlässt, wird leichter gefunden.

Wie denken die Mitarbeiter?

Auch für das Feld der Personalentwicklung gibt es bereits Software. So ist es möglich, Fähigkeitsprofile der Mitarbeiter zu erstellen, in denen festgehalten wird, wer was kann, welche Schulung besucht hat oder benötigt und am besten zur Unternehmensstrategie oder in ein bestimmtes Projektteam passt.

Andere Programme gehen noch weiter. IBM etwa liefert mit „Social Pulse“ ein Analysetool, das aus den Social-Media-Aktivitäten der Mitarbeiter Rückschlüsse auf deren Befindlichkeiten ermöglicht. Damit sei es möglich, sagt Laumer, Stimmungsbilder zu erfassen, die Sorgen und Nöte zu erkennen und sich Umfragen unter den Mitarbeitern zu ersparen, ehe entsprechende (HR-)Maßnahmen gesetzt werden. Noch sei für die entsprechenden Maßnahmen die Intelligenz der HR-Verantwortlichen gefragt. Noch, denn früher oder später werden die Systeme in der Lage sein, entsprechende Maßnahmen selbst vorzuschlagen.

Relevant ist derartige Software beispielsweise auch für Gesundheitsthemen: Allein daraus wann und wie Mitarbeiter ihre Computer oder Smartphones benutzen, lasse sich viel über deren Gesundheitszustand erkennen. Das werfe zweifellos viele datenschutzrechtliche Fragen auf, räumt Laumer ein. „Letztlich“, sagt er, „läuft vieles auf das Vertrauen in die Software hinaus.“ Schon jetzt sei der Supercomputer „Watson“ in der Lage, bessere medizinische Diagnosen zu erstellen, als es viele Ärzte können, weil er auf eine enorme Datenbank zurückgreifen und Muster schneller erkennen kann. Die Frage sei aber dennoch: Vertraut man seiner (Computer-)Diagnose?

Virtuelle Karriereberater

Was im medizinischen Bereich jetzt schon möglich ist, könnte auch auf dem Personalsektor Entsprechungen finden. Laumer nennt ein Beispiel: die Karriereberatung. Anhand der Lebenslaufdaten könnte die Software eine entsprechende Berufsempfehlung geben und gleich auch die Bewerbung organisieren. Und ganz nebenbei eine entscheidende Frage beantworten: jene nach dem Gehalt.

ZUR PERSON

Sven Laumer forscht am Lehrstuhl für Wirtschaftsinformatik der Universität Bamberg unter anderem im Centre of Human Resources Information Systems (CHRIS). Forschungsschwerpunkt sind alle Schnittstellen zwischen Personalwesen (HR) und der Informationstechnologie (IT). [ Universität Bamberg ]

("undefined", Print-Ausgabe, 21.11.2015)

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