Unternehmenskultur: Wenn keiner weiß, wo es langgeht

In der Theorie weiß das Management, was für eine gute Firmenkultur nötig ist. Die Praxis ist weit davon entfernt. Grund sind andere Prioritäten.

Wer kennt die Ziele seines Unternehmens? Jedes Jahr befragt die Personalberatung Hays Geschäftsführer und Personalisten zu zentralen HR-Themen. Regelmäßig finden sich in der Auswertung interessante Paradoxe, die am Abgleichen von Wunsch und Wirklichkeit zweifeln lassen. So auch hier: Neun von zehn Befragten bezeichnen es im Brustton der Überzeugung als wichtigstes Merkmal einer guten Firmenkultur, dass alle Mitarbeiter die Firmenziele kennen. Doch nicht einmal sechs von zehn Befragten kennen ihre eigenen, Geschäftsführer eingeschlossen.

Woraus sich die simple Empfehlung ableiten lässt: Führungskräfte aller Ebenen, holt euch die Firmenziele und besprecht sie mit euren Teams!

Kritische Themen: Ja bitte!

Ein weiterer Augenöffner ist der Punkt „Offener Umgang mit kritischen Themen“. Acht von zehn Befragten machen daran die Qualität der internen Kommunikation fest – in der Theorie. In der Praxis sind nur 15 Prozent davon überzeugt, dass der Umgang mit kritischen Themen in ihrer Organisation tatsächlich offen ist. Im Umkehrschluss werden für 85 Prozent die haarigen Themen unter den Teppich gekehrt.
Es braucht also keine ausgefeilten Marketing- und PR-Konzepte, um die interne Kommunikation zu verbessern. Es genügt, die Dinge anzusprechen (und kostet auch weniger).

Das Soll ist weit weg vom Ist

Vier Elemente machen eine gute Unternehmenskultur aus. In der Umfrage unter 532 Österreichern, Deutschen und Schweizern finden sich weitere Ansätze.

► Kommunikation: Für 48 Prozent der befragten Österreicher ist sie das wichtigste Merkmal einer guten Unternehmenskultur. Doch nur 36 Prozent finden, dass ihr Unternehmen hier sehr gut oder gut aufgestellt ist. Andersrum: 64 Prozent empfinden die Lage als befriedigend oder ungenügend.
Wie sie Kommunikation definieren und wie zufrieden sie mit der ihres Unternehmens sind, zeigt die Grafik oben: Es geht um den offenen Umgang mit kritischen Themen (80 Prozent halten sie für wichtig, aber nur 15 Prozent sind hier zufrieden), eine wohletablierte Feedbackkultur (77 zu 31 Prozent), Wertschätzung zwischen Führungskräften und Mitarbeitern (60 zu 39 Prozent), regelmäßige Kommunikation vom Vorstand zu den Mitarbeitern (59 zu 45 Prozent), aktives Zuhören (58 zu 28 Prozent) und hierarchieübergreifende offene Kommunikation (58 zu 32 Prozent).

► Veränderungsbereitschaft: Für 25 Prozent der Österreicher ein wichtiges Merkmal guter Unternehmenskultur. 37 Prozent sind hier mit ihrem Unternehmen zufrieden. Umgekehrt sind 63 Prozent unzufrieden.

► Führung: Nur 17 Prozent der befragten Österreicher definieren gute Unternehmenskultur darüber, knapp ein Drittel (32 Prozent) findet sie gut umgesetzt. 68 Prozent sind nicht überzeugt.

► Transparenz: wichtig für neun Prozent der heimischen Befragten. Ein Viertel findet ihr Haus gut aufgestellt, drei Viertel sehen Verbesserungspotenzial. Sie verstehen darunter die Bekanntheit der Unternehmensziele (91 zu 56 Prozent), die Nachvollziehbarkeit von Entscheidungen (86 zu 17 Prozent) und die Offenheit über die Unternehmenssituation (83 zu 44 Prozent).

Volle Kraft auf die Technologie

Warum klaffen Soll und Ist so weit auseinander? Der Grund für Hays-Österreich-Geschäftsführer Mark Frost: Alles Augenmerk gilt der technologischen Transformation. Für die Unternehmenskultur bleibt kein Platz. Frost: „Man darf die Bedeutung weicher Themen nicht unterschätzen. Hinkt deren Umsetzung nach, wirkt sich das negativ auf die Gesamtleistung aus.“

Auf einen Blick

Der jährlich erscheinende „Hays HR-Report“ basiert auf der Onlinebefragung von 532 Entscheidern und HR-Spezialisten aus Österreich, Deutschland und der Schweiz. Die Kernaussage der heurigen Auswertung macht die Betonung der technologischen Transformation für die Vernachlässigung der Unternehmenskultur verantwortlich. Voraussetzung für einen digitalen Wandel ist jedoch sozialer Fortschritt.

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.