Porträt. Cindy Nicole Plamenig führt eine kleine Personaldienstleistung. Und sie hat ein bemerkenswertes Talent: neue Geschäftschancen zu erkennen.
Cindy Nicole Plamenig (38) lernte Hotel- und Gastgewerbeassistentin. Diesen Absolventen sagt man gut geschulte Kundenorientierung nach, so gut, dass sie quer durch alle Branchen gefragt sind.
Plamenigs Geschichte verlief anders. Mit 22 Jahren heuerte sie bei einem globalen Personaldienstleister an und stieg rasch zur Filialleiterin auf. Das Callcenter war ihre Domäne. Bald ärgerte sie sich über die schwankende Vorbildung der vermittelten Callcenteragenten. Warum, fragte sie sich, stellen wir nicht eine Ausbildung zusammen, mit der wir einen einheitlichen Standard garantieren? Gesagt, getan. Das Training schlug so ein, dass es hundertfach verkauft wurde – sogar an Firmen, die sonst keinen Personaldienstleister brauchten.
Hier zeigte sich erstmals das große Talent der jungen Wienerin: nicht jammern, sondern beobachten, Bedürfnisse erkennen und daraus Geschäftsmodelle ableiten.
Wo ist das nächste Problem?
Ein paar Erfahrungsjahre später machte sich Plamenig mit einem Partner selbstständig. 2009 gründete sie die Personalagentur Elite Power mit heute neun Mitarbeitern (bevorzugt aus der eigenen Familie) und zwei Lehrlingen: „Endlich kann ich mich austoben. Niemanden fragen, einfach machen: Wenn ich meine, etwas ist wichtig, setze ich es in der Sekunde um.“
Rasch fand sie heraus, dass den Einzelhandel ähnliche Themen plagten wie das Callcenter: hohe Fluktuation, durchwachsene Vorkenntnisse des Personals. Umgehend schneiderte sie für ihre Kunden (die großen Modeketten) Konzepte, in die sie schon beim Recruiting eine Einschulung für den jeweiligen Firmenstandard einbaute: „Ist doch klar: Wenn eine Aushilfsverkäuferin die Abläufe schon im Vorfeld lernt, ist sie schneller im Job. Und der Kunde bucht sie wieder – oder übernimmt sie gleich.“ Stolze 5000 solcher Einsätze wickelte sie im vergangenen Jahr ab.
Über die nächste Idee stolperte sie, als einer ihrer Kunden über seine halbjährliche Inventur stöhnte: so aufwendig, so störend, so wenige Leute für so viel Ware. Lag darin nicht wieder ein Geschäftmodell? Sofort adaptierte sie ihr Recruiting: „Können Sie nicht nur verkaufen, sondern auch Inventur machen?“, fragt sie jetzt, schult die Basics und kann auf Knopfdruck Inventurmitarbeiter bereitstellen, die Haus und Ware schon kennen.
Wer betrügt am meisten?
Wenig später realisierte Plamenig, wie viel Schaden Ladendiebe verursachen. Um in das Thema hineinzuwachsen, machte sie eine Detektivausbildung („da bin ich richtig munter geworden“). Weil ein Ladendetektiv allein auf verlorenem Posten steht, trainiert sie nun die Verkäuferinnen, ihre eigenen und die der Kunden. Da lernen sie, auf suspektes Verhalten zu achten und verdächtige Personen höflich, aber bestimmt anzusprechen.
Ach ja, und die Krankenstandsüberwachung nicht ganz vertrauenswürdiger Angestellter nahm sie auch in das Portfolio auf. „Von vierzig Verdachtsfällen seit Februar waren nur zwei unbegründet“, sagt sie und freut sich über das nächste einträgliche Geschäft.
Die Sache mit den alten Damen
Im Zuge ihrer Detektivausbildung wohnte sie auch Gerichtsverhandlungen bei. „Bei einer saßen 16 alte Damen, die Geld abgehoben hatten und auf dem Heimweg überfallen worden waren. Sie konnten gar nicht fassen, was ihnen da passiert ist.“ Problem – Lösung: Die passionierte Kickboxerin machte den Waffenschein und bietet jetzt (leistbaren) bewaffneten Begleitschutz.
Knapp fünf Millionen Umsatz bringen die Geschäftszweige inzwischen, kein Vermögen, aber eine schöne Lebensgrundlage. Das Denkprinzip sei allen ans Herz gelegt, die Zukunftssorgen plagen: Die Ideen liegen auf der Straße.
ZUR PERSON
Cindy Nicole Plamenig (38) leitet die Personalagentur Elite Power. Aus der klassischen Personalbereitstellung entwickelt sie in rascher Folge Geschäftsmodelle aus Bedürfnissen, die sie bei ihren Kunden erkennt: Mitarbeiterschulungen, Inventurpersonal, Ladendieb-stahlsprävention, Krankenstandsüberwachung, Begleitschutz. Elite Power hat elf Mitarbeiter und macht knapp fünf Millionen Euro Umsatz.
("undefined", Print-Ausgabe, 30.04.2016)