Der Notstand auf der Almhütte

Arbeitsmarkt Westösterreich. Salzburg, Tirol und Vorarlberg ringen um Saisonkräfte, um Kontingentplätze und um Mangelberufe. Statt zu jammern, lassen sie sich einiges einfallen.

Da kocht ein bosnischer Saisonarbeiter so viele Jahre auf der Almhütte, dass ihm der Besitzer schon den Schlüssel anvertraut – und plötzlich darf er nicht mehr kommen. Es hat nichts mit ihm zu tun: Das Kontingent für Drittstaatsangehörige wurde gekürzt. Und ein Gastronom mehr weiß nicht, wie er jetzt über die Saison kommt.

Der Westen kämpft um seine Tourismuskräfte. Bislang behalf man sich mit bosnischen und serbischen Mitarbeitern, schildert Lorenz Huber von der WK Salzburg. Doch deren Kontingente wurden gekürzt. EU-Bürger mit freiem Zugang zum Arbeitsmarkt würden „oft schon in der Probezeit wieder aufhören“. Asylberechtigte wiederum ziehe es nach Wien und Inländer seien, meist der Kinder wegen, mobilitätsunwillig: „Auf eine Almhütte vermittelt man nicht so leicht.“

Und dann ist da noch die Sache mit der Mangelberufsliste. Was ein Mangelberuf ist, definiert eine jährliche Verordnung, je nachdem, wie viele (oder besser: wenige) Interessenten sich um die inserierten Stellen bewerben. So bekommen Qualifizierte aus Drittländern vergleichsweise einfach eine Rot-Weiß-Rot-Card ausgestellt.

Das Problem: Die Betriebe haben längst aufgegeben, per Inserat zu suchen. So erfahren Ministerium und AMS nie, wo der Schuh drückt. Huber lapidar: „Wir fürchten uns vor dem Winter.“

Weiter westlich „brummt die Wirtschaft wie schon lang nicht“, freut sich Stefan Garbislander von der WK Tirol. Das wirke sich auf den Arbeitsmarkt aus: Im Tourismus bekomme man „ohnehin immer einen Job“, auch Handel und Gewerbe stellen ein. Und erst recht die exportorientierten technologieaffinen Unternehmen. Garbislanders Wunsch: möglichst viele junge Leute in HTL und technische Lehrberufe zu bringen.

Dafür eröffnete vergangenes Jahr in Kramsach eine HTL für Glas und Chemie, nicht zufällig in der Nähe etwa der Adler-Werke in Schwaz. Auf die Absolventen warten „wunderbare Jobchancen“.

„Nicht so steif“

Noch weiter westlich, in Vorarlberg, mache die Not im Tourismus erfinderisch, sagt Herbert Motter, Sprecher der WK Vorarlberg: Eine Privatschule, von der Sparte selbst (!) als Schulträger betrieben, wird 2017 die Pforten öffnen. „Nicht so steif“ wie eine Hotelfachschule soll sie sein, einen gleichwertigen Abschluss bieten und die Möglichkeit zur Spezialisierung: Wer sich für Wein interessiert, bekommt sein Praktikum beim Weinbauern, der Käseliebhaber in der Sennerei. Im ersten von vier Jahren helfen Bildungscoaches bei der Orientierung. Ziel: die Drop-out-Quote zu senken, „weil diese Jungen der Branche sonst verloren gehen“.

Auch für die bereits im Tourismus Beschäftigten hat man sich etwas einfallen lassen: die Star Card gewährt ihnen dieselben Vergünstigungen wie den Gästen, etwa bei Bahn, Handy oder Fitnessstudio. So will man die Abwanderung in andere Bundesländer stoppen.

Noch etwas fällt Motter auf: der deutliche Zuwachs an Start-ups und EPU. Sie reüssierten im Ländle besser als im Osten, weil die Flagships neugierig auf ihre Ideen sind, weil man einander kennt und die Wege kurz sind. Und das spart Zeit.

(Print-Ausgabe, 16.07.2016)

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