Kinofilme: Kröte, Schwamm und Plastikstein

Plastisch.  „The Lego Movie“ sorgt für klingelnde Kinokassen und erntet auch das Lob der Kritik.
Plastisch. „The Lego Movie“ sorgt für klingelnde Kinokassen und erntet auch das Lob der Kritik.(c) Warner Bros. Picture
  • Drucken

Mit Wohlfühleffekt und multipler Schmähführung unterhalten Filmversionen von Kinderserien und Spielzeugwelten heute Groß und Klein.

Kampfbereit.  Generalüberholt wurden die „Teen-age Mutant Ninja Turtles“, Start ist im Sommer.
Kampfbereit. Generalüberholt wurden die „Teen-age Mutant Ninja Turtles“, Start ist im Sommer.(c) Beigestellt
Wandelbar.  Ein vierter Kinofilm über die „Transformers“ kommt im Sommer 2014.
Wandelbar. Ein vierter Kinofilm über die „Transformers“ kommt im Sommer 2014.(c) Paramount
Schwammig.  Einmal kam „Spongebob“ schon ins Kino, Fortsetzung folgt 2015.
Schwammig. Einmal kam „Spongebob“ schon ins Kino, Fortsetzung folgt 2015.(c) Viacom

Auch solche Szenen lassen sich in einem Wiener Kellerlokal in aller Morgenfrühe beobachten: Dutzende Endzwanziger umzingeln den DJ und verlangen dringend und drängend eine musikalische Nostalgieinfusion. Kurz darauf schreien Männer- und Frauenkehlen ein beherztes „Duck Tales! Uhuhu!“ durch die rauchgeschwängerte Luft. Irgendwann folgt der Ausdruckstanz einiger Anwesender zur Synthie-Kennmelodie von „Knight Rider“. Und dann kommen, unumgänglich, unweigerlich, die Disney-Songs. Für viele aus dieser Generation bedeutet ja die so in Erinnerung gerufene Fernsehkastl-Kindheit eine taugliche Fluchtmöglichkeit aus der Wirklichkeit zwischen wiederkehrenden Praktika und ewigem Prekariat. Der Zeichentrick der Vergangenheit wird zum Vergemeinschaftungserlebnis der Gegenwart.

Möglich gemacht hat das die schöne neue Fernsehwelt: Ende der Achtziger- und Anfang der Neunzigerjahre konnte man in der Schule punkten, wenn die Familie über einen Kabelanschluss oder gar über eine Satellitenschüssel verfügte: Sender wie „RTL plus“ oder „Tele 5“ strahlten jeden Samstag- und Sonntagvormittag viele Stunden Kinderserien aus. Die Welt wurde größer und bunter mit den „Power Rangers“ und der „Gummibärenbande“, wurde abenteuerlicher und aufregender mit den „Teenage Mutant Ninja Turtles“ und den „Masters of the Universe“. Es war ein Universum, dem die Erwachsenen mit Kopfschütteln und Stirnrunzeln, mit allfälligen Verboten, immer aber mit Überforderung begegneten. Dass sich Mama und Papa dazugesetzt haben, war höchstens der Fall, nachdem der Generationen prägende Animations-Blockbuster „Der König der Löwen“ endlich auf Videokassette erschien und als Motivation für etliche „Familienfernsehabende“ herhalten musste.

Keine Frage des Alters. Zwei Jahrzehnte später leben wir in einer kulturellen Gemeinschaft, in der Animationsserien wie „Die Simpsons“ und „South Park“ generationenübergreifende Kultphänomene sind, in der Jugendbuchreihen wie „The Hunger Games“ und „Harry Potter“ zu erfolgreichen Kino-Blockbustern adaptiert werden, in der nicht zuletzt auch die Comic-Szene fest in erwachsener Hand ist. Dass Kinder und Erwachsene von einem Film gleich angesprochen werden, war früher eine Ausnahme und hat sich fast ausschließlich aus dem Output der Hollywood-Chefideologen Steven Spielberg und George Lucas gespeist. Mittlerweile haben die Generationengeschmäcker sich angenähert: Jeder erfolgreiche Film soll den 8-jährigen Schorschi ebenso begeistern wie die 45-jährige Evelin. Auch das Jahr 2014 bietet im Kino mannigfaltige Gelegenheit, persönlich auszutesten, wie gut das Ineinanderfalten von Kindlichem und weniger Kindlichem tatsächlich funktioniert. Denn gleich mehrere Großproduktionen massieren das Nostalgiezentrum in (Jung-)Erwachsenenhirnen, während sie es gleichzeitig auch auf vorpubertäre und vollpubertäre Zuschauer abgesehen haben.

Um diesen Spagat bestmöglich und obendrein gewinnbringend zu vollziehen, plündern Studioköpfe in Hollywood schon seit Langem Kinderzimmer der Vergangenheit. Die „Toys“ oder – im Deutschen weit weniger charmant – „Spielzeuge“ besitzen hohes emotionales Zeitreisepotenzial. Das erfährt man immer wieder auf der Comic- und Figurenbörse in Wien: Hunderte Erwachsene schieben sich durch das Ausstellungs- und Verkaufsareal auf der Suche nach raren Actionfiguren. Erfolgsproduzent Michael Bay hat um ein Kult-Spielzeug der Achtzigerjahre gleich eines der erfolgreichsten Film-Franchises der Gegenwart gebaut: Die „Transformers“, eine außerirdische Rasse, die sich in Windeseile von Mechas, großen Robotern, in ungleich nützlichere Fahrzeuge umbauen oder „transformieren“ lässt, sind die Hauptattraktionen in bisher drei Kinofilmen, ein vierter folgt im Sommer dieses Jahres.

Bay muss überhaupt als Chef-Konstrukteur der aktuellen Reboot/Remake/Remodel-Welle gesehen werden: Mit seiner Produktionsfirma Platinum Dunes zeichnet er auch für die auf Hochglanz polierten Neufassungen ikonischer Horrorfilme der Siebziger- und Achtzigerjahre verantwortlich, etwa „A Nightmare on Elm Street“ und „The Texas Chainsaw Massacre“. Die Regisseure sind in den meisten dieser Produktionen bloß ausführende Agenten für Bays Generalvision. Ehemals grundverschiedene Stoffe, die sich ursprünglich nicht selten in kommerziellen Konkurrenzverhältnissen zueinander befunden haben, werden unter seiner Ägide zu auswechselbaren „Money-Making-Marketing-Movies“ eingeschmolzen.

Viele Erwachsene reagieren vorsichtig verhalten bis wütend und frustriert auf Informationen dazu, welchen Kinderzimmerschatz Michael Bay in seinen formästhetischen Komplex eingliedern will. Auch die „Teenage Mutant Ninja Turtles“ hat es mittlerweile erwischt: vier mutierte Schildkröten mit losem Mundwerk und beträchtlichem Waffengeschick, die in New York gegen den „Shredder“, eine Art Mensch gewordene Müllvernichtungsanlage, antreten und die sich vor allem in den Achtzigerjahren durch eine enorm populäre Zeichentrickserie inklusive angeschlossenem Merchandising und Videospielen in die Kinderhirne eingebrannt haben.

Das Kind im Mann.
Bays Drehbuchautoren haben die Turtles für den in diesem Sommer erscheinenden Kinofilm nicht nur ästhetisch generalüberholt, sondern ihnen auch gleich eine neue Herkunftsgeschichte verpasst. In „Ninja Turtles“ – von Bay-Liebkind Jonathan Liebesman inszeniert – sind sie außerirdischen Ursprungs, stammen von einem Planeten voller Schildkrötenkrieger, während „Shredders“ Fußsoldaten von hirntoten Haudraufs zu militärisch-strategischen Killermaschinen gemacht wurden. 

Das Problem, den eigenen Wurzeln untreu zu werden, hat Lego nicht. Die bunten Spielsteine nahmen immer schon diverse Geschichten in sich auf, waren gleichzeitig Traumgenerator und sehr konkrete feinmotorische Herausforderung. Wie kein anderes Kinderzimmer-Artefakt hat Lego es geschafft, die Interessen verschiedener Generationen zu vereinen. Wer hatte keinen Vater, der „für das Kind“ immer wieder neue Lego-Packungen nach Hause gebracht hat, nur um dann selbst stundenlang die verschiedenen Steckpläne auszuprobieren?

In den vergangenen zehn Jahren hat das dänische Imperium sein Identifikationspotenzial nochmals ordentlich erweitert: Durch Ankauf verschiedener Lizenzen brachte man Merchandising-Sets zu aktuellen Kinofilmen, darunter „Star Wars“, auf den Markt. In Videospielen, zum Beispiel dem Open-World-Meisterwerk „Lego City Undercover“ schlüpft der Spieler in die Rolle eines Männchens und erkundet eine Lego-Stadt. Der darin perfekt inszenierte Humor, eine Mischung aus hintergründiger Popkultur-Parodie und Kalauern, dürfte aktuell auch im ersten abendfüllenden Film zum Tragen kommen. „The Lego Movie“ hat beim Kinostart in den USA nicht nur für volle Kassen gesorgt – auch Kritiker waren aufgrund des galligen Humors, der antikapitalistischen Grundhaltung und der subversiven Geschichte begeistert.

Im Besonderen die zeitgenössische Animationskunst (ob computerisiert oder handgeschöpft) hat viel gelernt, wenn man sie mit abendfüllenden Zeichentricks von vor 20, 30 Jahren vergleicht. Der auffälligste Unterschied liegt im Humorverständnis, eingebettet in eine zumindest halbwegs komplexe Geschichte. Der Schmäh wird in den meisten aktuellen Animationsfilmen geschichtet: Einige Elemente amüsieren die Kids, andere die Eltern, manche auch beide.

Politik und Fürze. Kommerzialisiert hat diese Erzähltechnik Matt Groening mit den „Simpsons“. Politische Subversion steht darin gleichberechtigt neben Furzwitzen, alles ist eingenäht in einen sehr flexiblen Referenzteppich, der ein müheloses Changieren zwischen verschiedenen Erzählgattungen und –haltungen ermöglicht, ohne dass die dramaturgische Architektur ineinander zusammenzufallen droht. Neben „South Park“ ist „Sponge­bob Schwammkopf“ der würdigste und erfolgreichste Erbe dieser ästhetischen und motivischen Verschränkung von all dem, was eigentlich nicht zusammengehört. Die anarchischen Abenteuer des viereckigen Schwamms sind stilprägend in avancierter Schmähführung bei gleichbleibender Relevanz fürs Kinderherz und –hirn.

2015 soll ein zweiter „Spongebob“-Film in die Kinos kommen. Den Schlüsselmoment für das Ineinanderfalten von verschiedenen Generationsinteressen in einen (Film-)Text findet man bereits im ersten Leinwandauftritt des Schwammhelden: Als Spongebob mit seinem besten Freund Patrick droht, am Strand in der Sonne auszutrocknen, werden sie von David Hasselhoff im „Baywatch“-Outfit gerettet. Als lebendes Surfbrett bringt er die infantilen Visionäre nach Hause, was die Freunde zur essenziellen Aussage veranlasst: „I’m riding the Hasselhoff. Nothing can stop us!“ Die Kinderhelden des neuen Jahrtausends reisen auf dem Kinderhelden der Eighties in die Heimat. Komprimierter ist Popkultur nicht mehr zu haben. 

Tipp

The Lego Movie ist schon am 11. April in Österreichs Kinos angelaufen.
Transformers, der vierte Teil, „Ära des Untergangs“, startet im Juli.
Ninja Turtles soll im Oktober in Österreich anlaufen.
Spongebob – einen zweiten Film gibt es voraussichtlich 2015.

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.