Heimische Politiker gratulierten Conchita Wurst zum Song-Contest-Erfolg. Aus Russland kommen indes heftige Reaktionen. Wladimir Schirinowski sagt Europa gar den Untergang voraus.
Während heimische Politiker Tom Neuwirth alias Conchita Wurst zum Erfolg beim 59. Song Contest gratulierten, sorgt der Sieg des Travestiekünstlers in Russland für heftige Reaktionen. Das Ergebnis zeige "Anhängern einer europäischen Integration, was sie dabei erwartet - ein Mädchen mit Bart", schrieb Vizeregierungschef Dmitri Rogosin am Sonntag im Kurznachrichtendienst Twitter. Der nationalistische Abgeordnete Wladimir Schirinowski sagte Europa gar den Untergang voraus. "Unsere Empörung ist grenzenlos, das ist das Ende Europas", sagte Schirinowski, der in Staatsduma als Fraktionsvorsitzender seiner Liberaldemokatrischen Partei Russlands (LDPR) amtiert, im russischen Fernsehen "Rossija". "Da unten gibt es keine Frauen und Männer mehr, sondern stattdessen ein Es", ergänzte der Politiker und fügte hinzu: "Vor fünfzig Jahren (sic!) hat die Sowjetarmee Österreich besetzt und wir waren bis 1955 dort. Es war aber ein Fehler, dem Land die Freiheit zu geben. Wir (unsere Truppen, Anm.) hätten dort bleiben sollen." Er bezog sich auf die Besatzungszeit in Österreichs Osten nach dem Zweiten Weltkrieg.
Song-Contest-Gewinnerin Conchita Wurst ist Sonntagmittag von einer euphorischen Menge am Flughafen Wien empfangen worden. Müde, aber glücklich stellte sie sich anschließend der Presse. Dass ihr Gewinn auch politisch zu verstehen sei, hofft sie sehr. (c) REUTERS (LEONHARD FOEGER) Müde, aber glücklich stellte sie sich anschließend der Presse. Dass ihr Gewinn auch politisch zu verstehen sei, hofft sie sehr: "Es war nicht nur ein Sieg für mich, sondern ein Sieg für die Menschen, die an eine Zukunft glauben, die ohne Ausgrenzung und Diskriminierung funktionieren kann." (c) Die Presse (Stanislav Jenis) Im Halbfinale war sie noch sehr nervös, erzählte sie, im Finale habe sie sich aber richtig gut gefühlt - vor allem, als man sich dann beim Voting erstmals kurz auf Platz 1 befand. "Wir saßen da - und ich habe in die Runde gesagt: wir sind jetzt gerade eine Minute lang auf Platz 1 - genießt das, das wird nicht so bleiben. Dann habe ich gesagt, es sind schon vier Minuten - und dann ging das so weiter. Ich konnte das nicht glauben. Ich glaube, man hat gesehen, wie fassungslos ich war." (c) APA/EPA/GEORG HOCHMUTH (GEORG HOCHMUTH) Das Gefühl des Triumphes lässt für Conchita Wurst noch etwas auf sich warten: "Ich kann es nicht in Worte fassen - ich habe so etwas noch nie gefühlt. (...) Wann habe ich es realisiert? Nächste Woche, glaube ich." (c) APA/EPA/GEORG HOCHMUTH (GEORG HOCHMUTH) Ob Conchita Wurst mit deisem Erfolg gerechnet hat? "Ich bin wahnsinnig vorsichtig, wenn es darum geht, dass ich ein Gefühl habe - aber ich hatte die letzten zwei Tage das Gefühl, dass wir tatsächlich eine reelle Chance hatten." Ihres politischen Auftrags war sich die Kunstfigur aber stets bewusst: "Ich habe nicht damit gerechnet, dass ich gewinne - aber ich habe schon daran geglaubt, dass ich zumindest ein paar Meinungen ändern werde (c) APA/GEORG HOCHMUTH (GEORG HOCHMUTH) "Der Song Contest ist nicht nur eine Anhäufung von Pyrotechnik und nackten Beinen", verteidigt Conchita Wurst die oft belächelte Veranstaltung. "Das sind alles hochkarätige Künstler." (c) REUTERS (SCANPIX DENMARK) "Ich liebe die Frage von Eltern, wie sie das ihren Kindern erklären sollen", schmunzelte Conchita angesichts des heutigen Muttertags. "Es ist der Job von Eltern, ihre Kinder zu toleranten Persönlichkeiten zu erziehen. Und es ist sehr einfach: 'Weißt du, mein Schatz, es gibt Menschen, die sind einfach ein bisschen bunter als andere, und das ist ein junger Mann, der gerne Frauenklamotten trägt und der dafür nicht ausgelacht werden möchte.' Und wenn man das so erklärt, verstehen das die Kinder auch - die sind unterm Strich sowieso viel weiter, als man denkt." (c) APA/ORF/MILENKO BADZIC (ORF/MILENKO BADZIC) Druck verspürt Wurst trotz der gesellschaftspolitischen Signalwirkung dennoch nicht. "Ich bin nicht die Botschafterin der Toleranz, ich trage nur meinen Teil dazu bei", gab sie sich auf entsprechende Fragen hin bescheiden. "Ich sehe das für mich als persönliches Anliegen, aber Gott sei Dank bin ich nicht allein damit." (c) APA/EPA/GEORG HOCHMUTH (GEORG HOCHMUTH) Mit negativen Kommentaren gegen ihre Person beschäftige sie sich dagegen nicht. "Das ist für mich jetzt genauso belanglos, wie es vorher war." Die Sängerin hat ihrem Nachfolger als österreichischer Kandidat 2015 bereits den Weg ins Finale geebnet: "Der nächste Kandidat muss nicht darum zittern, im Finale zu sein - gern geschehen." (c) APA/ORF/MILENKO BADZIC (ORF/MILENKO BADZIC) ''Es war nicht nur ein Sieg für mich'' Gleichzeitig, so zeigte sich in sozialen Netzwerken, wurde der Sieg des Österreichers auch propagandistisch gegen die Ukraine instrumentalisiert. Nachdem bereits kurz nach Wursts Sieg ein scherzhaftes Sujet aufgetaucht war, die Julia Timoschenko mit Bart gezeigt hatte, verbreiteten russische Dumaabgeordnete am Sonntag eine Fotomonage, das führende ukrainische Politiker, darunter auch Timoschenko, gemeinsam Conchita Wurst zeigte. Ukrainisch mit "Wir sind eine europäische Familie" untertitelt sollte das Bild jenen Sittenverfall illustrieren, der Europa nach Sicht russischer Politiker angeblich erfasst haben soll. Ebenso im russischen Fernsehsender "Rossija" hatte der Sänger Danko im Zusammenhang mit dem Sieg Wursts von der "schlimmsten Niederlage der Europäischen Union" gesprochen und davon, dass man nun Europas "wahres Gesicht" gesehen hätte. Der Fernsehmoderator sekundierte: "Das ist ein Requiem auf Europa, das ist das Begräbnis traditioneller Werte." Insgesamt 290 Punkte erhielt Conchita Wurst aus 32 der 37 teilnehmenden Staaten, auch aus Russland kamen fünf Punkte für sie. Russland selbst landete nach den Niederlanden, Schweden, Armenien, Ungarn und der Ukraine auf Platz sieben.
Österreich beim Eurovision Song Contest - das war nicht gerade eine Erfolgsgeschichte. Bisher. Bis Conchita Wursts Sieg wurden die meisten Punkte nur einmal an die Alpenrepublik vergeben und zwar an Udo Jürgens 1966. Selbst er brauchte drei Anläufe für den Sieg. Jürgens trat 1964 mit "Warum nur, warum?" an und kam auf Platz 6 (von 16 Teilnehmern). Im Folgejahr landete er mit "Sag ihr, ich lass sie grüßen" auf Platz vier. (c) ORF (-) 1966 kam dann "Merci Chérie" - bis heute ein Klassiker. Ein viertes Mal in Folge wollte Jürgens nicht mehr antreten. Beim einzigen Song Contest in Wien 1967 kam Peter Horton mit "Warum es hunderttausend Sterne gibt" gerade einmal auf Platz 14 von 17. (c) ORF (ORF) Im Jahr der Umbrüche, nach dem eine ganze Generation benannt wurde, sang Karel Gott für Österreich "Tausend Fenster". Aber auch der tschechische Kultsänger kam bei 17 Teilnehmern nicht über Rang 13 hinaus. (c) Orf Zwei Jahre in Folge, 1969 und 1970, hatte Österreich auf eine Teilnahme beim Song Contest verzichtet. Dann kam eine blutjunge Marianne Mendt und machte "Musik". Europa war von ihrem Auftritt nicht überzeugt: Platz 16 von 18. (c) ORF (-) Von 1973 bis 1975 fuhr kein Österreicher zum Song Contest. Waterloo & Robinson durften 1976 aber: Der Mitschunkel-Hit "My Little World" landete auf dem respektablen fünften Platz (von 18). (c) ORF (Ali Schafler) Nach einigen mittelmäßigen Platzierungen, unter anderem von Lizzi Engstlers Duo Mess und ihrem Radioerfolg "Sonntag" (Platz 9 im Jahr 1982), wurde Mitte der Neunziger ein neuer Tiefpunkt erreicht: Mit "Einfach weg" landete die Sängerin Anita - mit nur fünf Punkten, einem aus Irland und vier aus Dänemark - auf dem 19. und damit letzten Platz. In den österreichischen Charts war sie mit dem Titel trotzdem erfolgreich. (c) ORF (-) Gleich sechs Mal trat Gary Lux für Österreich beim Song Contest an. Seinen größten Erfolg hatte er 1985 mit "Kinder dieser Welt". Er landete auf Platz acht. Zwei Jahre später kam er mit "Nur noch Gefühl" gerade mal auf Rang 20. Bei seinen sonstigen Song-Contest-Auftritten sang er im Hintergrund: Für die Gruppe Westend 1983, für Anita, für Tony Wegas 1993 und zuletzt für Stella Jones 1995. (c) ORF (-) Als Erfolg konnte man da schon Thomas Forstners Auftritt 1989 werten: Der Ohrwurm "Nur ein Lied" landete auf Platz fünf (von 22). Damals war der Blondschopf gerade mal 19 Jahre alt. Die Musik zum Song schrieb übrigens Modern Talking-Mastermind Dieter Bohlen. (c) ORF (Thomas Ramstorfer) Simones Karriere hat der Song-Contest-Auftritt wohl nicht geschadet: Die bis heute erfolgreiche Schlagersängerin reüssierte mit "Keine Mauern mehr" in Österreich zumindest in den Charts - und kam beim Song Contest auf den respektablen 10. Platz (von 22). (c) ORF (Ali Schafler) Weniger erfolgreich war da Thomas Forstner mit seinem unrühmlichen zweiten Auftritt: Seine Ballade "Venedig im Regen" bekam keinen einzigen Punkt und landete auf dem 22. und damit letzten Platz. Das Lied mit dem sinnfreien Text markiert auch den Endpunkt von Forstners musikalischer Karriere. (c) ORF (Ali Schafler) Mehr Esprit zeigte da schon Tony Wegas: "Zusammen geh’n" kam 1992 auf Platz zehn (von 23 Teilnehmern). Die Musik dafür komponierte ebenfalls, wie schon bei Thomas Forstners "Nur ein Lied" im Jahr 1989, Dieter Bohlen. (c) ORF (Ali Schafler) Im Jahr darauf kam der Burgenländer mit "Maria Magdalena immerhin noch auf Platz 14 (von 25). Dann folgten Alkohol- und Drogenexzesse. Inzwischen ist Wegas wieder clean und tritt mit Latino-Liedern auf. (c) ORF (Ali Schafler) "Für den Frieden der Welt" sang die damals erst 15-jährige Petra Frey. Die von den Schlagermusikern Brunner & Brunner komponierte Nummer erreichte nur Platz 17 (von 25). (c) ORF (Ali Schafler) Etwas erfolgreicher war da die Soulmusikerin Stella Jones: "Die Welt dreht sich verkehrt" landete immerhin im Mittelfeld, auf Platz 13 (von 23 Teilnehmern). (c) ORF (Ali Schafler) Der Vorarlberger war der erste Sehbehinderte Künstler, der beim Song Contest Erfolg hatte: Ein respektabler Platz 10 (von 23) für "Weil’s dr guat got". (c) ORF/Ali SCHAFFLER Für die Nicht-Qualifizierung Österreichs im Jahr 1998 war Bettina Soriat verantwortlich: Die Upbeat-Nummer "One Step" glänzte mit Textstellen wie "Auf uns'rem Highway ist schon lange kein Verkehr" oder "Beim Sex bist du so schnell wie Raumschiff Enterprise". Der Song kam nicht mal in die Charts. Mit 12 Punkten landete das Lied auf Platz 21 (von 25). (c) ORF (Ali Schafler) Die 18-jährige Linzerin sang sich 1999 mit "Reflection" auf Platz 10 von 23 teilnehmenden Ländern. Dann kam Singer nur noch einmal in die Schlagzeilen. Im Jahr 2000 sang sie "Before I Die", das Titellied des deutschen Horror-Thrillers "Seven Days to Live". (c) APA (TECHT Hans Klaus) Auch die Rounder Girls konnten in jener Zeit, in der Österreich mit Sanktionen belegt war, keine Spitzenplatzierung herausholen: "All To You" belegte Rang 14 von 24. Das 1993 gegründete Trio musizierte 2009 übrigens zusammen mit Global Kryner, die 2005 für Österreich antraten. (c) ORF (Ali Schafler) Der Oberösterreicher mit spanischem Künstlernamen landete 2002 mit "Say A Word" mit Rang 18 von 24 im letzten Drittel des Teilnehmerfeldes. Danach folgten gute Platzierungen in den österreichischen Albumcharts. Derzeit ist Manuel Ortega als Vocalcoach tätig. (c) ORF (Ali Schafler) Brachialkabarettist Alf Poier sorgte 2003 für die beste Platzierung für Österreich seit 1989: "Weil der Mensch zählt" kam auf den sechsten Platz (von 26). Das war das beste Abschneiden für Österreich beim Song Contest seit 20 Jahren. (c) EPA (Boriss Kolesnikovs) Das Antreten der österreichischen Boyband Tie Break war kein Winner: "Du bist" landete gerade mal auf Platz 21 von 24. (c) ORF (Ali Schafler) Auch neue Volksmusik aus Österreich brachte beim europäischen Liederwettbewerb keine Erfolge ein: "Y Asi" kam nicht einmal ins Finale. Platz 20 von 25 im Semifinale war zu wenig. Die zusätzliche Qualifikationsrunde für den Song Contest wurde übrigens 2004 eingeführt. (c) EPA (Sergey Dolzhenko) Eric Papilaya performte im Semifinale 2007 "Get A Life – Get alive" und wurde enttäuschender 27. von 28. Nur zwei Wochen später trat er mit eben jenem Lied, dem offiziellen Life-Ball-Song 2007, beim Charity-Event am Rathausplatz auf. (c) APA (Ali Schafler/ORF) Drei Jahre in Folge, 2008 bis 2010, verzichtete Österreich auf ein Antreten beim Song Contest. Angespornt vom Hype, den die deutsche Siegerin von 2010, Lena Meyyer-Landrut, auslöste, schickte Österreich 2011 wieder einen Act zum Song Contest. Ex-Starmania-Gewinnerin Nadine Beiler setzte sich in einer ORF-Show durch. Sie meisterte die Semifinal-Hürde in Deutschland, im Finale musste sie sich mit Platz 18 zufrieden geben. (c) ORF (ALI SCHAFLER) Im Jahr davor unterlagen sie knapp Beiler, 2012 waren sie dabei: Lukas Plöchl und Manuel Hoffelner alias Trackshittaz vertraten Österreich beim Song Contest in Baku mit dem Titel "Woki mit deim Popo". Die Mundart-Rapper mussten sich allerdings schon im ersten Halbfinale geschlagen geben. (c) ORF (Ali Schafler) Auch im vergangenen Jahr zog Österreichs Teilnehmerin nicht ins Finale ein: Natália Kelly scheiterte in Malmö im Halbfinbale. Mit "Shine" lag sie am Ende der Show bei 16 Teilnehmern nur auf Platz 14. Doch 2014 änderte alles. (c) APA/ORF/MILENKO BADZIC (ORF/MILENKO BADZIC) Österreichs Beitrag hat sich nicht nur optisch vom restlichen Teilnehmerfeld abgehoben: Tom Neuwirth alias Conchita Wurst siegte mit "Rise Like a Phoenix", einer Ballade, die an James-Bond-Titelsongs erinnert. Nach einem spannenden Kopf-an-Kopf-Rennen verwies die bärtige Diva bei der Punktewertung die Niederlande mit 290 zu 238 Punkten letztlich klar auf Platz 2. (c) APA/ORF/MILENKO BADZIC (ORF/MILENKO BADZIC) Legenden und Nullnummern aus Österreich (APA)
Lesen Sie mehr zu diesen Themen: