Warum wir der Unruhe nie entrinnen, Projekte so lieben und keine Stoiker werden können: Ein Gespräch mit dem Philosophen Ralf Konersmann, Tractatus-Preisträger des am Donnerstag startenden Philosophicum Lech.
Die Presse: „Stress“, „Burnout“ – jeder weiß, was damit gemeint ist. Vor hundert Jahren sprach man mehr von „Nervosität“, liest man in Ihrem „Wörterbuch der Unruhe“. Was hat sich geändert?
Ralf Konersmann: Die Nervosität wurde eher als kollektives Schicksal erlebt. Mit Nervosität meinte man in erster Linie die Atmosphäre der großen Stadt. In den Berichten über die Großstadt wird sie als etwas Pulsierendes geschildert, sie hat ein Eigenleben, alles geht schneller, die Eindrücke überfluten einen. Das Wort „Stress“ hingegen steht mehr für einen Rückzug auf den Einzelnen. Stress wird vor allem als private Herausforderung gesehen, für die jeder seine eigenen Lösungen finden muss. Dieses Denken setzt auch voraus, dass Unruhe als eine Normalität behandelt wird.