"Prometheus": Der außerirdische Albtraum

Prometheus ausserirdische Albtraum
Prometheus ausserirdische Albtraum(c) AP (Kerry Brown)
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Anfang August startet mit "Prometheus" - Dunkle Zeichen« Ridley Scotts Vorgeschichte zur legendären Science-Fiction-Saga, die er 1979 einleitete: "Alien" war damals ein clever konzipierter Hit.

Nur drei Worte hatte der Satz, mit dem das Drehbuch zu „Alien“ in Hollywood erfolgreich an den Mann gebracht wurde: „,Jaws‘ in space“ – „,Der weiße Hai‘ im Weltraum“. Rückblickend wie eine Definition der feuchten Zukunftsträume Hollywoods: Das nunmehr längst dominierende Blockbustersystem aus vermeintlich programmierten Großproduktionserfolgen war im Prinzip gerade aus der Taufe gehoben worden, und das Modell dafür lieferten genau Steven Spielbergs Haifisch-Horror-Hit und „Star Wars“ von George Lucas, durch den das totgesagte Science-Fiction-Genre ein Comeback feierte.

„Alien“ war bei seinem Erscheinen 1979 dann tatsächlich ein Kassenerfolg – aber auch mehr: Es war die Geburt eines Kinomythos, der sich nicht nur in einer Serie von Fortsetzungen niederschlug. Der Erfolg ist leicht zu erklären, die Fusion von Horror und Science-Fiction war aufgegangen. Drehbuchautor Dan O'Bannon gab freimütig zu: „Ich habe ,Alien‘ nicht von jemandem gestohlen. Ich habe von allen gestohlen!“


Sinnbild von Sex und Tod. Für Genrefans waren die Vorbilder unschwer zu identifizieren: Ganze Handlungsbrocken orientieren sich an Klassikern wie „Das Ding aus einer anderen Welt“ (1951), „Alarm im Weltall“ (1956) oder „Planet der Vampire“ (1965) von Italo-Maestro Mario Bava. Doch das Drehbuch köchelte die Einflüsse zum packend geradlinigen Horrortrip herunter: Die Begegnung einer ahnungslosen Raumschiffcrew mit dem außerirdischen Ungeheuer des Titels war die Weltallversion eines Slasher-Films, mit dem wesentlich unheimlicheren Alien statt eines menschlichen Killers.

Das originelle Monsterdesign des Schweizer Surrealisten H.R. Giger tat ein Übriges: zugleich konventionelle Kinoterrorkreatur und grauenerregend schönes Sinnbild – ein Albtraum von Sex und Tod. Um den Schrecken schick in Szene zu setzen, hatte man Ridley Scott geholt, Vertreter eines gerade aufkommenden britischen „Cinéma du look“: in der Werbebranche geschulte Spezialisten für schmucke Sets und Bilder. Scott etablierte die für alle „Alien“-Filme typische Palette: ein Wechselspiel aus Düsternis und Verfall (planetarischer Müll, Höhlen und Interieurs wie Katakomben) sowie der trügerischen Sicherheit steriler weißer Rückzugsräume. Es wurde auch ein Erzählmuster vorgegeben: Die erste Hälfte, als die aus dem Tiefschlaf erwachten Raumfahrer kaum wissen, wie ihnen geschieht, hat eine bestechende Atmosphäre somnambuler Orientierungslosigkeit. Die zweite Hälfte schwenkt brachial um zur geradlinig eskalierenden Konfrontation mit dem Monster.

Zur effektiven B-Film-Handlung kam aber ein anspielungsreicher Überbau mit psychoanalytischer und kunstgeschichtlicher Metaphorik: Die Form des Aliens, wie es in der legendären „Chestburster“-Szene aus dem Brustkorb eines Astronauten (John Hurt) hervorbrach, war an Francis Bacons gefeiertes Gemälde „Drei Studien zu Figuren am Fuße einer Kreuzigung“ angelehnt. Nicht nur der Raumschiffsname „Nostromo“ verwies auf Joseph Conrads Kolonialgeschichten. Der Bordcomputer wurde „Mutter“ genannt, ein undurchschaubarer Android (Ian Holm) stellte Isaac Asimovs „Drei Gesetze der Robotik“ bewusst auf den Kopf – im Interesse der Firma, für die das Schiff unterwegs ist. Die Bedrohung durch das Alien verschmolz mit allumfassender antikorporatistischer Paranoia.

Unter vielen Exegeten des „Alien“-Universums ist die heimische Nobelpreisträgerin Elfriede Jelinek die 1997 in der Filmzeitschrift „Meteor“ ganz in diesem Sinne festhielt: Es gehe darum, „wie trügerisch Naturhaftigkeit ist und daß auch gezeigt wird, daß sie möglicherweise sogar die raffiniertere Form des Gemachten ist, da man ja nicht weiß, ob das Alien nicht von Der Firma hergestellt wurde bzw. ob Die Firma nicht überhaupt das Alien IST.“


Actionheldin. Natürlich widmete sie sich auch der außerordentlichen Frauenfigur, die den Aliens (oder der Firma?) Paroli bietet: „Inzwischen wächst Das Kartell selbst organisch, es kann nicht anders, wie die Natur, und die einzige Konstante in den ,Alien‘-Filmen ist die Heldin, Ripley, Sigourney Weaver, sie ist die einzige, die immer gleich bleibt, nicht einmal altert, denn sie reist ja so durch die Zeit, dass diese, für sie, nicht vergeht.“ Die Urfassung des „Alien“-Drehbuchs hatte „Unisex-Figuren“: egal, ob Mann oder Frau. Die Hauptfigur weiblich zu machen, erwies sich als Glücksfall: Die Rolle als dritte Offizierin Ripley machte die 30-jährige Darstellerin Sigourney Weaver zum Star. Actionheldinnen gab es im Kino schon immer, aber in Blockbusterfilmen waren und blieben starke Frauenfiguren eine Seltenheit. Auch wenn die progressive Absicht etwas unterminiert wird, indem sich Ripley am Ende nochmal in Gefahr begibt, um ihre Katze zu retten.

Umso überzeugender dafür Ripleys Einsatz für ihre Ersatztochter, ein kleines, durch Alien-Attacken verwaistes Mädchen, in „Aliens“ (1986), dem besten Film der Serie: Regisseur James Cameron war klar, dass er die Fortsetzung anders anlegen musste, zumal inzwischen zahllose fahle Imitate des ersten Teils die Videotheken überschwemmten. Also kreuzte er Science-Fiction- und Kriegsfilm unter Rückgriff auf unverwendetes Material seines Drehbuchs für „Rambo 2“. Als Ripley nach Dekaden des Tiefschlafs auf die Erde kommt, zeigt sich, dass die Firma inzwischen den Alien-Planeten kolonisiert. Ein Trupp harter Marines geht mit Ripley auf Rettungsmission. Die Invasion der US-Soldaten des Gebiets eines zahlenmäßig überlegenen Gegners ist einfach zu deuten: „Die Parallelen zu Vietnam sind klar“, sagte Cameron selbst – „große Feuerkraft aber wenig Intelligenz, das hat nicht funktioniert.“

Umso besser funktionierte Camerons Action-Inszenierung, die zugleich der Charakterentwicklung diente. Nach sorgfältigem Spannungsaufbau in der ersten Hälfte des Films geht es mit gesteigerter Kinetik aus hoffnungslosen Situationen stets in noch schlimmere Gefilde, bis zur furiosen Konfrontation mit der Alien-Königin, die Ripley als Menschmaschine mithilfe eines Laderoboters bekämpft. Den damit zementierten Status der „Alien“-Filmreihe konnten schwächere Fortsetzungen nicht mehr untergraben.

In der Strafkolonie. 1992 schickte David Finchers Spielfilmdebüt „Alien 3“ Ripley buchstäblich in die Strafkolonie. Mit Glatze war Weaver eindrucksvoller denn je, der Showdown schien endgültig – Ripley trägt das Alien in sich und zieht dramatische Konsequenzen. Leider dominiert davor das wirre Drehbuch. Fast logisch, dass Jean Pierre-Jeunet 1997 im vierten Teil „Alien – Die Rückkehr“ teils auf humoristische Unterwanderung setzte. Schließlich ist Ripley selbst nur mehr ein Klon – und hat entsprechende Identitätsprobleme. Weaver stieg danach jedenfalls aus.

Weiter Alien-Horror zu Geld machen sollte dann die Fusion mit einer anderen Franchise: Das robuste, doch inhaltlich dünne Spektakel „Aliens vs. Predator“ (2004) von Paul W.S. Anderson wurde im Vorfeld von „Alien“-Veteranen angefeindet, vor allem Weaver und James Cameron. Als der schließlich den Film sah, konzedierte er überrascht: „der drittbeste ,Alien‘-Teil“. Das wird vom zweiten Streich „Aliens vs. Predator 2“ (2007) niemand behaupten: Es ist endgültig billige Fließbandware. Nun hat sich Ridley Scott höchstselbst zur Gegenbewegung entschlossen: 33 Jahre nach seinem „Alien“ erzählt er in „Prometheus – Dunkle Zeichen“ eine Art Vorgeschichte, die vor prätentiösen Absichten strotzt. Was sich nicht mit den Stärken der Reihe verträgt: ohne die klare Linie des Originals führt das ins Wirrwarr. Noch schmerzlicher fehlt Ripley – keine der neuen Figuren hat nur den Bruchteil ihrer Faszinationskraft. Man lernt: Wenn es eine Autorenpersönlichkeit beim „Alien“-Phänomen gibt, dann ist es kein Regisseur oder Drehbuchautor, sondern Sigourney Weaver.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 22.07.2012)

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