Politsatire: Cola oder Freiheit zu verkaufen

Politsatire Cola oder Freiheit
Politsatire Cola oder Freiheit(c) Filmladen
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Der Chilene Pablo Larraín schildert in "No" ironisch die Werbekampagne gegen Pinochet, mit Originalmaterial. Im Kino.

Der Spruch des Werbefachmanns ist immer derselbe, egal, ob er für ein chilenisches Cola wirbt – oder gegen das alte Pinochet-Regime: „Was wir sehen werden, passt in den aktuellen sozialen Kontext“, stellt René Saavedra (gespielt von Mexikos Jungstar Gael García Bernal) seine Werbeclips vor. Das Land sei dafür bereit, die Bürger hätten gesteigerte Ansprüche an die Wahrheit – und Produkte: „Seien wir uns ehrlich: Chile denkt an seine Zukunft.“

„Free“ heißt die Cola-Marke, die Saavedra am Anfang von Pablo Larraíns Filmsatire „No“ vorstellt. Sein nächster Job verspricht tatsächlich Freiheit. Seit anderthalb Dekaden ist Diktator Pinochet an der Macht, wegen internationalen Drucks muss er sich 1988 einer Volksabstimmung über seinen Verbleib im Amt stellen. Im Vorfeld des Referendums wird der Opposition erstmals Sendezeit im Fernsehen zugestanden: einen Monat lang 15 Minuten täglich, spätnachts. Eine Bagatelle, sollte man meinen.

Doch dann wird der eigentlich apolitische Saavedra für die Kampagne gegen Pinochet engagiert – und krempelt die Werbelinie marktbewusst um: „Demokratie“ ist schon als Schlüsselwort von den Machthabern besetzt, also hält Saavedra ein knappes „Nein“ als Motto entgegen. Um das „No“ aber auch unter das Volk zu bringen, wird es mit Regenbogenfarben oder Donauwalzer-Untermalung („No-no, no-no“) positiv besetzt: Ein „Nein“ für die Zukunft sozusagen. Anklagen gegen die Militärdiktatur und ihre Untaten werden dagegen tunlichst vermieden, um keine schlechten Wellen auszusenden: Das sorgt freilich für erhebliche Unzufriedenheit bei vielen Veteranen.

Um solche Ironien baut Regisseur Larraín in „No“ den Abschluss einer Filmtrilogie über die Pinochet-Ära in Chile: Nach zwei kühlen Kunstfilmen – sein Debüt „Tony Manero“ begleitete einen Discofieber-Serienmörder in John-Travolta-Kluft – hat Larraín für diese schlaue Politsatire überraschend die Gangart gewechselt. Der schneidende Zynismus der früheren Filme ist bei aller Zwiespältigkeit abgemildert, das nahende Referendum liefert einen Spannungsbogen, daneben dominiert Komik.

Im Videoformat der Spots von 1988

Dafür sorgt einerseits das Originalmaterial: Gut ein Viertel des Films sind echte Spots und Sendungen von 1988, sein eigenes Material hat Larraín angeglichen und ebenfalls auf obsoleten U-Matic-Videobändern im 4:3-Bildformat gedreht. Das eigenartig ausgebleichte, überbelichtete Aussehen trägt zu einem Zeitreisegefühl bei, während die Handlung auf eine zeitlose Ironie zusteuert – die Zukunft ist ungewiss, bis auf ihre Warenform. Saavedra, dessen Mittelstandsexistenz mit neuer Mikrowelle sich dem Aufschwung unter Pinochet verdankt hat, sucht am Ende neue Aufgaben – und bewirbt eine Seifenoper. „Chile denkt an seine Zukunft.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.05.2013)

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