„Blutgletscher“: „Ja! Horror! Horror! Horror!“

„Blutgletscher“
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Regisseur Marvin Kren und Drehbuchautor Benjamin Hessler im Gespräch über ihren Film „Blutgletscher“, deutsch-österreichische Reibungen und den Reiz der Apokalypse.

Die Presse: Wie Ihr Debüt „Rammock“ ist „Blutgletscher“ ein Horrorfilm, aber Sie legen Wert auf Humor, Charaktere und allegorisches Potenzial: Die Zombie-Invasion in „Rammbock“ spiegelte soziale Panik, nun gibt es eine ökologische Katastrophe: Ein verseuchter, roter Gletscher schmilzt, sein „Blut“ lässt Tiere zu Monstern mutieren, die das Team einer Forschungsstation attackieren. Ist Horror für Sie ein Grundanliegen oder nur ein Vehikel?

Marvin Kren: Eine Aufdeckerfrage, wir sagen besser gar nichts mehr! Als Filmemacher muss man ja schauen, wo man sich positioniert – und ein Genreregisseur muss da eigentlich sagen: Ja! Horror! Horror! Horror! Aber uns interessiert beides, auch wenn wir schon eine Leidenschaft für gefährliche Filme teilen, für ein Körperkino – aber auch die Lust, einfach schnell Filme zu machen!

Benjamin Hessler: Meine frühesten, intensivsten Erinnerungen sind schon Gruselerinnerungen. Es ist toll, dass wir uns zu einer Zeit getroffen haben, zu der wir unser geteiltes Interesse umsetzen konnten: Solche Genreproduktionen sind ja jetzt sehr gesucht.

Sehen Sie das Horrorkino auch als eine Chance, sich von dem Einheitsbrei abzugrenzen, der immer stärker im sogenannten Arthouse-Film in Europa dominiert?

Kren: Definitiv. Einen Horrorfilm zu machen, zu verkaufen, selbst die Arbeit mit den Schauspielern hat eine ganz andere Energie, etwas Offensives. Bei den paar Kurzkunstfilmen, die wir davor gemacht haben, musste man sich zurücknehmen, sehr nachdenklich sein... Uns liegt das Genre sehr: Meine Neigung zum Provokanten trifft sich gut mit Bens intelligenter, humorvoller Art.

„Rammbock“ entstand ganz billig für das „Kleine Fernsehspiel“ des ZDF, und „Blutgletscher“ hatte jetzt auch kein unbegrenztes Budget. Inwiefern beschränkt man sich da schon beim Schreiben?

Hessler: Ich schreibe natürlich nichts Unmögliches wie „...und dann brennt Rom“! Aber innerhalb bestimmter Grenzen arbeite ich erst einmal frei. Für „Blutgletscher“ hatten wir Dutzende von Monstern entworfen, aber es musste sich dann eben auf diejenigen beschränken, die realisierbar waren.

Kren: Die erste Fassung war unfinanzierbar! Ich musste mit Kameramann und Produktion herauszufinden, was überhaupt möglich ist, das gab ich an Ben weiter. Wir wussten erst gar nicht, wie man so einen Film macht – dafür gibt es hier einfach keine Expertise.

War von Anfang an klar, dass die Monster hauptsächlich analog sein würden?

Kren: Was analog oder digital geht, war erst ungewiss. Es sollte nur definitiv „Old school“ sein. Daher finden wir es gut, dass man die Monster nur kurz sieht – die Vorstellungskraft des Zusehers denkt sie zu Ende!

Hessler: Unsere Theorie ist: Der Mensch weiß beim Digitalbild – egal, wie gut –, dass es nur ein Computerbild ist. Immer bleibt ein Rest von Geisterhaftigkeit, das Gefühl: Das war nie wirklich da! Aber es gibt da zwei Schulen: Die andere will „Herr der Ringe“.

Bei diesen Digitalspektakeln sehe ich vor meinem geistigen Auge eigentlich immer nur Hunderte von Programmierern heldenhaft in die Tastaturen klopfen...

Hessler: Das Problem ist: Computererzeugte Dinge wiegen nichts, das merkt man. Aber es bringt nichts, puristisch zu sein: Digitale Nachhilfe kann die Wirkung verbessern! Unlängst habe ich gelesen, das der letzte Hollywood-Blockbuster ohne einen einzigen Computereffekt Spielbergs „Indiana Jones und der letzte Kreuzzug“ war – von 1989!

In Ihren beiden Filmen entsteht Komik durch deutsch-österreichische Reibungen.

Kren: Nun, klar: Ich bin Österreicher, Ben ist Deutscher! Er macht sich über uns lustig und ich mich über sein Piefketum!

Hessler: Das fällt vor allem Österreichern auf! Es gab deutsche Internet-Kommentare zu „Rammbock“: „Ich hab es nicht ausgehalten, weil der Hauptdarsteller so Bayerisch sprach!“ Das Österreichisch wurde gar nicht erkannt! Ich liebe die Arbeit mit Dialekten. Als Deutscher merke ich, wie man manches auf Österreichisch besser ausdrücken kann.

Und was zieht Sie zum Thema Apokalypse?

Kren: Das frage ich mich schon von klein auf! Zum einen ist es wohl eine seltsame männliche Fantasie: der einzige Mensch auf der Welt – wie traurig und zugleich schön! Aber um jede Jahrtausendwende manifestieren sich apokalyptische Ängste im kollektiven Bewusstsein, auch in allen Kunstformen.

Hessler: Dabei sind Marvin und ich privat absolut lebensbejahend. Wir freuen uns auf die Zukunft! Vielleicht kommt der apokalyptische Geist aus den Tiefen des Bewusstseins? Und bei „Blutgletscher“ war der Klimagedanke wichtig – da geht's halt um alles!

Haben Sie zum Klimawandel genauer recherchiert oder war das nur Hintergrund?

Hessler: Bei der Arbeit gibt es immer ein Auf und Ab. Mitten in so einem Ab hab ich im Internet recherchiert und mich dann richtig geärgert über positive Meldungen. Etwa, als ich las, dass sich der Gletscherschwund verlangsamt: „Verdammt, ausgerechnet jetzt!“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 01.10.2013)

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