Scarlett Johansson: „Nur vordergründig Pornografie“

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In „Don Jon“ spielt Scarlett Johansson eine Frau, deren Partner an Pornosucht leidet. Ein Gespräch über Wunschbilder, Fantasien – und die Fadesse von Sex-Appeal.

Mit gerade einmal 28 Jahren ist Scarlett Johansson eine Veteranin im Filmgeschäft. Schon als Kind spielte sie ihre ersten Hauptrollen. Mittlerweile kann sie auf eine beinahe zwei Jahrzehnte lange, erfolgreiche Karriere zurückblicken. Früh äußerte sie den Wunsch, Schauspielerin zu werden. Und das ist bei dem Vornamen auch nicht verwunderlich. Denn die Eltern nannten ihre Tochter nach der Protagonistin Scarlett O‘Hara aus dem Roman „Vom Winde verweht“, der 1939 mit Vivien Leigh verfilmt wurde. Ihren internationalen Durchbruch feierte Scarlett Johansson als 14-Jährige an der Seite von Robert Redford in „Der Pferdeflüsterer“. Seitdem hat sie mit namhaften Regisseuren wie Sofia Coppola („Lost in Translation“), Brian de Palma („Black Dahlia“) oder Woody Allen („Vicky Christina Barcelona“) gedreht.

2008 heiratete sie ihren Schauspielkollegen Ryan Reynolds, doch das Paar ließ sich knapp drei Jahre später scheiden. Seit August ist sie nun mit dem französischen Journalisten Romain Duriac verlobt. Ihre Körpergröße von nur 1,60 Metern steht in einem merkwürdigen Kontrast zu ihrer ungewöhnlich tiefen und voluminösen Stimme. Das „Schaufenster“ trifft sie auf dem Filmfestival in Toronto, wo sie ihren neuen Film „Don Jon“ vorgestellt hat: In dieser Komödie spielt sie eine idealistische junge Frau namens Barbara, die glaubt, die große Liebe gefunden zu haben. Doch ihre Beziehung wird auf eine harte Probe gestellt, als sie herausfindet, dass ihr vermeintlicher Traumprinz (Joseph Gordon-Levitt) süchtig nach Internetpornos ist. Gordon-Levitt spielt nicht nur die Hauptrolle, sondern hat auch das Drehbuch geschrieben und zum ersten Mal Regie geführt.

Sie sind sehr wählerisch, wenn es um Ihre Rollen geht. Was hat Sie an diesem Thema und der Frau, die Sie darstellen sollten, gereizt?

(c) Luna Filmverleih

Ich fand tatsächlich das Thema spannend. Denn hier geht es ja nur vordergründig um Pornografie. Egal, ob es sich nun um Pornografie, romantische Komödien, Werbeinhalte oder Hochglanzmagazine handelt: Wir werden ständig mit Ansprüchen und Wunschbildern konfrontiert, die unerreichbar sind. Trotzdem orientieren wir uns an ihnen. Und es ist doch so, dass diese Ideale, die wir ständig auf die eine oder andere Weise konsumieren, sogar unsere zwischenmenschlichen Beziehungen beeinflussen. Und mit dieser Gemengelage hat Jo (Joseph Gordon-Levitt, Anm. d. Red.) gespielt. Er wollte demonstrieren, wie verrückt das Ganze eigentlich ist.

Sie sind mit Joseph Gordon-Levitt befreundet. Er hat die Rolle für Sie geschrieben. Inwieweit konnten Sie denn Einfluss auf das Drehbuch nehmen?

Jo hat mir den allerersten Entwurf gezeigt. Wir haben zeitweise auch gemeinsam am Drehbuch gearbeitet, er und ich haben Szenen für unsere jeweiligen Charaktere geschrieben. Er fand es gut, dass ich meine weibliche Sichtweise eingebracht habe. Und so haben wir unseren Charakteren Leben eingehaucht. Er war von dieser Art der Zusammenarbeit begeistert.

Ist es nicht auch ein gewisses Risiko, mit jemandem zu arbeiten, der zum ersten Mal Regie führt?

Er wusste von Anfang an ganz genau, was er wollte und wie die Szenen aussehen sollten. Ich würde mir wünschen, dass jeder Regisseur, mit dem ich zusammenarbeite, so viel Selbstvertrauen hat wie er. Für mich war es eine besondere Ehre, dass ich bei seinem ersten Mal dabei sein durfte.

Im Film spielen Sie eine Frau, die ihren Partner nach ihren Vorstellungen verändern möchte. Können Sie dieses Verhalten nachempfinden oder ist es Ihnen total fremd?

Wir sind doch alle ein bisschen wie die Frau, die ich spiele. Wir nehmen unsere Partner nicht so, wie sie sind, sondern versuchen, sie in unsere Schablonen zu pressen. Wir stellen uns vor, eine Beziehung ist einfacher, wenn der andere sich so verhält, wie man es will. Und in diesem Denkmuster ist es sogar am allerbesten, wenn der andere so reagiert wie man selbst. Wir sollten uns aber immer wieder bewusst machen, dass Beziehungen so nicht funktionieren. Wir müssen uns auf unseren Partner einlassen und sein Anderssein akzeptieren. Wir müssen miteinander Kompromisse schließen, sonst klappt es nicht.

In fast jeder Szene haben Sie einen Kaugummi im Mund. Ist das nicht normalerweise beim Drehen strengstens verboten?

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Da ich sowieso jemand bin, der viel Kaugummi kaut, habe ich nur nach einer Gelegenheit gesucht, das auch in einem Film auszuschlachten. Normalerweise muss ich ihn ja rausnehmen, wenn die Kamera läuft, doch diesmal stand sogar jemand immer mit einer frischen Packung Kaugummi bereit. Das war großartig. Das ständige Kaugummikauen meiner Figur symbolisiert, dass sie ständig etwas konsumieren oder zu tun haben muss.

Sie werden häufig als sinnliche Frau mit Sex-Appeal besetzt. Fühlen Sie sich manchmal zu sehr auf diesen Rollentyp reduziert?

Ich möchte generell nicht auf einen bestimmten Rollentyp festgelegt werden, ob sexy oder nicht. Als ich jünger war, hatte ich das Glück, sehr viele ambivalente Charaktere spielen zu dürfen – Mädchen, die heranwachsen, die zu Frauen werden, deren Leben sich entscheidend verändert. Und genauso ging es mir damals ja in meinem Leben auch. Nicht nur ich habe mich weiterentwickelt, auch meine Rollen. Nun spiele ich erwachsene Frauen, dynamische Charaktere. So ist der Lauf der Dinge. Es fühlt sich so an, als würden sich für mich die richtigen Dinge zum richtigen Zeitpunkt ergeben.

Sie wollten schon als kleines Mädchen Schauspielerin werden. Inwieweit hat Ihr Großvater, der Drehbuchschreiber und Regisseur war, Sie darin bestärkt?

Ich habe meinen Großvater leider nie kennengelernt, aber die Kultur seiner Heimat. Ich habe dänische Wurzeln, mein Vater kommt aus Kopenhagen und lebte dort, bis er Ende zwanzig war. Zu Hause sind wir mit viel dänischer Kultur aufgewachsen.

Wie dürfen wir uns das vorstellen?

Meine Mutter ist jüdisch, aber wir haben immer Weihnachten gefeiert, weil wir diese Tradition des dänischen Weihnachtsfestes so sehr mochten. Wir sind auch zu den verschiedenen Erntedankfesten der dänischen Kirche gegangen. Und mein Vater hat uns oft dänische Lieder vorgesungen. Mein Vater ist Architekt, er hat mir viel über dänisches Design beigebracht.

Sprechen Sie denn ein bisschen Dänisch?

Nein, leider nicht. Meine Eltern haben Dänisch miteinander gesprochen, mir kam es so vor, als würden sie es als eine Art Geheimsprache benutzen, die kein anderer versteht außer ihnen. Leider. Deswegen haben wir Kinder, meine Geschwister und ich, es nicht gelernt.

Seit Sie ein Teenager waren, haben Sie als Schauspielerin Erfolg. Wem müssen Sie noch etwas beweisen?

Ich habe immer das Gefühl, dass ich mich vor mir selbst beweisen muss. Aber das ist auch gut so, denn sonst würde ich bequem werden und das ist nicht gut. Ich finde es positiv, immer ein bisschen die Angst im Nacken zu haben, auch versagen zu können. Aber es ist nicht wirklich Angst, eher ein Gefühl von Unsicherheit.

Es ist also egal, was Sie vorher gemacht haben und wie erfolgreich Sie mit Ihrer Arbeit waren?

Schauspieler sind eine seltsame Mischung, eine komische Spezies. Einerseits musst du natürlich an dich glauben. Du musst dir sagen, dass du es kannst und dass du die Richtige für die Rolle bist. Und doch braucht man diese Unsicherheit, um wirklich gut zu sein. Ich nehme gern Rollen an, von denen ich zunächst keine Ahnung habe, wie ich sie spielen soll. Und es ist gut, wenn du erst einmal unsicher bist und vor einem Rätsel stehst.

Sie arbeiten immer wieder mit anspruchsvollen Regielegenden im Arthouse-Genre. Trotzdem tauchen Sie in erster Linie in den Top-Ten-Listen der „sexiesten“ Frauen auf. Wie gehen Sie damit um?

Das ist nun einmal so ein Nebenprodukt, wenn man Kurven hat. . . Aber ganz im Ernst: Darüber denke ich nicht nach, niemals. . Außer wenn ich in Interviews ständig nach Sinnlichkeit und „Sex-Appeal“ gefragt werde. Aber ich habe wirklich überhaupt nichts dazu zu sagen, weil dieses Thema so langweilig ist.

Aber es ist doch auch besser, als auf der Liste der zehn unattraktivsten Schauspielerinnen zu landen.

Definitiv. Es wäre natürlich nicht so gut, wenn die Leute über mich sagen würden, kannst du glauben, wie grottenmäßig schlecht Scarlett Johansson aussieht?

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