Seigner: "Hier ist die Frau einmal der Chef!"

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Als "Venus im Pelz" spielt Emmanuelle Seigner wieder für ihren Ehemann, Roman Polanski. Zur Premiere kam sie nach Wien. Ein Gespräch über Polanski und Punk, politisch korrektes Einheitsdenken und Frankreichs Niedergang.

Die Presse: „Venus im Pelz“ ist Ihr erster Film seit 14 Jahren für Ihren Ehemann, Roman Polanski. Ein Zweipersonenstück frei nach Sacher-Masochs gleichnamiger Novelle: Sie kommen als Aktrice zum Vorsprechen zu einem von Mathieu Amalric gespieltem Theaterregisseur, es beginnt ein erotischer und künstlerischer Machtkampf. Eigentlich ist es eine Komödie.

Emmanuelle Seigner: Genau, es ist ein sehr lustiger Film. Komödien haben den Vorteil, dass man Dinge ausprobieren und ein wenig übertreiben kann, wie im Cabaret. Vor allem aber ist es eine tolle Rolle – meistens muss man als Darstellerin ja heucheln, dass man mit einer schlechten Rolle glücklich ist. Außerdem ist es ein feministischer Film: Im Kino sind Frauen meist Prostituierte oder Objekte, das langweilt mich. Hier ist es ein Vergnügen, dass die Frau einmal der Chef ist und dem Mann eine gute Lektion erteilt!

Der Stoff ist wie gemacht für Polanski.

Ja, er hat alle seine Themen! In 25 Jahren habe ich Roman noch nie so begeistert und obsessiv bei der Arbeit erlebt. Er hat der Bühnenvorlage nur seine surrealen Elemente beigefügt. Wie der Auftritt meiner Figur mit dieser Tasche, aus der sie Dinge herausholt wie Mary Poppins, dabei aber diese Ungewissheit: Ist sie jetzt nur eine Schauspielerin oder eine griechische Göttin – oder gar die wiedergeborene Wanda von Sacher-Masoch aus dem 19.Jahrhundert? Ist das alles nur ein Traum? Das war ja schon in Romans Klassikern wie „Rosemaries Baby“ so: Spielt sich alles nur in ihrem Kopf ab?

Haben Sie in die Rolle eigene Erfahrungen von Castings einfließen lassen?

Nein, glücklicherweise musste ich das nie machen. Ich würde es auch nicht tun: Wahrscheinlich bin ich zu stolz dafür. Ich möchte nie in so einer Situation sein und würde mich auch nie so verhalten wie meine Filmfigur. Auch wenn ich genossen habe, es zu spielen. Man macht ja Filme, um Dinge zu machen, die man im Leben die tun würde.

Sie mussten nie vorsprechen? Wurden Sie einfach als Model zum Film geholt? Sie begannen ja mit 14 Jahren als Mannequin.

Ich hatte Glück: Am Anfang meiner Filmlaufbahn, mit 19 Jahren, engagierte mich Jean-Luc Godard für „Détective“ (1985). Ich hatte den Eindruck, dass mich Godard nicht besonders mochte, weil ich so geradeheraus war, aber es war eine gute Visitenkarte: sehr chic. Bald kam Polanskis „Frantic“ (1989), wir verliebten uns beim Dreh, und ich heiratete Roman noch im selben Jahr. Bei unseren späteren Filmen wie „Bitter Moon“ (1992) warf man mir vor, ich würde doch nur von meinem Ehemann gefördert – auch jetzt wieder, bei „Venus im Pelz“! In Frankreich lehnt man mich als Schauspielerin ab, weil man mich für zu verwöhnt hielt. Dort gibt es eine geradezu kommunistische Haltung: Sie wollen, dass du arm bist und hässlich – am besten wäre ich auch noch eine Zwergin. Dann wären sie glücklich.

Ihr Partner Amalric hat ja eine verblüffende Ähnlichkeit mit dem jungen Polanski: Wenn Sie ihn zwingen, Frauenkleider anzuziehen, erinnert das an Polanskis Auftritt in seinem eigenen Film „Der Mieter“.

Das ist Zufall, aber auch sehr lustig. Und fügt dem Film etwas hinzu. Überhaupt fühlt sich „Venus im Pelz“ nicht an wie der Film eines alten Mannes. Romans letzte Arbeiten waren gut, aber etwas akademisch. Diese ist wie von einem 20-Jährigen: ein Punkfilm!

Ist es diese jugendliche Seite von Polanski, die Sie immer schon angezogen hat? Er ist immerhin über 30 Jahre älter als Sie.

Ja, Punkmenschen ziehen mich an. Sie sind aufregender. Und Roman ist nie politisch korrekt. Es ist riskant, heute so einen Film zu machen: Er ist ein Statement gegen unsere langweilige Welt, alles angeglichen. Überall sieht es aus wie bei McDonald's.

Die Welt wird zur Shoppingmall.

Mit den Schönheitsoperationen sehen auch die Leute alle gleich aus, es regiert ein fades Einheitsdenken. Allem wird kraftlos zugestimmt, auch in den USA: Wo sind bunte Vögel wie Jack Nicholson oder David Bowie?

Ist das in Frankreich genauso?

Auch da passiert kaum noch Interessantes. In Wien schätze ich die kulturelle Atmosphäre. Paris gilt auch als Kulturstadt, aber die große Zeit ist vorbei. Das gilt überhaupt für Frankreich! Es hatte seinen Moment.

Wie stehen Sie zu Präsident Hollande?

Er ist furchtbar, ich habe ihn nicht gewählt! Hoffentlich ist er bald weg. Die Deutschen haben es besser mit Angela Merkel: Die mag auch unbeliebt sein, aber sie hält ihr Land in einer guten Position. Wir dagegen werden zur Provinz! Vielleicht sollte ich umziehen.

ZU PERSON UND FILM

Emmanuelle Seigner (*1966, Paris) stammt aus einer angesehenen französischen Schauspielerfamilie. Sie begann als Model, schlug bald eine Karriere als Schauspielerin ein, lernte so 1989 den 33 Jahre älteren Starregisseur Roman Polanski kennen und heiratete ihn. Sie ist auch als Popsängerin aktiv.

Polanskis „Venus im Pelz“ nach dem Stück von David Ives läuft heute an. Eine ausführliche Kritik zum Film erscheint morgen im „Schaufenster“.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.11.2013)

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