Amerikanisches Heldenlied aus Afghanistan

Lone Survivor
Lone Survivor(c) Universum Film
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Die vom US-Militär unterstützte Produktion von „Rekrutierungsfilmen“ geht weiter: „Lone Survivor“ feiert den Opfermut von US-Elitesoldaten als Passionsweg der Pein.

US-Präsidenten werden öfter nach ihrem Lieblingsfilm gefragt: Was der erste Mann im Staat liebt, hat symbolischen Wert. Derzeit bricht Barack Obama eine Lanze für Kinoklassiker: Er nennt die ersten beiden Teile von „Der Pate“, „Lawrence von Arabien“ oder „Casablanca“ als Favoriten. Der vorige Demokrat im Amt hat ähnlich gewählt: Für Bill Clinton war der Western „High Noon“ die Nummer eins, seit er ihn mit sechs Jahren das erste Mal gesehen hatte. (Auf Platz zwei kam „Casablanca“.)

Dazwischen gab sich der republikanische Präsident George W. Bush zeitnäher – allerdings exklusiv im Genre des aktuellen US-patriotischen Kriegsfilms: Im Weißen Haus liefen mehrfach „We Were Soldiers“, „Saving Private Ryan“ und vor allem „Black Hawk Down“ über den missglückten Somalia-Einsatz der Marines. Darin mochte man auch eine Bestätigung des US-Selbstbilds sehen, das unter Bush gepflegt wurde: als heroisches, doch missverstandenes Opfer.

In der Obama-Ära macht der Zeitgeist zwar eine progressive Welle von Filmen mit afroamerikanischen Themen („12 Years a Slave“, „The Butler“) aus, aber die vom US-Militär unterstützte Produktion von – wie man in Übersee sagt – „Rekrutierungsfilmen“ geht ungebrochen weiter: Zu dem Zweck werden heldenhafte Armee-Einsätze in Spielzeug-Blockbuster wie in Michael Bays „Transformers“-Filme geschrieben, aber es gibt auch (relative) Billigproduktionen wie „Act of Valor“, entstanden 2012 unter Beteiligung der US Navy Seals – und mit dem ausgewiesenen Ziel, Jugendliche für diese Spezialtruppe zu begeistern. (Für Koregisseur Scott Waugh hat es sich schon gelohnt: Diese Woche kommt mit „Need for Speed“ auch seine erste Großproduktion in die Kinos.)

Tötung eines Taliban-Führers

Mit ausgedehnten Dokumentarbildern der brutalste Momenten im Seals-Training wird nun in Peter Bergs Film „Lone Survivor“ gleich zu Anfang seinen Soldaten der Nimbus von Übermenschen gegeben – auch wenn nur einer die Operation „Red Wings“ überlebt hat (und als Erzähler entsprechend hochfliegende Worte zur Eröffnungs-Montage sprechen darf). Mark Wahlberg, auch Koproduzent, spielt diesen Titelhelden: Marcus Luttrell war 2005 in Afghanistan mit drei anderen an der Operation zur Tötung eines Taliban-Führers beteiligt und setzte in einem Ghostwriter-Tatsachenbericht dem Trio gefallener Mitstreiter in Denkmal.

Wie bei „Black Hawk Down“, den Regisseur Berg auch als Vorbild nennt, dient die Faktenbasis zur Absicherung eines Spektakels, das mit enormem technischen Aufwand die Grausamkeit des Krieges möglichst eindrucksvoll auf die Leinwand bringen will, um im Kern ein Heldenlied zu singen, das den kritisch-infernalischen Außenanstrich plump aushebelt: Luttrell und seine drei Begleiter (verkörpert als drei kaum abgestufte Archetypen vom Draufgänger bis zum Neuling durch Taylor Kitsch, Emile Hirsch und Ben Foster) müssen vorbildhaft einen Passionsweg der Pein durchschreiten. Der ist nicht zuletzt dank donnernden Knochenkracher-Tonschnitts und glaubhaften Verletzungs-Make-up-Künsten zum Action-Furioso hochstilisiert, während sich Handlung und Charakterisierung kaum je aus den Niederungen naheliegender Klischees erheben.

Etwas Zweischneidigkeit bleibt allein durch die Ausgangsposition: Kurz nach der Landung wird das Team von einheimischen Ziegenhirten entdeckt – sollen sie die ahnungslosen Zeugen töten oder sie laufen lassen und so die Operation gefährden? Kaum lassen die Seals die Hirten ziehen, haben sie schon die Taliban auf den Fersen, was zu ausgiebigen Feuergefechten führt, bei denen übrigens viel mehr unbeteiligte Zivilisten sterben – aber nur die Seals den Heldentod. Die überwältigenden Konfrontationen sind der eigentliche Existenzgrund des Films, Berg inszeniert sie so professionell wie zuletzt die vom Spiel Schifferlversenken inspirierten Fantasy-Konflikte seines Miltärwerbungs-Blockbusters „Battleships“.

Zum Abspann: David Bowies „Heroes“

Am Ende erlebt Luttrell sogar so etwas wie poetische Gerechtigkeit, aber das ist Augenauswischerei angesichts handelsüblicher Schwarz-Weiß-Malerei: dubiose Afghanen gegen opferbereite US-Truppen, garantiert ohne die nagenden Selbstzweifel der Ausnahmekriegsfilme von Kathryn Bigelow. Wo die ihre Heldin in „Zero Dark Thirty“ ratlos weinen lässt, rät „Lone Survior“ zweifellos zur propagandistischen Verherrlichung: Zum Abspann sieht man Fotos der echten Soldaten, unterlegt mit einer weinerlichen Coverversion von David Bowies „Heroes“.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 22.03.2014)

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