Bibelfilm "Noah": Die Steinmonster kommen!

(c) Niko Tavernise
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Darren Aronofskys "Noah" ist der Auftakt zu einer neuen Welle biblischer Blockbuster. Aber es geht weniger um Theologie als typische Fantasy: Ein schlingerndes, düsteres Familienpsychodrama mit Kämpfen apokrypher Digitalwesen.

Als John Hustons ambitionierte – andere mögen sagen: größenwahnsinnige – Produktion „Die Bibel“ 1966 an der Kassa enttäuschte, bedeutete das ein vorläufiges Ende für große Bibelstoffe im Kino. Dabei war Hustons Dreistünder eigentlich gemäß dem Originaltitel „The Bible: In the Beginning...“ als Auftakt einer Filmreihe angelegt, die das ganze Alte Testament auf die Leinwand bringen sollte. So schaffte es Huston in fünf Episoden von der Schöpfung zur Opferung Isaaks gerade durch das erste Buch Mose. Im eindrücklichsten Teil gab sich Huston selbst die Hauptrolle: Als sehr tierlieber Noah vernahm er die Stimme Gottes (ein etwas schizophrener Effekt: Sie wurde auch von Huston gesprochen, ebenso die Schlange im Paradies). In einer imposanten Einstellung brachte er viele echte Tierpaare an Bord seiner Arche und überdauerte die Sintflut. Das Monumentalkino – ob biblisch oder nicht – ging trotzdem unter.

Fundamentalisten als Markt entdeckt

Ein halbes Jahrhundert später soll der Bibelfilm passenderweise mit „Noah“ wieder anrollen, fristgerecht zu Ostern – zu Weihnachten steht Ridley Scotts „Exodus“ ins Haus, mehr ist in Produktion. „Noah“ kommt als Vorreiter eine Doppelrolle zu: Der Ausnahmeerfolg von Mel Gibsons blutigem Herzensprojekt „Die Passion Christi“ verdankte sich in den USA einem lang ignorierten, aber enormen Markt – christliche Fundamentalisten, die sonst prinzipiell die Produkte der Traumfabrik ablehnen. Bei ihnen will Hollywood nun mitabsahnen. Doch mit Ansagen wie, der Archenbauer sei der „erste Umweltschützer“, verstörte „Noah“-Regisseur Darren Aronofsky vorab diese Klientel: Würde er ein schnöd säkulares ökologisches Strafgericht orchestrieren, wo Gläubige in der Flut doch Gottes Willen sehen? „Noah“ ist nämlich noch in zweiter Hinsicht ein Testfall: Er ist auch eine Art Autorenkino-Blockbuster.

Regisseur Aronofsky, seit seinem kabbalistischen Debüt „Pi“ (1998) obsessiven Charakteren, stilistischen Kapriolen und esoterischen Motiven zugetan, erhielt nach Erfolgen mit „The Wrestler“ und „Black Swan“ ein Budget von 125 Millionen Dollar für seine Vision von Noah, der ihn seit seiner Kindheit als „dunkler, komplizierter Charakter mit echtem Überlebendensyndrom“ faszinierte.

An Größenwahn mangelt es Aranofsky auch nicht: Im dementen Ballettdrama „Black Swan“ setzte er seinen Regiecredit über tosenden Schlussapplaus. Wenn nun in „Noah“ nie Gott gesagt wird, sondern nur „der Schöpfer“, beschleicht einen öfter das Gefühl, der Regisseur sei gemeint. Mit einer rasanten Montage erledigt er die Schöpfung gleich binnen Sekunden: Eine Digitalschlange schießt auf die Kamera zu, der Apfel pulsiert unheimlich am Baum der Erkenntnis, silhouettenhaft haut Kain Abel den Schädel ein.

Und dann kommen die Steinmonster: die Wächter, gefallene Engel in Lichtgestalt, zur Strafe in irdischem Schlamm gefangen, importiert sind sie aus dem apokryphen Henochbuch und sehen wie Flüchtlinge aus einem Comicfilm oder dem „Herrn der Ringe“ aus. Die Rückkehr des Bibelfilms erfolgt also nicht wirklich im Zeichen der Theologie, sondern fügt sich ganz in aktuelle Fantasy.

Schnellster Archenbau der Kinohistorie

Kurz schimmert tatsächlich ein Ökoanliegen durch: Mit den Steinmonstern haben die Menschen im Namen des Fortschritts die Erde in eine apokalyptische Wüste verwandelt und die Sintflut verdient. Durch ein Wunder vom Himmel blühen digital Bäume für Noahs Arche auf, reformierte Steinmonster setzen sie binnen kürzester Zeit zusammen. Und verteidigen sie, als die (in ihrer Digitalität enttäuschend austauschbaren) Tiere an Bord sind, in einer offenbar obligaten, langen Kampfszene gegen den Ansturm Mitfahrwilliger. Nur Oberbösewicht Tubal-Cain (in der Genesis kurz vor Noah als Kains Nachfahr erwähnt) schafft es an Bord.

Seine ketzerischen Einflüsterungen (freier Wille!) braucht es dort kaum, denn der Schuldkomplex macht den grimmigen Noah (bewährt: Russell Crowe) zur Bedrohung. Er ist zum Mord bereit, um seinen vermeintlichen Auftrag zu erfüllen: das Ende der Menschheit zu sichern. Strafe ist das Schlüsselwort. Oft starrt Noah zum Himmel und hofft auf ein Zeichen. Aber der Schöpfer schweigt. In dem Kommunikationsproblem spiegelt sich wider, wie das Etikett Bibelfilm hier an Fehlkommunikation grenzt. „Noah“ ist ab da ein düsteres Familienpsychodrama, dessen Dramatik aber noch mehr schlingert als die quaderförmige Arche in den Fluten.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 04.04.2014)

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