Mickey Rooney: Der fleißigste Lausbub des Kinos ist tot

Mickey Rooney
Mickey Rooney(c) REUTERS (MARIO ANZUONI)
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Kurz nach Shirley Temple verliert Hollywood seinen zweiten großen Kinderstar: Mickey Rooney erlebte in über neun Dekaden beruflich wie privat alle Höhen und Tiefen.

„Ich habe mein Leben lang gearbeitet“, fasste Mickey Rooney in späteren Jahren seine unglaubliche Karriere zusammen, „aber es scheint mir länger.“ Kein Wunder: Die Laufbahn des 1920 in New York als Joe Yule jr. geborenen Vaudeville-Künstlerkinds begann im zarten Alter von anderthalb Jahren, wo er neben seinen Eltern auf der Bühne im maßgeschneiderten Minifrack mit dem sentimentalen Lied „Pal of My Cradle Days“ rührte und verzückte. Die erste Filmrolle (als Zwerg) folgte 1926 – und neun Dekaden, bis fast unmittelbar vor seinem Tod im Alter von 93 Jahren am Sonntag in Hollywood, umringt von seiner Familie, war Rooney aktiv geblieben (zuletzt etwa 2011 im „Muppets“-Film). Auch kein Wunder: In einer Laufbahn, die alle Höhen und Tiefen sah, hatte Rooney nur mit eisernem Arbeitswillen durchgehalten.

Mit 40 Jahren hatte Rooney zwölf Millionen Dollar verdient – und wieder durchgebracht, mit Frauen, Alkohol und Wetten: „Ich habe zwei Dollar in Santa Anita verloren“, scherzte er über eine Pferderennbahn, „und drei Millionen ausgegeben, um sie zurückzugewinnen.“ Das galt auch anderswo: Rooneys erste Bankrotterklärung 1962 blieb nicht die einzige. Ähnlich hielt er es mit der Ehe: acht Hochzeiten, das erste Mal 1942 mit Kollegin Ava Gardner. Keine anderthalb Jahre später die erste Scheidung, spätere Ehen hielten bestenfalls ein paar Jahre länger – nur mit der letzten Gattin, Janice Chamberlin, war Rooney seit 1978 zusammengeblieben. Er würde aber alle acht wieder heiraten, erklärte Rooney: „Ich habe jede von ihnen geliebt.“

„Einziger großer Schauspieler der USA“

So blieb er der Lausbub, als der er die Kinokarriere begonnen hatte: Bald nach der Scheidung seiner Eltern 1923 ging seine Mutter mit ihm nach Hollywood, ab 1927 wurde er als kleiner Strolch Mickey McGuire zum Star einer Komödienserie, die es bis 1936 auf 78 Filme brachte. Aus Joe Yule jr. wurde dabei buchstäblich Mickey McGuire: Ein erster Künstlername, der 1932 nach Rechtsstreitigkeiten in Mickey Rooney geändert wurde (Mama schlug erst das lausbübischere Mickey Looney vor). MGM nahm ihn unter Vertrag, mit „A Family Affair“ wurde er 1937 vom Kinder- zum Superstar, als er Andy Hardy spielte.

In 16 Filmen bis 1946 geriet Rooney als Bub eines vorbildlichen Richters in Schwierigkeiten, was durch ein Vater-Sohn-Gespräch gelöst werden musste. Vor allem die drei Andy-Hardy-Filme mit Judy Garland als seiner Freundin wurden ikonisch (ein subversives Denkmal setzte ihnen 1998 Austro-Avantgardist Martin Arnold mit „Alone. Life Wastes Andy Hardy“). Neben der prägenden, in den USA bis heute sprichwörtlichen Rolle zeigte Rooney 1935 als Puck in Max Reinhardts „Sommernachtstraum“-Film sowie in Musicals und Melodramen sein Talent. 1939 erhielt er für „Boys Town“ einen speziellen Jugend-Oscar (sein Filmpartner Spencer Tracy wurde bester Hauptdarsteller) und wurde die Nummer eins an den US-Kinokassen.

Nicht bloß Tennessee Williams meinte: „Es gibt nur einen großen Schauspieler in den USA, und das ist Mickey Rooney.“ Wie die eben verstorbene Shirley Temple – der andere große US-Kinderstar der 1930er – musste sich Rooney aber dem Erwachsenwerden stellen. Wo sich Temple zurückzog, blieb Rooney „30 Jahre lang ein 14-jähriger Bub“. Mit einer Größe von 1,57 m („Ich habe nicht darum gebeten, ein kleiner Kerl zu sein, aber ich habe versucht, so zu tun, als wäre es egal“) war er oft als Jockey ideal besetzt, in Hits von „National Velvet“ (1944) mit Liz Taylor bis „Der schwarze Hengst“ (1978), der ihm seine vierte Oscar-Nominierung eintrug.

Zwischen Finanzquerelen und Frauengeschichten nahm Rooney jede Rolle an. Für billige, aber bleibende 1950er-Noirs wie „Quicksand“ oder „Drive a Crooked Road“ war er perfekt als Verlierertyp, als Gangster „Baby Face Nelson“ zeigte er vollends seine dunkle Seite – auch wenn eher seine umstrittene Asiatenparodie im Klassiker „Frühstück bei Tiffany“ (1961) in schiefes Licht geriet. Zwischen Abstürzen und Comebacks spielte Rooney noch in vielen außerordentlichen Filmen, wurde Mitte der 1970er als Christ wiedergeboren, nachdem ihm jemand an einem Kaffeehaustisch „Jesus liebt dich“ zugeflüstert hatte, und erhielt 1983 den Lebenswerk-Oscar von einem neuen Hollywood, in dem er nichts mehr von der einstigen Traumfabrik sah. Trotzdem ging er zur Tagesordnung über und arbeitete dort, auf Bühnen und im TV pausenlos weiter: „Ich bereue nichts, was ich je getan habe. Ich wünschte nur, ich hätte mehr tun können.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 08.04.2014)

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