Anna Paquin: Scheu und doch direkt

Anna Paquin: Scheu und doch direkt
Anna Paquin: Scheu und doch direktReuters
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Mehr „True Blood“ als „X-Men“: Schauspielerin Anna Paquin über ihre Kindheit, Star-Rummel und Selbstkritik.

Seit ihrer Rolle im Welterfolg „Das Piano“ (1993) als Elfjährige, für die sie den Oscar als beste Nebendarstellerin gewann, war Anna Paquin als Hollywoods Jungdarstellerin für schwere Themen etabliert. „Ich wurde einfach als das Mädchen gecastet, das mehr zu sagen hatte als die Sexbombe, aber mein Aussehen war dabei nicht so wichtig, ein Bonus“, sagt Paquin, die 1982 in Winnipeg/Manitoba, Kanada, geboren wurde und überwiegend in Neuseeland aufgewachsen ist. Die Tochter von Lehrern lernte Viola, Cello, Klavier und nahm Ballettunterricht. Immer noch spricht Paquin mit einem leichten Neuseeland-Akzent. Sie erinnert sich gern an ihre Kindheit, in der sie bis heute verankert ist. Ganz besonders, wenn die Welt rundum verrückt spielt. „Wenn die Leute zu überschwänglich sind und mir zu Füßen liegen, dann will ich nur laut herauslachen. Oft haben die Menschen keine Ahnung von meiner Arbeit und loben mich nur, weil sie denken, sie müssen das tun. Ich bin höflich, was den Zirkus betrifft, aber das alles bewegt mich nicht.“

Dass sie eines Tages als Sexsymbol im Blitzlicht der Medien stehen würde, hat sich Paquin nicht erwartet. Im Gespräch wirkt sie ganz anders als in ihrer Rolle als Kult-Ikone Sookie Stackhouse in der Vampirserie „True Blood“, der sexy Antwort auf die keusche „Twilight“-Saga. Der Charakter der Rogue in „X-Men“ scheint eher Paquins Fall zu sein. Von sich selbst sagt sie: „Ich war immer schon fürchterlich scheu. Früher fand ich es fast lähmend, mit Menschen zu sprechen.“ Trotz ihrer Reserviertheit kann Paquin auch freimütig sein. Kurz vor ihrer Hochzeit mit „True Blood“-Ko-Star Stephen Moyer erzählte sie von ihrer bisexuellen Neigung, auch um den „True Colors Fund“ zu unterstützen, der gleiche Rechte für Menschen mit unterschiedlicher sexueller Orientierung fordert.

Weltweite Fangemeinde. Wann ist Paquin denn nun schüchtern und wann keck? Sie lacht. „Ich sage schon auch mal meine Meinung geradeheraus. Ich bin die Art Freundin, die du nie fragen solltest, ob dein Outfit gut aussieht – ich sage dir die Wahrheit. Das gilt auch für mich, ich bin selbst mein härtester Kritiker. Ich musste erst lernen, dass nicht immer alles perfekt sein muss.“ Dank ihrer Rollen als Rogue und Sookie hat Paquin viele Fans aus aller Welt, die das Comic- und Fantasygenre lieben. Diese waren wenig erfreut, als ihre Szene von einer großen Rettung aus der Xavier-Villa im neuesten „X-Men“-Film auf einen Kurzauftritt reduziert wurde.  Paquin will sich dazu nicht offiziell äußern.

Die vielfach Geehrte (fünf Golden-Globe-Nominierungen, Scream-Award für die beste Grusel-Schauspielerin) ist jedenfalls ziemlich beschäftigt: Zwischendurch arbeitet sie an eigenen Independent-Filmen, kümmert sich um ihre eineinhalbjährigen Zwillinge und verbringt Zwölf-Stunden-Drehtage bei „True Blood“. Die siebente und letzte Staffel der Vampirserie startet in den USA im Juni. „Zukunft ist Vergangenheit“, so heißt der neueste „X-Men“-Film, der am 22. Mai anläuft. Der Trailer ist auf YouTube zu sehen. Die Comicserie erschien erstmals 1963. Einen kometenhaften kommerziellen Aufstieg erlebte die Mutanten-Saga jedoch erst Jahrzehnte später: In den 1990ern mit dem Comicbuch-Boom und der Herrschaft der Comicverfilmungen um die Jahrtausendwende. Ein Ende der „X-Men“ ist nicht in Sicht. Die Superheldenfilmreihe brachte es mit dem neuesten Abenteuer „Zukunft ist Vergangenheit“ auf fünf Ausgaben, wenn man die beiden Spin-off-Filme, in denen Hugh Jackman den Protagonisten Wolverine verkörpert, nicht hinzuzählt. Ein sechster Teil – „X-Men: Apocalypse“ – ist für Mai 2016 angekündigt. Stolze 225 Millionen Dollar soll der neue „X-Men“-Film gekostet haben, etwa genauso viel wie die wirtschaftlich erfolgreichste Comicverfilmung „Avengers“ (2012), die mehr als 1,5 Milliarden Dollar eingespielt hat.

Mutanten als Metapher. Oberflächlich gesehen mögen sich Superheldenfilme kaum voneinander unterscheiden. Wagt man einen genaueren Blick, entdeckt man gerade bei den Mutantengeschichten von Stan Lee und Jack Kirb gesellschaftspolitisch Relevantes, ja sogar subversives Potenzial. Während andere mit Superkräften ausgestattete Heroen als „larger than life“ beschrieben werden können, ist das Schicksal der „X-Men“ mit jenem von Minderheiten in der Gesellschaft vergleichbar. Die Mutation dient also als Metapher für in der Gesellschaft unterrepräsentierte und oftmals diskriminierte Gruppen wie Homosexuelle, Migranten und ethnische oder religiöse Minderheiten. Auch in den bisherigen „X-Men“-Filmen gelang es den Filmemachern, die Interessenkonflikte der Mutanten zwischen Integration, Assimilation und Abgrenzung zum Mainstream zu zeichnen. Diese essenzielle Frage spaltet letzten Endes auch die Mutanten. Während Magneto, dessen jüdische Mutter im Konzentrationslager von den Nationalsozialisten ermordet wurde, sich für die Abgrenzung zu den Menschen entscheidet, propagiert Professor Xavier den Dialog und die Integration in die Gesellschaft. Im neuen Kinofilm kämpfen die verfeindeten Mutantenlager gegen einen gemeinsamen Gegner: die Sentinels, eine Roboterspezies. Diese wird von Militärwissenschaftler Bolivar Trask (verkörpert von Peter Dinklage, bekannt als Tyrion Lannister in „Game of Thrones“) erschaffen, um die Mutanten zu jagen und zu zerstören. Für Jugendliche, Junggebliebene dürften die Metaebenen der Mutanten-Saga weniger wichtig sein. Sie erfreuen sich an der Geschichte und fühlen vielleicht darin auch ihre eigenen seelischen Unebenheiten abgebildet.

Tipp

„Zukunft ist Vergangenheit“. Der neue „X-Men“-Film mit Hugh Jackman, Patrick Stewart, Jennifer Lawrence startet am 22. 5. Die Vampirserie „True Blood“ ist derzeit im Pay TV zu sehen, DVDs sind im Internet erhältlich.

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