Kritik Film: Die Liebe, das Licht des Lebens

Schicksale in der Vorstadtsiedlung: Götz Spielmanns beeindruckendes Episodendrama "Antares".

Können Sie das Licht da vorne anmachen?", sagt der Mann zum Taxifahrer; er will sich Fotos von seiner Geliebten ansehen. Der erste Satz in Götz Spielmanns Antares ist bezeichnenderweise eine Frage - es wird um Leidenschaft gehen, und um die Schwierigkeiten, sie zu kommunizieren -, und er handelt, noch bezeichnender, vom Licht: Die Sehnsucht nach Liebe ist die Triebfeder der Figuren des Films, das utopische Licht ihres Lebens, darauf bezieht sich der Titel: Antares, der 500 Lichtjahre entfernte Doppelstern, rot und stark vom Himmel strahlend, und deswegen zum baldigen Untergang als Supernova verurteilt. Gleich darauf wird das Taxi von einem anderen Auto gerammt, mit fatalen Folgen. Eine andere, schmerzliche (Liebes-)Geschichte ist endgültig verglüht.

Herausragend an Antares ist die Sorgfalt, mit der Spielmann jede Ebene des Films (und ihr Ineinandergreifen) konstruiert hat: Das Episodendrama in der Vorstadt ist mittlerweile fast zum Klischee geworden, gerade im heimischen Kino, scheint nach großen Würfen wie Ulrich Seidls schonungslosem Sittenbild Hundstage und Barbara Alberts metaphysischem Mosaik Böse Zellen ausgereizt. Dass Antares danach dennoch bestehen kann, liegt zum einen am verhaltenen Optimismus, mit dem Spielmann in finstere Seelenzustände dringt - Antares scheint ein Gegenbild zum grassierenden Determinismus. Zum anderen überzeugt die Methode: Spielmann pflegt ein Qualitätskino, wie es gern (und nicht immer zurecht) als ästhetisch konservativ abgekanzelt wird, dessen Vorzüge dafür gänzlich unabhängig von Moden sind - ein sorgfältig durchgearbeitetes Drehbuch, virtuose Schauspielerführung und beträchtliche technische Finesse.

Spürbar etwa in Martin Gschlachts perfektionistischer Kameraarbeit: In der ersten (und verblüffendsten) Episode sind die Räume beengend kadriert, selbst da, wo sie nicht eng sind - Möbel und Fenster vom Bildrand abgeschnitten, geöffnete Türen lassen beschränkte Blicke in Hinterzimmer zu, dazwischen die Charaktere in gewohnten, dennoch leicht unbehaglichen Posen. Die Ehe des ersten Paars (Petra Morz© und Hary Prinz) droht an der Routine zu scheitern, der die Frau durch heimliche, leidenschaftliche und erstaunlich körperbetont gefilmte Treffen im Hotel mit dem Liebhaber (Andreas Patton) entkommt. Die zweite Episode schildert das Drama zwischen einer eifersüchtigen Supermarktverkäuferin (Susanna Wuest) und ihrem Freund (fulminant beweglich: Denis Cubic), im dritten Teil will ein Wohnungsvertreter (Andreas Kiendl) seine Ex-Frau (Martina Zimmer) zurückgewinnen, wortwörtlich: mit aller Gewalt.

Das erste, finanziell besser gestellte Paar will weg aus der Siedlung (das sorgt auch für eine der vielschichtigen, nur manchmal zu prosaischen Verbindungslinien): Obwohl alle drei Wohnungen denselben Grundriss haben, ist nur ihre von einer kleinbürgerlichen Erstarrung und Leere durchweht, die fern an die ersten Kinofilme von Michael Haneke erinnert. Mit der Hinwendung zum Arbeitermilieu werden die Einrichtungen farbiger (und weniger geschmackssicher), gewinnen die Ereignisse an Tempo. Die enorme Präzision der Inszenierung, geprägt von faszinierter Distanz, passt auch besser zu bürgerlichen Lebensumständen, doch Spielmann entwirft die Grundstimmung mit einer solchen Stärke, dass der Übergang danach relativ bruchlos funktioniert.

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