Fauler Zauber: Der Film zur Marketingkampagne

Der "Harry-Potter"-Kinohit ist weniger eine respektvolle Bestseller-Adaption als eine quasi militärische Operation mit zwei Interessen - Schadensbegrenzung und Profitmaximierung.

"Jedes Kind wird seinen Namen kennen." Wenn es in Harry Potter und der Stein der Weisen, dem Film zu J. K. Rowlings Bestsellern, so etwas wie Risikobereitschaft gibt, dann in den Eröffnungsszenen: Da wird Harry Potter (Daniel Radcliffe), der Verwaiste, dem die Magierkarriere in die Wiege gelegt wurde, schon als lebende Legende behandelt, ehe er überhaupt einen Zauberstab geschwungen hat. Das Gegenstück zu diesem vorauseilenden Gehorsam (in der sogenannten wirklichen Welt) liegt nahe: die Marketingkampagne zum Paket Harry Potter, das sich längst nicht auf den Film beschränkt, sondern vor Weihnachten auch noch zahlreiche andere Artikel an den Kassen umsetzen will.

Harry Potter, das Kino-Spektakel, macht von Anfang an klar, daß es auf diesem Gebiet kein Versagen geben darf. Vielleicht sollte man weniger von einem Film sprechen als von einem Trailer zur Merchandising-Manie, der es sich nebenbei leisten kann, schamlos Überlänge zu produzieren, um die Fans des Buches nicht vor den Kopf zu stoßen. Sein nächster Verwandter im jüngeren Hollywoodfilm ist Star Wars. Die dunkle Bedrohung: Mit diesem teilt er nicht nur die Ausrichtung auf den Spielzeugmarkt, sondern auch absolute ästhetische Einfallslosigkeit, was das Arrangement seiner Szenen betrifft.

Eintönig, breitgewalzt

Dabei legen Regisseur Chris Columbus und Drehbuchautor Steve Kloves ihr Produkt auf größtmögliche Respektabilität aus: Das solcherart breitgewalzte Epos marschiert eintönig von einem Höhepunkt zum nächsten, ohne je irgendwo anzukommen. Dies liegt weniger am leicht behäbigen Tempo als an der totalen Gesichtslosigkeit der Regie: Eine vermeintliche Klimax erkennt man daran, daß sie von Columbus so inszeniert wird, als hätte man noch keine andere Einstellungsgröße als die Nahaufnahme erfunden.

Nicht zufällig verkörpert der Regisseur, der zuletzt in Bicentennial Man eine schöne Kurzgeschichte von Isaac Asimov hinrichtete, indem er ihren philosophischen Gehalt als billigen Vorwand für Robin Williams' Sentimentalitäten mißbrauchte, die ästhetische Minimal-Variante des derzeitigen Lohnknechtschaffens im US-Kino: der ideale Mann für ein auf systematische Schadensbegrenzung ausgerichtetes Filmprodukt wie Harry Potter.

Von visionären Ansätzen, wie sie unlängst zwei Monumentalkino-Ruinen namens Planet der Affen und A.I. zumindest in Teilen spüren ließen, kann Harry Potter nicht einmal träumen: Die visuelle Textur erschöpft sich in der Idee, alles in Sepia zu tränken, die Fabel auf ein routiniertes Abspulen von vorprogrammierten Momenten pflichtschuldigen Staunens. Für die besten Szenen ist dazu Computergraphik vonnöten: Eine Mauer wandelt sich unter rumpelndem Getöse zum Durchgang, ein futuristisches Ballspiel vor unecht animierten Turniertürmen ist die ungelenke Kreuzung zweier anderer Filme, deren Titel den Geist dieser Unternehmung recht treffend auf den Punkt bringen: Die Rückkehr der Jedi-Ritter trifft Das Böse.

Noch stärker als der Mangel an Imagination lastet - auch das paßt zu seinem Erscheinungsbild als generalstabsmäßig geplanter Gewinnträger - das kräftige Desinteresse am menschlichen Faktor auf Harry Potter. Der Darsteller des Titelhelden bleibt blaß wie seine Umgebung und verdiente Mimen wie Robbie Coltrane oder Richard Harris versuchen vergeblich, ihren Rollen einen Rest Leben einzuhauchen: Das gelingt nur Alan Rickman als Bösewicht. Seine seichten Heilsbotschaften predigt der Film dennoch unbeeindruckt weiter. Eine davon könnte man sich zu Herzen nehmen: "Es täte euch gut, zu lesen."

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