"The Fault in our Stars": Eine "Love Story" von heute

Das Schicksal ist ein mieser Verraeter
Das Schicksal ist ein mieser Verraeter(c) Twentieth Century Fox
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„Das Schicksal ist ein mieser Verräter“ von Josh Boone nach John Greens Bestseller ist mehr als ein Rührstück für heranwachsende Mädchen. Endlich einmal keine Fantasy, das echte Leben.

Mein Krebs ist wieder aufgeflammt“, sagt er. „Es ist nur Freundschaft“, sagt sie. Mit diesen zwei Zitaten ist schon einiges über „The Fault in our Stars“ („Das Schicksal ist ein mieser Verräter“) von Josh Boone gesagt. Es geht um Krebs und um Liebe, Coming-of-Age. Im Zeitraffer. Denn alt werden die beiden Protagonisten nicht werden, auf jeden Fall nicht zusammen. Der hübsche Junge Gus (Anselt Elgort) stirbt, das strenge Mädchen Hazel (Shailene Woodley) mit seinem Sauerstofftank bleibt zurück.

Kinder, wie die Zeit vergeht: „Love Story“ (1970) mit Ali McGraw und Ryan O'Neal als Liebespaar, er aus reichem Haus, sie Tochter armer italienischer Einwanderer, die beiden heiraten, sie erkrankt und stirbt. Was haben wir geheult! „Love Story“ überschritt Klassengrenzen, das entsprach dem Lebensgefühl der 1968er-Generation. Doch auch „Das Schicksal ist ein mieser Verräter“ folgt dem Zeitgeist: tapfere Eltern, die niemals in ihrem Pflege-Eifer ermüden, aufopfernde Ärzte, coole Kids, die sich von der schrecklichen Krankheit nicht kleinkriegen lassen.

Nerds, Nerdfighters und Moralisten

Es ist ein großer Unterschied, ob man sich einen Film mit kritischen Kritikern oder mit schluchzenden Teenagern ansieht. Klar, es gibt kitschige Szenen in dieser vor allem auf Mädchen vor dem ersten Sex zugeschnittenen Romeo-und-Julia-Geschichte. Aber das Thema ist ernst, sehr ernst, es treibt Betroffene wie Angehörige an ihre Grenzen, provoziert große Gefühle, Leidenschaften, auf die man nicht herabsehen sollte.

Josh Boones Film hat aber auch humorvolle Szenen. Vor allem zeigt er subtil, dass Pubertierende, ob gesund oder krank, die gleichen Probleme haben: Einmischung der, Abnabelung von den Eltern, Sinnsuche zwischen Ausbildung, Zukunftsträumen und Egoshootern. Alles in allem ist dies ein schöner Film, aber auch aus anderen Gründen als den naheliegenden ist er interessant.

John Green (36), der Autor des Buches, wollte Pfarrer werden. Mit seinem Bruder gründete er einen höchst erfolgreichen Videoblog: Nerdfighters fechten gegen no future, für das Fantastische, Überwältigende (the awesome), errungen durch ein selbstbestimmtes Leben. Green befasst sich gern mit kniffligen moralischen Problemen: Bereits sein Buch „Eine wie Alaska“ wurde ein großer Erfolg: Ein Mädchen stirbt bei einem Autounfall. Ihre Verehrer plagt das schlechte Gewissen. Sie hätten verhindern müssen, dass die junge Frau betrunken fährt.

Auf einem Satz aus Shakespeares „Julius Cäsar“ beruht „Das Schicksal ist ein mieser Verräter“. Frei wiedergegeben: „Die Schuld liegt nicht in unseren Sternen, sondern in uns, die wir darunter leben.“ Sobald dieses Zitat bekannt wurde, bestellten viele Leute bei Amazon das Buch, obwohl der Inhalt der Story noch gar nicht bekannt war.

Letzte Fragen boomen: „Die Zeit“ titelte jüngst „Neue Rituale. Suche Segen ohne Gott“, der „Spiegel“ setzte mit der Schlagzeile „Religion ohne Gott“ nach – und in der Londoner „Times“ wird debattiert, ob und wie sich Christen stärker zu ihrem Glauben bekennen sollen, müssen. „Das Schicksal ist ein mieser Verräter“, der Film wie das Buch handeln auch von Sinnsuche, Lebenssinn.

Ferner ist John Greens Story angereichert mit Bildungsgut, wie es heute beliebt ist, im Häppchen- und App-Format: kurz, prägnant und recht sophisticated. Wer Lust hat – und Heranwachsende haben mehr Lust auf Wissen, als PISA-Test-Ergebnisse vermuten lassen –, kann sich durch das Buch klicken und die Geschichten zu den Schlagwörtern im Internet nachlesen, nachhören: über Zenons Paradoxon von Achilles und der Schildkröte; das Mysterium Tremendum; oder die schwedische Hip-Hop-Band Afasi och Filthys; Gus und Hazel picknicken bei „Funky Bones“, einer Knochenskulptur des Atelier Van Lieshout in Indianapolis, wo John Green geboren wurde – und sie reisen nach Amsterdam, wo sie das Anne-Frank-Museum besuchen. Auf dem Trip trifft das Paar auch den von Hazel verehrten Bestsellerautor Peter Van Houten, ein böses Gegenbild des Bestsellerautors John Green: Van Houten säuft, geht mit seinen Fans rüde um, will nicht verraten, was nach dem Ende seines Buches „Ein herrschaftliches Leiden“ passiert.

Dies ist eine Mainstream-Story, aber auch ein vielschichtiges Buch – und ein raffiniertes Produkt. Die Sprache ist einfach, weder anbiedernd noch poppig. Hohe Literatur ist das nicht und, wie schon die Fotos zeigen, auch keine hohe Filmkunst, aber es handelt sich um packenden Stoff für die Jugend – und auch für die Erwachsenen. Diese treffen in diesem Film auf alte Bekannte: Laura Dern, das Mädchen Lula aus David Lynchs Amour-Fou-Film „Wild at Heart“ (1990) gibt Hazels Mutter. Willem Dafoe spielt den verkommenen Bestsellerautor...

("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.06.2014)

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