Neu im Kino: Leidenschaft und Farbenpracht

(c) Reuters (JAYANTA SHAW)
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Großer Liebesfilm und Geschichte vom Miteinander der Religionen: Ashustosh Gowarikers historisches Bollywoodepos „Jodhaa Akbar“ sorgte daheim für Kontroversen.

Entsprechend legendäre Ausmaße beansprucht Bollywoods Großregisseur Ashutosh Gowariker für seine farbenprächtige Erzählung einer historischen Legende: Aus der politisch kalkulierten Ehe zwischen dem jungen muslimischen Großmogul Akbar und der hinduistischen Prinzessin Jodhaa im 16. Jahrhundert wird eine innige Romanze.

Als großer Liebesfilm wie als Parabel vom toleranten Miteinander der Religionen stellt sich Gowarikers Epos inhaltlich wie in seiner schön klassischen Inszenierung in eine große Bollywood-Tradition: Zum sogenannten „Muslim Historical“-Genre gehören einige der großen Klassiker der mit Musik und Tanz gewürzten Kommerzfilmproduktion Indiens, wie der (währungsbereinigt) zweiterfolgreichste Bollywoodfilm: Mughal-E-Azam (1960), dessen aufwendige Herstellung über eine Dekade dauerte. Jodhaa Akbar erzählt quasi die Vorgeschichte zu dessen Drama von der Liebe eines Herrschersohns zur niedrigen Kurtisane; denn der unstandesgemäß verliebte Thronerbe im alten Film ist Sohn von Großmogul Akbar.

In beiden Fällen sind die Geschichten geschichtlich nicht ganz korrekt, obwohl viele Figuren und wichtige Punkte (insbesondere die royale Ehe zwischen den Religionen) auf Fakten basieren. Gowarikers Epos brach beim Start in Indiens Kinos Anfang dieses Jahres Kassenrekorde, war aber daheim umstritten, dabei wird eingangs extra darauf hingewiesen, dass man sich historische Freiheiten nahm. In einigen (Hindu-)Provinzen wurde die Aufführung von Jodhaa Akbar untersagt, Indiens Oberste Gerichtshof hob die Verbote schließlich (vorläufig) auf. Die Affäre ist Symptom einer zunehmend intoleranten (Film-)Kultur, so gab es 2007 eine Obszönitätsklage gegen Richard Gere, nachdem er bei einer öffentlichen Veranstaltung die Wange einer Bollywoodaktrice geküsst hatte.

Luxuskörper der „Miss World“

Gowarikers Film wendet sich im Rückgriff auf eine mythische Geschichte religiöser Verbundenheit genau gegen diese Intoleranz. Beträchtliche erotische Qualitäten hat er obendrein: Wegen der groß in Szene gesetzten Luxuskörper der Hauptdarsteller (die vormalige „Miss World“ Aishwarya Rai Bachchan und der durchtrainierte Bollywood-Beau Hrithik Roshan), aber insbesondere dank virtuoser visueller Variationen im Idiom einer nationalen Filmsprache, die wegen Zensur und Konventionen Sexualität zu sublimieren lernte.

Lange bevor sich Moslemmogul und Hinduprinzessin ekstatisch vereinigen, findet so ihre Leidenschaft füreinander farbenfroh und hingebungsvoll Ausdruck: im genüsslichen Anblick von Speisen, die sie ihm zum Bankett bereitet oder in der hinreißenden Hymne eines Pilgerchors in Weiß zur Hochzeit. Für die Musik zeichnet Bollywoods Elektropopspezialist A.R. Rahman, die hypnotische Bilderfolgen dazu demonstrieren aber die Brillanz eines Regisseurs, den Kritiker Hans Schifferle nicht ganz unverdient mit Monumentalfilmmeister David Lean verglich.

Wie Lean beherrscht Gowariker nämlich die Kunst, epische Entwürfe mit subtilen Nuancen zu versehen. Wie schon im Oscar-nominierten Welterfolg Lagaan erzählt der Filmemacher in Jodhaa Akbar eine eigentlich ganz einfache Geschichte in dreieinhalb Stunden, kurzweilig dank sicherer Handlungsführung alter Schule: Zwischen zwei großen Schlachten zu Anfang und Schluss kommt es zur Annäherung der Liebenden und Religionen wider viele höfischen und privaten Intrigen. Sogar die Ziehmutter verstößt Akbar, als sie gegen Jodhaa intrigiert, ihren Glauben dabei als bloßen Vorwand missbraucht. Gowarikers Botschaft für Toleranz und Aufrichtigkeit kann man aber auch genuin filmisch deuten: Aus seinen Filmen spricht der Glaube, dass Bollywood jenseits modischer Allüren und Seifenopernvermarktung als Erzählkino von internationalem Format zu akzeptieren ist.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.05.2008)

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