Florian Flicker: Er blickte über die Grenze

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Florian Flicker zeigte uns in seinen Filmen Österreich - und von hier aus die Welt. Am Samstagnachmittag ist er im Alter von 49 Jahren an Krebs gestorben.

So etwas kommt nicht oft vor: Dass ein 20-jähriger Regisseur aus Österreich ausgerechnet mit einem billig realisierten, philosophisch untermauerten, insgesamt schon sehr frischen, frechen und freien Science-Fiction-Film reüssieren kann. 1993 war es so weit. Florian Flickers „Halbe Welt“ sorgte für Staunen und Schmunzeln und Stirnkratzen, weil viele gar nicht wussten, was das denn jetzt sein soll. Die Sonne verbrennt alle, es wird scharf geschossen, die Farben flirren nur so über die Leinwand. Und im Publikum wurde es einem schnell schwindlig, auch weil da so viele Ideen in so wenig Laufzeit hineingepresst wurden.

Florian Flicker war ein Grenzgänger – so auch der Titel seines letzten Films –, einer, der gesurft ist zwischen dem ernsten Autorenkino und leichteren Gangarten. Sein Werk ist eines der Umherziehenden, der Wanderer, seine Filme sind eingelassen in eine Welt, wie sie Western und Roadmovies definiert haben. Ganz klar, nach Amerika will sie, die Nana aus Georgien! In Österreich fliegen ihre gefälschten Papiere auf, aber deportieren wird sich diese starke, schöne Frau in „Suzie Washington“ (1998) ganz sicher nicht lassen. Also rennt sie weg, läuft durch das Land, macht einen auf Touristin, sitzt im Sessellift und erobert sich ihren Freiraum.

Kammerspiel um Räuber und Opfer

Denn der, und dieses Wissen zieht sich wie ein roter Faden durch das Werk dieses Regisseurs, ist nicht selbstverständlich: Er ist umkämpft wie ein Fort in einem John-Ford-Western. Auch Flickers zweiter Kinodokumentarfilm, „No Name City“ (2006), zeigt die gleichnamige, von Wind und Staub verwehte Westernstadt 30 Kilometer südlich von Wien als Utopie, zerfräst und marode gemacht von spätkapitalistischen Mechanismen. Der Regisseur wird dabei selbst zum Protagonisten vor der Kamera, er setzt sich ins Bild, auch weil er weiß, dass sein eigener Blick auf diese „kleine Welt“ viel erzählen kann: Es wäre zu einfach, diese Stadt vorzuführen oder zu verspotten.

„No Name City“ erscheint sechs Jahre nach dem Projekt, das immer noch als größter Erfolg Florian Flickers gilt: Das wohl auch, weil er „Der Überfall“ (2000) mit Roland Düringer und Josef Hader in den Hauptrollen gedreht hat und der Film international umjubelt wurde. Das Kammerspiel um Räuber, Opfer und einen Kunden, der zufällig im Schneiderladen anwesend ist, wird zu einem blitzgescheiten und immer auch wieder komischen Sezieren des Durchschnittsösterreichertums.

Drei Menschen bilden auch das Zentrum von „Grenzgänger“ (2012). In der freien Adaption von Karl Schönherrs „Der Weibsteufel“ wird das Sumpfland der March-Au zum Austragungsort eines weitreichenden Konflikts. Kurz nach der Jahrtausendwende wird einer dieser jungen Soldaten, die im Grenzgebiet patrouillieren müssen, auf das Paar Jana und Hans angesetzt. Deren gemeinsames Wirtshaus läuft schlecht, sie werden verdächtigt, immer wieder Menschen über die Grenze zu schmuggeln. Der junge Mann bringt die gesetzte Stimmung zum Kippen – und wieder einmal denkt Florian Flicker das Lokale mit dem Universellen zusammen, inszeniert, wie schon bei „Suzie Washington“, eine gesellschaftlich relevante bis akute Themenstellung eben nicht mitleidig und beflissentlich, sondern herausfordernd und im Genre-Gewand. Samstagnachmittag ist Florian Flicker seinem Krebsleiden erlegen. Er war 49, fünf Jahre jünger als der vor ziemlich genau vier Monaten verstorbene Michael Glawogger. Dass jetzt beide nicht mehr sind, nimmt dem heimischen Film viel Wind aus den Segeln, viel von seiner Abenteuerlust. Keine gute Zeit für Grenzgänger.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 25.08.2014)

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