Cédric Klapisch: „Paris hat eine bestimmte Melancholie“

(c) Filmladen
  • Drucken

Regisseur Cédric Klapisch im Gespräch über seinen eben angelaufenen Episodenfilm „So ist Paris“: Von einer Stadt, über die man nur Prosa schreiben kann, und von einer Karriere im Gefängnis der Ensemblekomödie.

Die Presse:Herr Klapisch, Sie leben in Paris?

Cédric Klapisch: Seit 46 Jahren.

In Ihrem Film „So ist Paris“ kreuzen sich die Wege verschiedener Menschen, darunter einer von Juliette Binoche gespielten Sozialarbeiterin, einer unkonventionellen Bäckerin, eines illegalen Immigranten, eines Universitätsprofessor in der Midlife-Crisis. Dabei entsteht ein Porträt der französischen Hauptstadt. Verstehen Sie Ihren Film als Alltagsbeobachtung?

Klapisch: Ich beginne immer mit einer Beobachtung, aus der ich eine Fiktion kreiere. Das Ziel ist nicht unbedingt die Realität darzustellen, aber Realität in irgendeiner Form zu dokumentieren. Vieles von dem, was in meinen Filmen stattfindet, sind Dinge, die mir geschehen sind oder Dinge, von denen ich mich inspirieren lassen habe.

Sie stellen sich in eine lange Traditionslinie von Künstlern, die von Paris inspiriert wurden, darunter Poeten wie Baudelaire.

Klapisch: Viele Schriftsteller haben mich inspiriert: Balzac, Zola und Proust, aber in erster Linie natürlich Baudelaire. Er sagte, dass man über Paris eigentlich nur Prosa schreiben kann, und keine Gedichte, in denen sich alles reimt. Und er bezeichnete Paris als eine Stadt, die weder Hand noch Fuß hat, mit einem typischen Spleen. Ich bin damit einverstanden. Paris hat eine bestimmte Melancholie, verändert sich aber auch rasend schnell. Es existiert ein hohes Schönheitsideal, das dann aber wieder und wieder durch den Alltag zerstört wird.

Romain Duris spielt im Film einen herzkranken Tänzer, der das Modell des Beobachters abgibt: Er hockt an einem fixierten Ort und sieht von dort aus zu, ohne zu flanieren.

Klapisch: Das war die Ausgangsidee, rundherum habe ich den Rest der Geschichte geschrieben. Die Inspiration war, dass einer meiner Freunde einmal ins Krankenhaus musste und sich nicht sicher war, ob er jemals wieder zurückkehren würde. Er hat mir damals gesagt, dass er jetzt auf die Straßen gehe, die Menschen beobachte und dabei denke, was sie für ein Glück hätten, atmen zu dürfen, leben zu dürfen. Das war vor 15 Jahren, mein Freund lebt heute noch. Aber zugleich ist die Figur, die von Romain gespielt wird, das genaue Gegenteil von mir. Ich liebe die Mobilität, reise sehr viel, bewege mich sehr viel. Es würde mir Angst machen, an einen Ort gefesselt zu sein.

Sie pflegen eine Art Ateliermodell, arbeiten gerne mit denselben Leuten zusammen, bei den Schauspielern wie auch bei der Crew.

Klapisch: Bei „So ist Paris“ waren es nur relativ wenige Leute, die ich schon kannte. Vier Schauspieler und ebenso viele Crewmitglieder. Prinzipiell hat die Methode aber Vorteile: Die Komplikationen, die beim Drehen auftreten können, werden verringert.

Sie verwenden aber auch viele junge, unerfahrene Schauspieler. Das sorgt doch dann wieder für zusätzliche Komplikationen?

Klapisch: Ich mag diese Kombination aber sehr gern, die Mischung aus bekannten und unbekannten Gesichtern.

Ihre Filme haben immer ungewöhnlich viele Sprechrollen, das erinnert eher an Ensemblekomödien, wie man sie aus dem US-amerikanischen Kino kennt.

Klapisch: Ja, Robert Altman hat mich diesbezüglich besonders beeinflusst, vor allem mit „Nashville“ und „Short Cuts“.

Sie haben sich auch in anderen Genres versucht, aber mit wenig Erfolg. Sowohl mit dem Science-Fiction-Film „Peut-être“ wie mit dem Gangsterkrimi „Ihr letzter Coup“ sind Sie bei der Kritik wie beim Publikum durchgefallen. Wie erklären Sie sich das?

Klapisch: Ich habe keine Ahnung, weshalb! „Ihr Letzter Coup“ verwirklichte ich parallel zu „L'auberge espagnole“. Als ich die beiden Filme anschließend schnitt, war ich vom Erfolg des Krimis fest überzeugt, während ich eher zweifelte, ob die Komödie „L'auberge espagnole“ funktionieren würde. Genau das Gegenteil war der Fall! Ich kann aus all dem überhaupt keinen Schluss ziehen.

Der europäische Genrefilm steckt in einer Malaise. Weist das auf Schwachstellen in der hiesigen Produktionslandschaft hin?

Klapisch: Nein, so sehe ich das nicht. „Ihr letzter Coup“ war auch nicht teurer als „L'auberge espagnole“. Es hat wohl mehr mit der Publikumserwartung zu tun. Ich habe bisher neun Filme gedreht, meine Bilanz ist, dass die persönlicheren Werke, oder diejenigen, die als solche erscheinen, besser ankommen als meine Versuche, im Genre zu arbeiten. Mit meiner Filmografie habe ich gewisse Erwartungen hergestellt – und mittlerweile ist es sehr kompliziert geworden, auszubrechen. Ich wollte das nie, aber ich habe mir mein Gefängnis selbst gebaut.

Zur Person

Cédric Klapisch (*1961, Neuilly-sur-Seine bei Paris) ist einer der Erfolgsregisseure des französischen Kinos. Der Durchbruch gelang ihm 1996 mit zwei Komödien: „. . . und jeder sucht sein Kätzchen“ und „Un air de famille“. Zum Überraschungshit in ganz Europa wurde 2002 „L'auberge espagnole“. [Filmladen]

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.07.2008)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.