"Der Mongole": Und Dschingis Khan schweigt

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Ein solider Abenteuerfilm des Russen Sergei Bodrov. Ein Plädoyer für Großproduktions-Kino alter Schule, mit üppigen Schauwerten und Charakterrollen. Ab Freitag.

Der Mann, den sie später Dschingis Khan nennen werden, hat einen Plan: „Die Mongolen brauchen ein Gesetz. Ich werde sie dazu bringen, mir zu gehorchen – und wenn ich die Hälfte von ihnen dabei töten muss.“

Diese Entschlossenheit sorgt für den Zusammenhalt des epischen Abenteuerfilms Der Mongole, wo klassische Zutaten einschlägigen Hollywood-Entertainments erfolgreicher gemischt sind als zuletzt in der Traumfabrik. (Kasachstan hatte den Film auch gegen Österreichs Die Fälscher für den Auslandsoscar nominiert.) Wilde Schlachtengemälde wechseln mit prächtigen Landschaftspanoramen, die den idealen Hintergrund abgeben für eine große Liebesgeschichte und kleinere Zwischenspiele wie donnernde Ritte über die Steppe und freigiebiger Einsatz regionaler Foltermethoden zur Bereinigung von Zerwürfnissen.

Der russische Regisseur Sergei Bodrov zeigt sich erstmals seit Gefangen im Kaukasus, einem bemerkenswerten Kriegsfilm nach Tolstoi von 1996, wieder in Form: Sein Film wirkt wie ein Plädoyer für Großproduktionskino alter Schule, mit üppigen Schauwerten und Charakterrollen – tatsächlich ist sein Epos auch ein Entwicklungsroman.

Denn Der Mongole könnte auch „Dschingis Khan: Die jungen Jahre“ heißen, ist als Auftakt einer Trilogie über den Mongolenherrscher konzipiert. Bevor der zu Dschingis Khan wird, ist dieser Film schon zu Ende: Er firmiert nur unter dem „bürgerlichen“ Namen Temudschin („der Schmied“). Die erste halbe Stunde tritt er als Kinderdarsteller in Erscheinung: auf Brautschau mit dem Vater, ein prägendes Ereignis in dreierlei Hinsicht.

Erstens wird man mit den rituellen mongolischen Ausdrucksweisen vertraut gemacht, die hier hauptsächlich für Lokalkolorit sorgen. (Auch die Datierungen überzeugen: „1186 – Jahr des Feuerpferds“.) Und so lernt Klein-Dschingis von Papa gleich, was eine Frau haben muss, um einen Mann glücklich zu machen: „kräftige Beine“.

„Nie zwei Widderköpfe in einem Topf“

Zweitens beginnt die Verschränkung von Romanze und Krieg: Temudschins Wahl führt zu sofortigem Stammeszwist und späteren Entführungen seiner Erwählten, Borte. Mit ihr bildet Temudschin ein perfektes Paar, auch sie weiß manch wesentliche mongolische Weisheit: „Man kann nicht zwei Widderköpfe in einem Topf kochen“, rät sie dem Manne klug, als dessen Pakt mit seinem Blutsbruder Jamukha (gewitzt: Charakterdarsteller Sun Honglei) zu eng wird.

Denn Pakte führen zu Kompromissen, zu Schwäche, oft gar zum Tod, das ist die dritte Erkenntnis von Temudschins Brautschau: Sein Vater wird am Heimritt vergiftet, den Sohn rettet nur die Sitte des Kinderschutzes. Einen Gutteil des Films verbringt der Titelheld auf der Flucht oder in Gefangenschaft. (Als Mann spielt ihn der Japaner Tadanobu Asano, ein Superstar Asiens: Der muss hier hauptsächlich schweigen und schauen.) Die Passivität des Protagonisten ist ungewohnt, hat aber eine befriedigende Pointe: Im großen Finale zeigt sich, dass er so die Kraft gewonnen hat, den entscheidenden Schritt zur Einigung der Mongolen zu tun.

Temudschins Kämpferseite wird aber nicht unterschlagen. Die von Kehlkopfgesang-Hardrock surreal gefärbten Gefechte sind trotz üppiger digitaler Beigaben (Statistenmangel!) solide gemacht: Zwischen neuer Blutspritzer-Ästhetik à la Saving Private Ryan findet Bodrov etwa zu expressionistischen Einstellungen, die an Akira Kurosawa erinnern, oder wechselt aus dem Schlachtengetümmel kraftvoll in die Subjektive wie weiland Hollywood-Haudegen Raoul Walsh.

Bodrovs Spekulationen zu den Lücken in der legendären Biografie liefern eine Deutung der Prägung zum Kriegsherrn, da ist Der Mongole Hollywoods Versionen voraus: dem berüchtigten Flop Der Eroberer (1956) um John Wayne, dem amüsanten Bilderbogen Dschingis Khan (1965) um Omar Sharif.

In einer wichtigen Nebenhandlung bittet ein hellsichtiger Mönch den künftigen Eroberer um den Schutz eines Klosters „voller heiliger Bücher“. Der Mongole entgegnet zwar nur: „Ich kann nicht lesen“, aber er weiß als Herrscher um die stiftende Identität von Worten. So belehrt er auch seine Kinder: „Unsere Sprache ist die schönste.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 06.08.2008)

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