Neu im Kino: Auftragsmörder mit Alkoholproblem

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John Dahls gut gespielte Krimikomödie „You Kill Me“ verläuft etwas absehbar. Unberechenbarer sind die Genrefilme des mit einem Sommerkino-Tribut geehrten Johnnie To.

Wenn man Frank (Ben Kingsley) zum ersten Mal sieht, sieht man auch gleich, dass er ein Alkoholproblem hat: Beim Schneeschaufeln gräbt er eine kühle Wodkaflasche aus, nimmt einen Zug, wirft sie weiter, in die nächste Schneewehe. Bald ist sie wieder freigebuddelt für den nächsten Belohnungsschluck. Franks Alkoholproblem bringt berufliche Probleme mit sich, so viel ist abzusehen. Nur noch nicht, wie: Er ist nämlich Auftragskiller.

So verschläft Frank eines berauschten Abends die Ankunft seines avisierten Opfers vom irischen Syndikat (Dennis Farina). Franks Stolz auf seine professionelle Präzision leidet, noch schlimmer trifft es aber seine polnische Gangsterfamilie in Buffalo, NewYork. Doch wie es sich für eine Krimikomödie gehört, setzt das unzufriedene Oberhaupt des Clans (Philip Baker Hall) erst auf eine absurde Therapie: Trinker Frank muss nach San Francisco zur Reform bei den Anonymen Alkoholikern. Beim Leichenbestatter soll er dieweil unauffälligem Tagwerk nachgehen.

Das hört sich wie eine Kreuzung der TV-Serien „Sopranos“ und „Six Feet Under“ an, nur fehlt deren Frische: Tatsächlich wurde das Drehbuch zur schwarzen Komödie You Kill Me in Hollywood ein paar Jahre herumgereicht. Regisseur John Dahl, einst Hoffnungsträger im Neonoir-Handwerk (Die letzte Versuchung), hat es nun umstandslos inszeniert, ganz entsprechend der trockenen Pointe des Titels.

Immerhin darf sich das Ensemble in bester Spiellaune zeigen: Glatzkopf Kingsley ist angemessen finster, trotz tragikomischer Anlage bleibt seine Figur so bedrohlich. Die unterbeschäftigte Téa Leoni ist als seine unwahrscheinliche Herzensdame so gut, dass kaum auffällt, wie unglaubwürdig ihr Charakter eigentlich gebastelt ist. Anderswo feilen Bill Pullman als Franks Überwacher oder Luke Wilson als schwuler Förderer bei der Alkoholikergruppe an ironischen Miniaturen.

Therapie: Töten statt trinken

Aber weder die sauber polierte Produktion noch die aufgeräumten Akteure können die Seelenlosigkeit im Herzen des Films übertünchen: Schmähstad wird derselbe Witz – vom Gegensatz zwischen menschlichen Schwächen und unmenschlicher Profession – so lange zelebriert, bis seine Skurrilität versandet. Irgendwann schüttet Frank, gewohnt taktlos, vor seiner fassungslosen Therapiegruppe das Herz aus: Wirklich, wirklich wolle er zu trinken aufhören, um endlich wieder Beruf und Berufung als Mörder nachzugehen. Dann kann nicht viel mehr kommen als absehbare Genre-Verwicklungen, während der ungute Nachgeschmack stereotyper Witze bleibt.

Als perfekter Gegenpol zur routinierten Oberflächlichkeit von Dahls angelegentlich kurzweiliger Krimikomödie empfiehlt sich der Tribut im Sommerkino des Wiener Filmcasinos an Johnnie To, den herausragenden Genre-Regisseur aus Hongkong. Dessen Filme dienen durchwegs als Demonstrationsobjekte eines souveränen Unterhaltungskinos, das auch tiefgründige Themen behandelt.

Wie Tos Gangsterfilm-Doppelpack Election und Election 2: Die dunklen, nur lose verbundenen Erzählungen um Erbfolgekriege in Hongkongs Triaden-Clans sind nicht nur hart, wo es um handgreifliche Action geht. (Buchstäblich: Feuerwaffen werden da nicht benutzt.) Denn der Gewaltzyklus der grausamen Grabenkämpfe der Verbrecher entpuppt sich zuletzt als willkommene Hilfeleistung: Korrupte Regierungsbeamte der chinesischen Machthaber ziehen die (ökonomischen) Fäden.

Dass To tiefschwarze Töne nicht nur beim Thriller trifft, beweist die Premiere der Krimikomödie Mad Detective. Der titelgebende Ermittler kann sich in den Geist von Gaunern einfühlen, das führt beim Fall einer gespaltenen Persönlichkeit zu hinreißend absurden Szenen: Etwa, wenn sich die multiplen Identitäten – jede von einem anderen Schauspieler verkörpert – in eine enge WC-Kabine quetschen.

AUF EINEN BLICK

„You Kill Me“ von John Dahl mit Ben Kingsley startet heute in fast allen Bundesländern (Originalfassung im Wiener Artis und, mit Untertiteln, im Moviemento, Linz).

Das „Johnnie To Special“: von 8. bis 14.August als Sommerkino im Wiener Filmcasino: Täglich um 21.30 Uhr ein Film von Johnnie To, dem virtuosen Genreregisseur aus Hongkong. Dieses Wochenende: „Election“ (8.8.), „Mad Detective“ (9.8.), „Election 2“ (10.8.).

("Die Presse", Print-Ausgabe, 08.08.2008)

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