Tom Schilling: Sprachlos mit Methode

Tom Schilling
Tom Schilling(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Er ist einer jener deutschen Jungschauspieler, von denen man noch viel hören wird: Tom Schilling im Gespräch über schnellen Ruhm, Hitlerbart, divahafte Kollegen und
warum er nur spricht, wenn er etwas zu sagen hat.

TIPP

Das Café Jelinek in Wien. Während es draußen dreißig Grad hat, sitzt Tom Schilling im perfekt geschnittenen Anzug aus Wollstoff drinnen, bestellt Kaffee und raucht Kette. Mit 17 wurde der Berliner in dem Jugendfilm „Crazy“ berühmt, als er neben Robert Stadlober auf einen Keks masturbierte. Heute gehört er zu den interessantesten deutschen Jungschauspielern, demnächst schlüpft er in die Rolle des Adolf Hitler in der Verfilmung von George Taboris „Mein Kampf“. Auch der Anzug kann nicht verdecken, dass er dafür stark abgenommen hat. Aber auf sein Gewicht soll man ihn bitte nicht ansprechen und lieber über den aktuellen Film „Robert Zimmermann wundert sich über die Liebe“ reden. Und über jemanden, der auch mit Geburtsnamen Robert Zimmermann heißt:

Haben Sie in letzter Zeit viel Bob Dylan gehört?

Dylan mag ich sowieso. Obwohl das nicht immer so war. Meine Eltern haben früher oft seine Kassetten gehört, als wir in den Urlaub gefahren sind, und ich fand immer, dass sein Gesang für mich anstrengend war. Das klang alles gleich für mich. Die Stones und Beatles haben mir da schon besser gefallen. Mit 16 habe ich ihn dann erst für mich entdeckt.

Wie kann man sich sonst auf einen Film von Regisseur Leander Haussmann vorbereiten? Der ist ja bekannt dafür, im letzten Moment gerne nochmal alles zu ändern.

Im Prinzip gar nicht. Bei ihm muss man meist nicht einmal Text lernen, weil der sowieso am nächsten Tag wieder geändert wird. Man muss nur bereit sein, auf der Welle mitzuschwimmen. Der Drehbuchautor war auch am Set und musste teilweise vor Ort umschreiben. Leander ist gut darin, von einem Moment zum anderen alles zu ändern. Er kommt ans Set und sagt, „Ach, die Szene ist irgendwie scheiße. Ich weiß aber nicht, was wir machen sollen. Egal, geh du erst mal in die Maske.“ Dann kommt er später rein, strahlt wie ein Honigkuchenpferd und sagt „Ich hab‘s“.

Im Film holt der Familienvater spät seine Jugend nach. Sie sind mit 25 bereits Vater geworden. Haben Sie jetzt mit 26 das Gefühl, was zu versäumen?

Ich habe sicher noch lange nicht alles ausgekostet, aber meine Jugend war nicht schneller vorbei, nur weil ich Vater geworden bin. Ich bin so viel ausgegangen zwischen 18 und 24, und es ist ja immer das Gleiche. Aber oft schätzt man auch gar nicht mehr, was man hat, so wie die Familie im Film. Es kann doch zum Beispiel auch schön sein als Ehepaar, wenn man sich nichts zu sagen hat.

Was ist daran schön?

Das ist ja nur ein Problem, wenn man es als solches empfindet. Sprachlosigkeit und Routine haben in unserer Gesellschaft einen negativen Anstrich. Es muss immer was Neues passieren und Alltag ist der Tod. Die Medien suggerieren uns dauernd, dass du heute da sein musst und morgen da. Es kann aber auch schön sein, Alltag miteinander zu teilen, den man mit anderen eben nicht haben könnte. Das macht doch auch Liebe aus.

Ihr Alltag ist aber doch wohl nicht so langweilig?


Sicher, mein Alltag ist ein bisschen abwechslungsreicher, aber mit ein wenig Abstand betrachtet lebe ich auch in einer Struktur, die sich wiederholt. Ich habe Zeiten, da drehe ich, dann bin ich zuhause wieder der Familienmensch, dann mache ich einen Film und es fällt mir meist schwer, mich von dem zu trennen, was ich zuhause habe, weil ich auch Angst habe vor dem nächsten Film. Dann mache ich den Film, wachse da langsam rein, dann ist der Film fertig und dann fällt es mir schwer, mich davon zu lösen.

Wie lange haben Sie überlegt, bevor Sie zugesagt haben, Hitler zu spielen? An so einer Rolle ist ja schon mancher gescheitert.

Da überlegt man schon. Aber erstmal ist es eine gute Vorlage von George Tabori. Dann spielt Götz George mit. Das heißt, so ein gestandener Schauspieler glaubt an das Projekt, und da wäre ich blöd, wenn ich sagen würde, ich mache da nicht mit. Egal wie die Geschichte ausgehen wird, ich werde daran wachsen. Gerade bei so einer Rolle kann man es eh nie allen recht machen.

Haben Sie sich einen Hitlerbart wachsen lassen?

Nein, der war geklebt. Der Hitlerbart ist eine Bartvariation, eine Mode, die damals gang und gäbe war, aber die ein Mensch durch seine Taten vollkommen passé gemacht hat. Im Prinzip ist dieser Bart heute untragbar.

Ist Ihr Kollege Götz George tatsächlich so eine Diva?

Mir ist ein Götz George viel sympathischer, was den Umgang mit Medien betrifft, als diejenigen, die eine Homestory nach der anderen machen. Der macht seine Arbeit und tolle Filme und findet nicht, dass die Presse einen Anteil an seinem Privatleben haben muss, und will sich davor schützen.

Ist hingegen der Druck für junge Schauspieler groß, auch mal was Intimes preiszugeben, um sich ins Gespräch zu bringen?

Ich bin Schauspieler und meine Arbeit ist die am Set. Alles andere kann man so machen, wie man Lust hat. Ich könnte ohne weiteres eine Homestory machen und das nächste Mal würden mich dann sogar die Boulevardfotografen erkennen. Bei den meisten, die über den Roten Teppich laufen und schick aussehen, weiß man eh nicht, was die machen oder in welcher Vorabendserie die mitspielen. Aber wie oft man in der Zeitung steht, kann man schon selber steuern. Mit einem Film bin ich auch gerne in den Medien, aber wenn ich nichts zu sagen habe, dann muss ich nicht in einer Talkshow sitzen. Wie oft man in der Presse steht, ist auch kein Parameter, was man für ein Schauspieler ist. Mir ist es lieber, keiner schreibt was über mich, aber Oskar Röhler (Regisseur von „Elementarteilchen“,
Anm.) ruft mich an, ob ich in seinem Film mitspiele. Das bedeutet mir mehr, als in der „Bunten“ zu stehen.

Glauben Sie, das Etikett Nachwuchsschauspieler, das Ihnen anhaftet, ist nach den nächsten zwei Filmen endlich mal gegessen?

Das wird sich zeigen. Die Leute, die in den Redaktionen sitzen, würden über jemanden, der seit zehn Jahren nur Mist dreht und der Darling der Medien ist, so etwas wohl nicht sagen. Aber die Leute, die sich wirklich mit Film beschäftigen, schreiben das schon lange nicht mehr.

Sie sind mit 17 Jahren mit „Crazy“ über Nacht gemeinsam mit Robert Stadlober zum Shootingstar
und Teenie-Schwarm geworden. Stichwort Stadlober: Ist in so einer Situation die Gefahr groß, dass man zum, sagen wir mal, unangenehmen Zeitgenossen wird?


Ja, klar. Ich dachte, super, ich bin jetzt Schauspieler. Man fühlt sich unantastbar und es gibt niemanden, der dich da runterholt. Ich dachte damals auch, mir macht keiner mehr was vor. Nur ist es im Gegensatz zu Robert Stadlober bei mir nicht beobachtet worden.

Woran liegt es eigentlich, dass Sie keinen Computer haben?

Das ist ein altmodischer Luxus, den ich mir leiste, weil ich bei anderen sehe, wieviel Zeit das auffrisst, wenn man ständig alles googelt oder morgens als erstes schon seine E-Mails checkt. Die Zeit, die andere vor dem Computer sitzen, spiele ich lieber Klavier oder mache Sport. Das ist für mich mehr Lebensqualität. Ich habe auch keine Mailbox. Wenn jemand was von mir will, dann ruft er halt nochmal an.

Und wer erklärt Ihrem Sohn, wie ein Computer funktioniert?

Meine Freundin kann das machen, sie hat einen Computer. Aber das ist doch auch das Tolle an Kindern, dass man sich bis zu einem bestimmten Alter den Luxus gönnen kann, nicht dem Zeitgeist folgen zu müssen. Kinder erklären einem später sowieso, wie die Welt funktioniert.

Robert Zimmermann wundert sich über die Liebe
ab 29.8. im Kino

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